Groß-Events sind im Kunstbetrieb der Gegenwart schon längst keine außergewöhnliche Angelegenheit mehr, sondern ein ebenso ständiger wie erwarteter Dauerzustand. Ein Beispiel sind die sogenannten „Langen Nächte“, die regelmäßig in Kirchen, Museen oder in Denkmälern stattfinden. Sie erfreuen sich seit ihrer Einführung in Berlin 1997 großer Beliebtheit und sollen in erster Linie „neue Besucherkreise auf die Einrichtungen aufmerksam“ machen. (*1) Das Konzept scheint zu funktionieren: So haben 2012 exakt 434.873 Menschen das Angebot der Langen Nacht in Österreich genützt, die seit dem Jahr 2000 vom ORF ausgerichtet wird.
(*2) Was macht die Nacht mit dem Museum, möchte man sich angesichts dieser Zahlen fragen? Und was ist so spannend an vollen Ausstellungsräumen, an einem Ticket für alles und an dem Gefühl des immensen Angebots, das einen Abend von nur sieben Stunden über alle Maße sprengt? Eine Antwort findet sich laut ORF in dem „umfangreiche[n] Programm mit einzigartigen und spannenden Erlebnissen“, die es in „700 Museen, Galerien und Kultureinrichtungen“ zu erfahren gilt und das mit Attraktionen wie „Spezialführungen, Künstlergespräche[n], Vorträge[n], Musik, Tanz“ sowie „eine[m] abwechslungsreich[en] Kinderprogramm“ aufwartet.
(*3) Das Kontrastbeispiel VIENNA ART WEEK, das im Spätherbst vom Dorotheum mit den Mitgliedern des Art Clusters veranstaltet wird, verspricht wiederum einem internationalen Kunstpublikum „eine intensive, auf Kunst fokussierte Woche“ sowie „fantastische Museen, großartige Künstler und eine interessante Galerienszene“ in Wien.
(*4)
Doch was steckt hinter diesen vollmundigen Ankündigungen? Was unterscheidet das Kunst- und Kunstvermittlungsangebot in der langen Nacht sowie der intensiven Woche tatsächlich vom regulären Programm? Bereits im Vorfeld lieferten die beiden Fallbeispiele der Lehrveranstaltung reichlich Diskussionsstoff, auf welche Weise, mit welchen Mitteln und für welches Publikum hier Kunst vermittelt wird. Aber nicht nur diskutieren, sondern sich selbst auch diesem (Über-)Angebot auszusetzen, war die Devise. Unter dem Motto „Exzess der Vermittlung“ verfolgten wir in der Lehrveranstaltung den folgenden Plan: Jede von uns nahm ein Bad in den Möglichkeiten des Kunst-/Kulturkonsums und schlüpfte dabei in die Rolle der teilnehmenden Beobachterin, um einen spezifischen Aspekt der Vermittlung zu ergründen. Dieser individuell gewählte Schwerpunkt war an einem Schlagwort orientiert, auf das sich die Aktivitäten der Feldforschung konzentrierten und an Hand dessen wir im Verlauf des Semesters einen Glossarbegriff erarbeiteten. Der empirischen Verausgabung stand damit eine theoretische Verortung gegenüber.