Fragen, verlernen, intervenieren, teilhaben

Kulturelle Interventionen und kritische Kunstvermittlung

Herausforderungen für künstlerisch-edukative Projekte: Fragen über Fragen

Solche Aspekte haben natürlich für Projekte, die an der Schnittstelle und in Kooperation von verschiedenen Institutionen wie Universität – Schule/außerschulischen Einrichtungen – Kunst- und Kultureinrichtungen angesiedelt sind, wichtige Konsequenzen und werfen mehr Fragen auf als sie Antworten geben. Einen der kritischen Kunstvermittlung zugeordneten Ansatz stellt dabei das Konzept der künstlerisch-edukativen Projekte dar, entwickelt von Eva Sturm. Dieser Terminus beschreibt Projekte, „die entweder im Kunstfeld angesiedelt oder kunstnah angelegt“ sind und sich kritisch reflektierend in Bildungskontexten verorten: „Es sind Vorhaben, in denen künstlerische Praktiken die Arbeitspraxis strukturieren und in denen verschiedene Öffentlichkeiten mit KünstlerInnen bzw. KunstvermittlerInnen bzw. Cultural Workers kooperieren (…) Gemeinsam ist solchen Projekten in der Regel, dass die Ergebnisse (…) wieder in den öffentlichen Raum zurückgespielt werden.“ (Institute for Art Education 2013: o.S.)star (*12) Der Ansatz wird in einer wachsenden Zahl an Publikationen (Institute for Art Education 2013star (*12) und o.J.,star (*36) Settele/Mörsch 2012,star (*26) Sturm 1999star (*29)) und bei Konferenzen weiterentwickelt. Er eignet sich für die Arbeit mit Jugendlichen in der Kunstvermittlung, im Schulkontext (Lüth 2005)star (*14) und für die Kommunikation zwischen kultureller und politischer Bildung (vgl. u.a. Besand 2012).star (*1) Wir fassen künstlerisch-edukative Projekte daher als passenden konzeptuellen Rahmen für die Anwendung künstlerischer und kultureller Interventionen im Bildungskontext.
Ein wichtiger Impuls für künstlerisch-edukative Projekte liegt im Infragestellen des Lernens selbst. In ihrem Artikel „Verlernen vermitteln“ legt Nora Sternfeld dar, wie Prozesse des Lernens und Verlernens von Denk- und Handlungsmustern in Hinblick auf Kritik und gesellschaftliche Transformation zusammenhängen (Sternfeld 2014: 12f.).star (*27)

Sternfeld definiert den Ort des Lernens und Lehrens als „umkämpftes Terrain“, in dem die Pädagogik als verändernde Praxis verstanden wird, die das Sagbare und Denkbare (ebd.: 19)star (*27) verhandelt und verändert und die „dominanten Formen des Denkens und Handelns“ (Mayo 2006: 22,star (*15) zit. n. Sternfeld 2014: 19star (*27)) herausfordert. Sie bezieht sich dabei auf das in der postkolonialen Kritik verankerte Konzept des „Unlearning“ von Gayatri Spivak. Bei diesem geht es nicht nur darum „Hegemonie zu vermeiden, sondern vielmehr darum gegenhegemoniale Prozesse zu formieren“, Machtverhältnisse bewusst zu verlernen und die strukturelle Dimension von Ausschlussmechanismen zu erkennen (Sternfeld 2014: 16ff.).star (*27)

Ein wichtiger Aspekt des Verlernens/Unlearning ist laut Nora Sternfeld im Performativen angesiedelt. Machtverhältnisse stehen mit Lernprozessen in Beziehung, sie werden tagtäglich gelernt und aufgeführt und somit reproduziert oder auch subvertiert. Gängiges und mächtiges Wissen kann in diesem Sinn in der pädagogischen oder künstlerischen Vermittlungstätigkeit dekonstruiert werden und offene Räume für alternative Wissensproduktionen (s. auch Siglinde Lang: Partizipative Räume als Nährboden kultureller Bedeutungsproduktion) können geschaffen werden, die eine Aneignung und dadurch eine Neuinterpretation und Transformation von Bedeutungen und Zuschreibungen ermöglichen (Sternfeld 2014: 9).star (*27) Der offene Raum, den die Kunstvermittlung herstellt, ist dabei als „Raum für Dissens“ zu verstehen (ebd.: 10).star (*27)

Genau dieses Öffnen von „Räumen für Dissens“ steht im Fokus des Forschungsbereichs „Partizipation und Edukation“ ‑ in der Hoffnung, Einblicke und Erkenntnisse in die Möglichkeiten der Teilhabe und der Ermächtigung von jungen Menschen zu gewinnen.

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Wege, Astrid (2014). Partizipation. In: Butin, H. (Hg.): Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst, Snoeck, S. 275-280.

Der Beitrag fußt auf dem regen Austausch mit der Kunstvermittlerin Elke Smodics (trafo.K.).

Wie wir in der Einleitung zur eJournal Ausgabe #5 (2014) ausgeführt haben.

Elke Zobl, Laila Huber ( 2015): Fragen, verlernen, intervenieren, teilhaben. Kulturelle Interventionen und kritische Kunstvermittlung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 06 , https://www.p-art-icipate.net/fragen-verlernen-intervenieren-teilhaben/