Exzess der Vermittlung – und wie viel davon vertragen welche BesucherInnen?
Artikel von Maximiliane Buchner, Glossarbeiträge von Marlies Berger, Maximiliane Buchner, Andrea Kurz und Manuela Seethaler – Studierende der praxisorientierten Lehrveranstaltung „Exzess der Vermittlung“ – Lehrende Luise Reitstätter
Groß-Events sind im Kunstbetrieb der Gegenwart schon längst keine außergewöhnliche Angelegenheit mehr, sondern ein ebenso ständiger wie erwarteter Dauerzustand. Ein Beispiel sind die sogenannten „Langen Nächte“, die regelmäßig in Kirchen, Museen oder in Denkmälern stattfinden. Sie erfreuen sich seit ihrer Einführung in Berlin 1997 großer Beliebtheit und sollen in erster Linie „neue Besucherkreise auf die Einrichtungen aufmerksam“ machen. (*1) Das Konzept scheint zu funktionieren: So haben 2012 exakt 434.873 Menschen das Angebot der Langen Nacht in Österreich genützt, die seit dem Jahr 2000 vom ORF ausgerichtet wird. (*2) Was macht die Nacht mit dem Museum, möchte man sich angesichts dieser Zahlen fragen? Und was ist so spannend an vollen Ausstellungsräumen, an einem Ticket für alles und an dem Gefühl des immensen Angebots, das einen Abend von nur sieben Stunden über alle Maße sprengt? Eine Antwort findet sich laut ORF in dem „umfangreiche[n] Programm mit einzigartigen und spannenden Erlebnissen“, die es in „700 Museen, Galerien und Kultureinrichtungen“ zu erfahren gilt und das mit Attraktionen wie „Spezialführungen, Künstlergespräche[n], Vorträge[n], Musik, Tanz“ sowie „eine[m] abwechslungsreich[en] Kinderprogramm“ aufwartet. (*3) Das Kontrastbeispiel VIENNA ART WEEK, das im Spätherbst vom Dorotheum mit den Mitgliedern des Art Clusters veranstaltet wird, verspricht wiederum einem internationalen Kunstpublikum „eine intensive, auf Kunst fokussierte Woche“ sowie „fantastische Museen, großartige Künstler und eine interessante Galerienszene“ in Wien. (*4)
Doch was steckt hinter diesen vollmundigen Ankündigungen? Was unterscheidet das Kunst- und Kunstvermittlungsangebot in der langen Nacht sowie der intensiven Woche tatsächlich vom regulären Programm? Bereits im Vorfeld lieferten die beiden Fallbeispiele der Lehrveranstaltung reichlich Diskussionsstoff, auf welche Weise, mit welchen Mitteln und für welches Publikum hier Kunst vermittelt wird. Aber nicht nur diskutieren, sondern sich selbst auch diesem (Über-)Angebot auszusetzen, war die Devise. Unter dem Motto „Exzess der Vermittlung“ verfolgten wir in der Lehrveranstaltung den folgenden Plan: Jede von uns nahm ein Bad in den Möglichkeiten des Kunst-/Kulturkonsums und schlüpfte dabei in die Rolle der teilnehmenden Beobachterin, um einen spezifischen Aspekt der Vermittlung zu ergründen. Dieser individuell gewählte Schwerpunkt war an einem Schlagwort orientiert, auf das sich die Aktivitäten der Feldforschung konzentrierten und an Hand dessen wir im Verlauf des Semesters einen Glossarbegriff erarbeiteten. Der empirischen Verausgabung stand damit eine theoretische Verortung gegenüber.
Wikipedia-Eintrag „Lange Nacht der Museen“. Online unter http://de.wikipedia.org/wiki/Lange_Nacht_der_Museen (02.03.2015).
Lange Nacht der Museen erlebte Besucheransturm; Vienna online 07.10.2012. Online unter http://www.vienna.at/lange-nacht-der-museen-2012-erlebte-grossen-besucheransturm/3377414 (02.03.2015).
Booklet der ORF Langen Nacht der Museen 2014
Presseaussendung Vienna Art Week vom 26.05.2014
Vienna Art Week: Kunstmarathon startet wieder, ORF.at vom 17.11.2014. Online unter http://wien.orf.at/news/stories/2679688/ (02.03.2015).
Deutscher Museumsbund e.V. und Bundesverband Museumspädagogik e.V. (Hg.) (2008): Qualitätskriterien für Museen: Bildungs- und Vermittlungsarbeit, Berlin: Deutscher Museumsbund e.V. S. 8-11, 15-19.
Salzburger Freilichtmuseum (o.J.): Salzburger Freilichtmuseum. Projekte für Volksschulkinder. Online unter http://www.freilichtmuseum.com/de/schulen/volksschule.html (01.03.2015).
Kollar, Elke (2013): Kultur vermitteln – Kultur verstehen. Didaktische Materialien der Klassik Stiftung Weimar. In: Bundesverband Museumspädagogik e.V. (Hg.): Standbein Spielbein. Museumspädagogik aktuell. Anleitung zum Selbstentdecken – didaktische Materialien im Museum, Nr. 96, 2013, S. 24-28.
Harrasser, Doris u.a. (2011): Wissen Spielen. Untersuchungen zur Wissensaneignung von Kindern im Museum. Bielefeld: transcript Verlag, S. 274.
Schratz-Hadwich, Barbara (1992): Lernen im Kindermuseum. Oder California dreaming…?. In: Hierdeis, Helmwart (Hg.): Mit den Sinnen begreifen. 10 Anregungen zu einer erfahrungsorientierten Pädagogik. Innsbruck: Österr. Studien-Verlag, S. 70-88.
Ritter, Manfred (1986): Vorwort. In: Ritter, Manfred (Hg.): Wahrnehmung und visuelles System. Heidelberg: Spektrum-d.-Wiss.-Verl.-Ges., S. 7-15.
Albers, Irene (2001): Prousts Photographisches Gedächtnis. In: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur, 2001, 111. Jg., H. 1, S. 19-56.
Busch, Bernd (1995): Belichtete Welt: Eine Wahrnehmungsgeschichte der Fotografie. München: Fischer Taschenbuch Verlag.
Kravagna, Christian (1997): Vorwort. In: Kravagna, Christian (Hg.): Privileg Blick. Kritik der visuellen Kultur. Berlin: Ed. Id-Archiv, S. 7-14.
Wonisch, Regina (2002): Museum und Blick. Online unter http://www.iff.ac.at/museologie/service/lesezone/imblick.pdf (01.03.2015).
Palmer, Daniel S. (2014): Share and Share Alike (Part II): Sharing and Liking and Lacking. Online unter http://the-exhibitionist.com/share-and-share-alike-part-ii/#more-346c (01.03.2015).
Bublitz, Hannelore (2010): Diskurs II. In: Hedinger, Johannes M./Gossolt, Markus (Hg.): Lexikon zur zeitgenössischen Kunst von Com&Com. Sulgen: Niggli, S. 35f.
Mörsch, Carmen (2009): Am Kreuzungspunkt von vier Diskursen. Die documenta 12 Vermittlung zwischen Affirmation, Reproduktion, Dekonstruktion und Transformation. In: Mörsch, Carmen/Forschungsteam der documenta 12 Vermittlung (Hg.): Kunstvermittlung 2. Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12. Ergebnisse eines Forschungsprojektes. Zürich: diaphanes. S. 9-34.
Yi, Byung Jun (2013): Museum, Artefakte und informelles Lernen: Eine Herausforderung für die Erwachsenenbildung. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 16. Jg., S. 219-228.
Klein, Alexander (2004): Expositum. Zum Verhältnis von Ausstellung und Wirklichkeit. Bielefeld: transcript Verlag.
Hausmann, Andrea/Frenzel, Linda (2014): Kunstvermittlung 2.0: Konzeptionelle Überlegungen und empirische Ergebnisse. In: Hausmann, Andrea/Frenzel, Linda (Hg.): Kulturvermittlung 2.0: Neue Medien und ihre Potenziale. Wiesbaden: Springer, S. 1-16.
Mandel, Birgit (2014): Status quo zur Kunst- und Kulturvermittlung in und außerhalb des Web 2.0. In: Hausmann, Andrea/Frenzel, Linda (Hg.): Kulturvermittlung 2.0: Neue Medien und ihre Potenziale. Wiesbaden: Springer, S. 17-26.
Klein, Hans-Joachim/Bachmayer, Monika (1981): Museum und Öffentlichkeit. Fakten und Daten – Motive und Barrieren. Berliner Schriften zur Museumskunde Band 2. Berlin.
Hünnekens, Ludger: Weiterbildung. Schwerpunkt-Interview: Kunst verstehen lernen. Interview mit Ludger Hünnekens, ehemaliger Direktor des Museums Frieder Burda, 6/2012. Online unter http://www.personalwirtschaft.de/media/Personalwirtschaft_neu_161209/Produktfamilie/Weiterbildung/Aktuelle%20Ausgabe/Leseproben/WB_0612/126_Interview_H%C3%BCnnekens.pdf (01.03.2015).
Maximiliane Buchner ( 2015): Exzess der Vermittlung – und wie viel davon vertragen welche BesucherInnen?. Artikel von Maximiliane Buchner, Glossarbeiträge von Marlies Berger, Maximiliane Buchner, Andrea Kurz und Manuela Seethaler – Studierende der praxisorientierten Lehrveranstaltung „Exzess der Vermittlung“ – Lehrende Luise Reitstätter. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 06 , https://www.p-art-icipate.net/exzess-der-vermittlung-und-wie-viel-davon-vertragen-welche-besucherinnen/