„Wenn sie sagen: ‚Ja kaufen‘, dann sagen wir: ‚Nein, nachdenken bitte‘ …“

Ein Interview von Elke Zobl und Laila Huber mit migrantas / Florencia Young und Marula di Como

Diese urbanen Aktionen, würdet ihr das selbst auch als künstlerische Intervention beschreiben? Ist das ein Begriff, mit dem ihr etwas anfangen könnt?

Marula Di Como: Ich habe schon in Argentinien Plakataktionen gemacht, und auch Mail Art, also das ist eine 70er-Jahre-Kunst-Situation. Und am Anfang, als ich diese Einladung bekommen habe zu dieser Partnerschaft Berlin-Buenos Aires, da haben wir in Buenos Aires dies an Bushaltestellen gezeigt, aber in Berlin nicht. Denn da musste man zahlen und das war teuer.

Florencia Young: Aber die Frage, ob wir das künstlerische Intervention nennen: ja, warum nicht. Das ist auch eine künstlerische Intervention.

Und die Migrationsdiskurse, das ist ja auch etwas, wo ihr eingreift und mitmischt und etwas verändern wollt?

Florencia Young: Ja, genau. Was wir versuchen ist, diese Werbefläche, die mir sagt, wo ich eine tolle H&M Jacke kaufen kann, dazu zu bringen: Sag mir doch mal was anderes!

Marula Di Como: Das ist aber auch eine 70er-Jahre- Situation, denn Marina Abramović hat auch mit Werbeflächen gearbeitet. Die Frage ist: Wie kann ich draußen etwas sagen, wenn ich ein Künstler bin. Jetzt ist es für uns perfekt. Wenn sie sagen: „ja kaufen“, dann sagen wir: „Nein, nachdenken bitte“, wie für uns die Situation ist. Leider ist es nur temporär. Wir möchten etwas machen, das irgendwo bleiben kann. Aber das geht nur mit viel Geld.

Wie lange sind dann die Plakate durchschnittlich im öffentlichen Raum?

Marula Di Como: Zwei Wochen.

Florencia Young: Aber z.B. bei einem Projekt in Köln fand die Firma total einverstanden und sie meinten: Bitte lassen Sie mehr drucken und wenn ich Platz habe, dann nehme ich eure Plakate und hänge die dort auf. Das war 2008 und wir bekommen heute immer noch E-Mails von Leuten, die schreiben: Oh dieses Plakat, das ist toll, wo kann ich das kaufen?

Ich wollte zurück zur Frage, wie sich migrantas verändert hat. Wir waren z.B. in Friedrichshafen eingeladen, an einer Ausstellung, die „Neue Heimat zwischen den Welten“ hieß, teilzunehmen. Und dort haben wir eine Workshop-Station gebaut und Instruktionen dort gelassen, auch Audioaufnahmen von anderen Workshops. Das waren so 5 x 5 x 3 Meter und alles war vollgehängt mit Zeichnungen aus den Projekten, die wir bis dahin gemacht haben, und die Besucher_innen konnten dort selbst mitmachen. Es gab ganz präzise eine Frage: Was bedeutet „Heimat“? Das Museum hat uns dann regelmäßig die Zeichnungen geschickt und daraus sind ein paar neue Piktogramme entstanden.  Wir sind immer offen vom Format her. Jetzt z.B. haben wir wieder einen Workshop, bei dem es um die Anerkennung von Diplomen geht, also ganz spezifisch um eine Frage oder ein Thema. Also wie würde ein Piktogramm über dieses Thema ausschauen?

Kollektiv migrantas ( 2014): „Wenn sie sagen: ‚Ja kaufen‘, dann sagen wir: ‚Nein, nachdenken bitte‘ …“. Ein Interview von Elke Zobl und Laila Huber mit migrantas / Florencia Young und Marula di Como. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 04 , https://www.p-art-icipate.net/wenn-sie-sagen-ja-kaufen-dann-sagen-wir-nein-nachdenken-bitte/