BK: Ich habe letzte Woche Guido van der Werve getroffen, der großflächige Running Performances macht und ihn gefragt, ob er das als Felder-Zeichnen begreift. Er hatte leider keine klare Antwort für mich. Daher wollte ich Sie fragen, ob Sie künstlerische Positionen dazu nennen können? Passiert das Felder-Zeichnen heute genauso wie in den 60-70er Jahren?
EB: Ich bin mir auch nicht sicher. Ich habe keine Beispiele vor Augen, nur Spekulationen. Katharina Hinsberg oder Beate Terfloth sind eine andere Generation, auch wenn sie jetzt noch arbeiten. Vielleicht geht es jetzt eher um Diagramme? Da könnte man noch schauen und auf eine andere Form der Zeichnung, z.B. in Performances.
BK: Das Schreiben bzw. Zeichnen mit dem Körper als Performance ist etwas, das mich interessiert. Ich behaupte ja, durch meine körperliche Bewegung entstehe eine Linie, die Kontur des zu zeichnenden Feldes. Das bringt mich auch zu Ihren Begrifflichkeiten des Zeichnens und Bezeichnens. Wie wichtig ist Ihnen der Unterschied zwischen dem ‚Zeichnen‘ und ‚Bezeichnen‘ von Feldern?
EB: Relativ wichtig, weil mit dem ‚Zeichnen‘ das performative Element hineinkommt und das ‚Bezeichnen‘ ein anderes Sprachverständnis hat. Ich ‚bezeichne‘ etwas, das vorgängig ist. Ich hatte ein Gespräch mit Maria Eichhorn geführt und dann habe ich es transkribiert und nannte es die ‚Verzeichnung‘ des Gesprächs. Weil ich es aufzeichne und damit bewahre, das Geschehen damit aber auch verändere, es womöglich entstelle, es durch die Entstellung hervorbringe.
BK: Ich finde, diese feine Unterscheidung in ‚bezeichnen‘ und ‚zeichnen‘ trifft es sehr schön. Ich wollte mit Ihnen auch noch über die Medialität der Darstellung bzw. über die Medialität des Felds sprechen. Können Sie Ihre Ideen dazu ausführen?
EB: Auch in diesem Zusammenhang ist mir der Aspekt der Performativität wichtig. Performativität meint u.a., dass eine Bedeutung nicht durch das Subjekt begründet wird, sondern im Vollzug hervorgebracht wird. Mit der Medialität des Feldes meine ich, dass man in einem bestimmten Milieu agiert und Teil dieses Milieus ist; dieses lässt manches zu und verhindert anderes oder schließt es aus. Insofern stellt sich immer auch die Frage, was eine gewisse Medialität zulässt und welche Taktiken zum Zuge kommen können. Taktik verstanden im Sinne von de Certeau (1988) (*1) und unterschieden von Strategie.
BK: Wie wichtig ist die Wahl des Mediums für die Darstellung?
EB: Das Feld wird durch seine Darstellungen hervorgebracht. Von daher sind mit den verschiedenen Medien auch verschiedene Möglichkeiten verknüpft.
BK: Sie sprechen auch von einer Rhetorik der Darstellung. Geht es Ihnen dabei primär um Präsentationsformen oder haben Sie das weiter gedacht?
EB: Nein, schon auch welche Rhetoriken innerhalb einer Darstellungsform möglich sind.
BK: Können Sie mir ein Beispiel geben?
EB: Darstellungsformen sind historisch und institutionell bedingt und in ihren strategischen Wirkungen sind sie von kontextuellen Rahmungen abhängig. Wenn man Kunst als ein selbstkritisches Erkenntnismedium versteht, also nicht als bloßes Erkenntnismaterial oder -objekt, sondern als ein Medium des Denkens, dann kommt der Darstellungsweise und der Medialität von Kunst eine bedeutende Funktion zu; die Befragungen von Darstellungsweisen finden sich durch die ganze Kunstgeschichte hindurch. Denken Sie an bildliche Auseinandersetzungen mit der Perspektive, mit dem Farbauftrag, oder dem Verhältnis von Grund und Figur usw. Aber auch die Medialität und Materialität ist Forschungsgegenstand der Kunst. Seit der Modeme bringt Kunst mit Nachdruck das genutzte Medium in seiner Stofflichkeit in den Blick, die Farbe ist nicht länger der Dominanz der Form untergeordnet, nicht der Funktion der Repräsentation, sondern wird in ihrer Materialität selbst bedeutsam, in seiner physischen Präsenz (Turner, van Gogh oder Courbet können für das 19. Jahrhundert, die Kubisten mit ihrer Integration bildfremder Materialien oder Art Brut können hier beispielhaft stehen). Die Reflexion der Materialität und Medialität akzentuiert die Darstellung als solche und stört deren repräsentative Wirkung (das Dargestellte). Diese Reflexionen sind für die rhetorische Kraft der Darstellung wichtig. Rhetorik meint nach Roland Barthes nicht allein die Kunst der Überredung, oder die Wirkmächtigkeit des Bildes, sondern auch die Untersuchung der Kommunikationsfunktion der jeweiligen Darstellung. Dies macht etwa die Rhetorik als Wissenschaft, aber auch die Kunst in ihrer Selbstreflexion.
Brigitte Kovacs, Elke Bippus ( 2017): Felder zeichnen als künstlerisch-wissenschaftliche Praxis. Elke Bippus im Gespräch. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/felder-zeichnen-als-kunstlerisch-wissenschaftliche-praxis/