In Fortsetzung der letzten eJournal-Ausgabe beschäftigen wir uns in „INTERVENE! II“ mit künstlerischen Interventionen im Spannungsfeld von Bildung und kritischer Praxis.
Die Beiträge dieser Ausgabe gehen auf zwei Symposien im Herbst 2013 sowie im Frühling 2014 am Programmbereich Contemporary Arts & Cultural Production am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst zurück. In beiden Symposien wurdenThemen der Bildungs- und Vermittlungsarbeit sowie der Intervention in institutionellen und selbstorganisierten Bildungskontexten behandelt. Dabei standen Fragen nach Prozessen des (Ver-)Lernens von Privilegien sowie von Normen und hierarchischen Wissenssystemen als Basis für Selbstermächtigung und politische Solidaritätsarbeit zur Diskussion.*2 *(2)
Das Themenfeld künstlerische Interventionen und Bildung als kritische Praxis umfasst unterschiedliche künstlerische Strategien und Praxisformen. Der Spannungsbogen reicht dabei vom Eingreifen in institutionelle Bildungskontexte über das Schaffen selbstorganisierter Bildungskontexte sowie das Erforschen der eigenen Lebensbedingungen und jener anderer gesellschaftlicher Gruppen bis hin zur Mobilisierung und politischen Aktion.
Bildung als Prozess der Politisierung
Bildung verstehen wir hierbei in der Tradition kritischer und radikaler Pädagogik, wie sie u.a. von Paulo Freire ([1970] 1978) (*4) und bell hooks (1994) (*5) geprägt wurde, als Prozess der Politisierung. In diesem Verständnis ist es der Auftrag und das Ziel von Bildung dazu beizutragen, dass die Menschen jene Machtmechanismen, die ihr Leben prägen erkennen lernen, um sie darauf aufbauend verändern zu können. Bildung wird in dieser Perspektive als gegenseitiger Lernprozess und kollektive Wissensproduktion aufgefasst. Kritische Praxis bedeutet dabei, Theorie und Reflexion sowie das Erproben von Handlungsstrategien als zusammengehörig zu verstehen.
In diesem Kontext kommt der Kunst als gesellschaftlicher Ort der Arbeit am Symbolischen und Imaginären einer Gesellschaft eine wichtige Rolle zu. In Anlehnung an Jacques Rancière (2008) (*13) ist der Kunst und der Politik gemeinsam, dass in diesen Feldern die Bedingungen für gesellschaftliche Teilhabe ausverhandelt werden. Es geht um die Festlegung jener Positionen und Tätigkeiten im gesellschaftlichen Gefüge, die es den jeweiligen AkteurInnen ermöglichen gehört zu werden, wenn sie sprechen, sowie gesehen zu werden, wenn sie auftreten.
Mit Pierre Bourdieu weisen das Kunstfeld und das Feld der Politik das gemeinsame Charakteristikum auf, Felder symbolischer Macht zu sein. Praxen, die in diese Felder intervenieren, greifen in die Potentialität einer Gesellschaft ein, denn hier wird verhandelt, was in einer Gesellschaft möglich ist und was unmöglich erscheint. Bourdieu bezeichnet künstlerische Produktion als einen Teil des kulturellen Feldes, dabei ist das künstlerische Feld von drei Polen begrenzt: dem Markt, der Kunst um der Kunst willen und den Überlappungen zum politischen Feld (Kastner 2009: 21). (*9) In Bezug auf das Potenzial gesellschaftlichen Eingreifens interessieren uns die Überlappungen des Kunstfeldes zum politischen Feld.
Eine wesentliche Rolle kommt dabei der Sprache, dem Diskurs und der Herstellung von Öffentlichkeit zu, denn die Legitimation der symbolischen Macht und symbolischen Ordnung ereignet sich im Akt der Anerkennung einer gemeinsamen Sprache. Bourdieu hält diesbezüglich fest: „In der Politik ist nichts realistischer als der Streit um Worte. Ein Wort an die Stelle eines anderen zu setzen heißt, die Sicht der sozialen Welt zu verändern und dadurch zu deren Veränderung beizutragen“ (Bourdieu 1997: 84). (*2) So wie in der Politik ist auch in der Kunst das Sprechen-über zentral: Der Diskurs über die Wirklichkeit schafft die Wirklichkeit selbst. Das Agieren mittels Kunst bedeutet also auch immer ein Reproduzieren oder Infragestellen geltender symbolischer Ordnungen (vgl. Schwingel 1998: 115). (*16)
Laila Huber, Elke Zobl ( 2014): INTERVENE! Künstlerische Interventionen II: Bildung als kritische Praxis. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/intervene-kunstlerische-interventionen-ii-bildung-als-kritische-praxis/