Im Gespräch mit Hanna Noller vom Reallabor Stuttgart

Finden Sie wichtig, dass die Kunst sich in die Vermittlung von gesellschaftlich relevanten Themen einbringt?

 

Das, was Künstler*innen, glaube ich, sehr gut können, ist zu irritieren und Menschen in ihren alltäglichen Diskussionen, Handlungen einmal durcheinanderzubringen, etwas aufzubrechen und Menschen sozusagen aufzuwecken. Zu fragen: „Moment einmal, warum machst du das eigentlich?“ Im Reallabor wünscht man sich ja inter- und transdisziplinären Austausch. Aber das bedeutet auch, dass sich erstmal alle von ihren bequemen Stühlen aufbewegen und alltägliche Handlungen hinterfragen müssen. Kunst kann, finde ich, dabei helfen und dazu inspirieren, etwas aus einem anderen Blickwinkel heraus zu betrachten. Sie kann einer Gesellschaft den Spiegel vorhalten und das ist ja auch ihre Aufgabe, zumindest ein Stück weit.

Ich komme jetzt zu einem Begriff, der für unser Forschungsprojekt ganz zentral ist: die Vermittlung. Was bedeutet Vermittlung für Sie? Was ist dabei zentral zu bedenken? – Vielleicht gerade dann, wenn es darum geht, spezifische Themen wie etwa die nachhaltige Mobilität zu vermitteln?

In Bezug auf die Reallabor-Arbeit muss einem in diesem Zusammenhang bewusst sein – und das ist eine weitere Herausforderung – dass man immer wieder von vorne beginnen muss, weil laufend neue Akteur*innen, neue Studierende, neue Menschen dazukommen, die ‚auf einen Stand‘ gebracht werden müssen. Man startet und versucht sich zu öffnen, alle mitzunehmen, aber mit der Zeit festigt sich dann ein Akteur*innennetzwerk, bestehend aus Menschen, die sich schon auskennen, die gelernt haben, eine Sprache zu sprechen. Diese festen Strukturen immer wieder aufzubrechen und zu öffnen, bedarf immer wieder neuer Veranstaltungen und Workshops. Es passiert dann auch, dass die Teilnehmer*innen aus den ersten Phasen ungeduldig werden. „Warum sprechen wir denn schon wieder darüber? Das ist doch eigentlich klar! Wir müssen radikalere Entscheidungen treffen!“ – Sätze wie diese kamen auch in unserem Reallabor immer wieder in der Diskussion auf. Von daher: Ein zentraler und zugleich herausfordernder Aspekt der Vermittlungsarbeit in einem Reallabor ist meiner Meinung nach, zu vermitteln, dass die Vermittlung zu jedem Zeitpunkt eine große und wichtige Rolle spielt und dafür auch die Voraussetzungen zu schaffen.

 

Wenn man Ihre Website betrachtet, dann sieht man, dass ganz unterschiedliche, vielfältige Vermittlungsräume in den Realexperimenten realisiert waren. Gibt es hier oder gab es hier einen konkreten Ort oder konkrete Orte, die Sie zur Verfügung hatten bzw. zur Verfügung stellen konnten? Also gab es beispielsweise so etwas wie mobile Räume?

 

Zum einen konnten wir die Räumlichkeiten der Uni nutzen, auch die Werkstätten, in denen die Studierenden arbeiten konnten. Aber auch da waren immer wieder Fragen der Versicherung und Betreuung zu regeln. Zum anderen war es aufgrund der engen Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Stadt Stuttgart möglich, einige Aktivitäten im Rathaus stattfinden zu lassen. Auch im Stadtpalais beziehungsweise im Stadtmuseum Stuttgart, oder im Kunstverein Baden-Württemberg konnten immer wieder öffentliche Veranstaltungen, Workshops oder Ausstellungen stattfinden. Es war uns sehr wichtig, regelmäßig die Uni zu verlassen, um eben nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaft zu bleiben und so niederschwellig wie möglich zu sein. Wir bemühten uns, raus in die Stadt, in den öffentlichen Raum zu gehen, denn nur dort ist es für alle möglich, Zugang zu Themen zu finden, die ja auch alle betreffen – in unserem Fall die Mobilität. Durch die Zusammenarbeit mit der Initiative Stadtlücken, konnten wir beispielsweise auf den ehemaligen Parkplatz Österreichischer Platz zugreifen und dort Realexperimente umsetzen. Man konnte dort auch zufällig vorbeikommen. Es war uns also möglich, an verschiedenen Orten zu sein. Das war uns auch von Anfang an sehr wichtig.

 

Welche Bedeutung messen Sie dem digitalen Raum im Kontext Vermittlung bei? Wo sehen Sie da persönlich Potenziale, wo vielleicht aber auch Nachteile? Haben Sie den digitalen Raum, abgesehen von der Website, auch für Realexperimente genutzt?

 

Ja. Gerade für das Parklet-Projekt hat Facebook eine entscheidende Rolle gespielt, weil sich über diese Plattform eine große Diskussion entwickelt hat. Die Studierenden haben oft ganz von selbst für ihr eigenes Projekt eine Website oder eine Seite auf Facebook oder Instagram angelegt. Das waren zusätzliche, wichtige Diskussionsplattformen. Aber auch im Hinblick darauf, dass überhaupt Aufmerksamkeit für ein Thema wie das der Mobilität geschaffen wird, spielt der digitale Raum eine große Rolle. Gerade auch unsere Website hat eine ganz andere Reichweite für das Projekt gebracht. Von daher sehe ich eine Website immer als Informationsbasis. Da muss sich nicht täglich was verändern. Die sozialen Medien sind eine tolle Ergänzung, um tagesaktuelle Themen rausschicken zu können und auch den Diskurs darüber anzuregen und Aufmerksamkeit zu erzeugen. – Auch überregional, also für Menschen, die nicht in Stuttgart sind, aber sich trotzdem für diese Themen interessieren.