Aktuelle Entwicklungen: Avantgarde und Mainstream
Doch Culture Jamming ist heute auch immer dem Vorwurf ausgesetzt, das „Empire of Signs“ lediglich auszudehnen und damit in die Hände von WerbestrategInnen zu spielen, indem sie mit ihren radikalen Ideen den Pool an Branding-Techniken lediglich erweitern. (Vgl. Jordan 2002: 151) (* 17 ) Auch Behnke (2003) (* 3 ) konstatiert, dass sich die Reklameindustrie alles aneignet, was „hip“ ist. Culture Jammer ziehen Aufmerksamkeit auf sich, indem sie Bilder und Texte auf neuartige Weise einsetzen und damit schockieren und provozieren, um so ihre oppositionellen Ansichten zu verbreiten. Damit erweitern sie allerdings auch das Repertoire dessen, was von den Öffentlichkeiten als „zeig- und vorstellbar” wahrgenommen wird. So wurde auch längst das enorme Verkaufspotential von T-Shirts, Buttons oder Aufklebern entdeckt, die veränderte Logos oder Anti-Konsumbotschaften aufgedruckt haben. Diese von UnternehmerInnen aufgegriffene Verkaufsnische hat nicht mehr viel mit „ätzende[r, d. Verf.] Sozialkritik” (Klein 2005: 307) (* 18 ) zu tun, sondern hat sich selbst als Modetrend mit Marktwert herausgebildet. Diese Entwicklungen implizieren, dass Culture Jamming seinen alternativen Charakter verlieren und in das Spektakel integriert werden könnte. Die Wechselwirkungen zwischen Mainstream und Subkultur können aber auch von Culture Jammern bewusst instrumentalisiert werden. Fabo (2008) (* 14 ) führt den Begriff der „parasitären Strategien“ ein und beschreibt Szenarien, in welchen sich die Subkultur der Infrastruktur des Mainstream bedient, um somit ihre Botschaften von innen heraus zu verbreiten.
Welchen Impact hat nun Culture Jamming als konsumkritische Bewegung? Ist Culture Jamming in der Lage, Prozesse der gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutungsproduktion zu verändern? Oder handelt es sich vielmehr um eine Form von Kunst ohne politische Relevanz, in der Culture Jammer als Ideengeber für die Unternehmen agieren? Wie zu erwarten liegt die Antwort wohl irgendwo dazwischen. Kann Culture Jamming auch nicht die alleinige Waffe sein, um nachhaltigen politischen und sozialen Wandel hervorzurufen, so können damit doch bestimmte Aspekte der globalen Konsumkultur kritisch hinterfragt werden. Und ändern globale Unternehmen durch die Aktionen der Jammer auch nicht ihre grundsätzliche Unternehmenspolitik, so kann dadurch doch ein gewisser gesellschaftlicher Druck zu mehr Transparenz erzeugt werden. In jedem Fall aber hat sich Culture Jamming selbst mittlerweile für viele AktivistInnen zu einem attraktiven Label entwickelt, das seinen alternativen Charakter behalten sollte, da es sonst Gefahr läuft, in das Spektakel integriert zu werden.
Daniela Prantl ( 2012): Culture Jamming. Ein Blick hinter das Spektakel. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 01 , https://www.p-art-icipate.net/culture-jamming/