Schulische Experimentierräume im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft

Ein interdisziplinärer Ansatz zur Vermittlung experimenteller Musik im Unterricht der Sekundarstufe II: Pädagogische Leitideen und Einblicke in das Projekt KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG

PHASE II:

In Phase II (Februar) wurde in vier Doppelstunden gemeinsam mit den SchülerInnen der Begriff des Experiments in seinen unterschiedlichen Verwendungsweisen anhand von ausgewählten Beispielen aus der künstlerischen sowie naturwissenschaftlichen Praxis erarbeitet. Er wurde aus der Perspektive der Fächer Musik und Deutsch sowie Biologie und Psychologie beleuchtet. Im Bereich der Künste wurden folgende Beispiele experimenteller Musik beziehungsweise experimenteller Poesie einer näheren Betrachtung unterzogen: John Cages Sonata V für präpariertes Klavier aus der Sammlung Sonatas and Interludes (1946–1948) und 4’33 (1952), Ein Lautgedicht von Gerhard Rühm und Blasmusik sowie Gesums aus Dieter Schnebels Werkzyklus Schulmusik I (1974).*5 *(5)

Daraus leiteten die SchülerInnen folgende Merkmale experimenteller Handlungen in den Künsten ab:

  • die Suche nach dem Neuen, dem Unbekannten, dem Noch-nie-Dagewesenen
  • das forschende Suchen, nach neuem Material, neuen Klängen, neuen Formen, neuen Präsentationsmöglichkeiten
  • das Ausprobieren
  • Dekonstruktion und Neukonstruktion
  • das Infrage-Stellen von Wahrnehmungsmustern
  • das Infrage-Stellen von gängigen Auffassungen
  • das Loslösen von der ursprünglichen Funktion
  • das Generieren von neuen Funktionen und Bedeutungen
  • die Entwicklung von neuen Konzepten
  • RezipientInnen werden zu ExperimentatorInnen und KomponistInnen

PHASE III:

Darauf folgte im März und April 2017 die sogenannte ‚Workshop-Phase‘. In diesem Zeitraum wurden den SchülerInnen verschiedene Experimentierfelder zum Thema KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG eröffnet. Die Workshops wurden von KünstlerInnen beziehungsweise NaturwissenschaftlerInnen geleitet und hatten einerseits das Ziel, den SchülerInnen einen Einblick in die Arbeit der/des jeweiligen Leiterin/Leiters zu gewähren. Andererseits ging es für die Lernenden darum, erstmals selbst experimentierend tätig zu werden. Aus insgesamt sechs Workshops konnten die SchülerInnen drei auswählen, die sie besonders interessierten.

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Bacon, Francis (1620): Neues Organon: lateinisch–deutsch. Herausgegeben von Wolfgang Krohn (1990). Hamburg: Meiner.

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Blumröder, Christoph von (1981): Experiment, experimentelle Musik. In: Eggebrecht, Hans Heinrich (Hg.): Handwörterbuch der musikalischen Terminologie. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag.

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Brandstätter, Ursula (2011): Experimentelle Musik braucht experimentelle Didaktik. Das Projekt „QuerKlang“ an der Universität der Künste Berlin. In: Diskussion Musikpädagogik, Heft 51. Hamburg: Hildegard Junker Verlag, S. 12–16.

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Brandstätter, Ursula (2013): Erkenntnis durch Kunst. Theorie und Praxis der ästhetischen Transformation. Wien u.a.: Böhlau.

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Brockhaus(Hg.) (2006): Experiment. In: Brockhaus. Enzyklopädie in 30 Bänden. Band 8. Mannheim u.a.: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, S. 648.

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Handschick, Matthias (2014): Künstlerische Freiheit pädagogisch anleiten? Überlegungen zum Problem der Betreuung individueller und kollektiver schöpferischer Prozesse im Musikunterricht sowie zum didaktischen Potential offener Wahrnehmungssituationen. In: Schwarzbauer, Michaela/ Hinterberger, Julia (Hg.): Individuum – Collectivum. Dokumentation eines Projekts im Rahmen des Forschungsprogramms „Sparkling Science“. Wien: UE, S. 297–309.

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Langbehn, Andreas (2001): Experimentelle Musik als Ausgangspunkt für Elementares Lernen. Saarbrücken: Pfau.

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Langer, Armin (2008): Stell dir vor, es wird Musik vermittelt, aber keiner macht mit. Aspekte zu einem häufig verwendeten Begriff. In: Malmberg, Isolde/ Wimmer, Constanze (Hg.): Communicating Diversity. Musik lehren und lernen in Europa. Festschrift für Franz Niermann. Augsburg: Forum Musikpädagogik, S. 187–193.

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Schulz, Andreas/Wirtz, Markus/Starauschek, Erich (2012): Das Experiment in den Naturwissenschaften. In: Rieß, Werner/Wirtz, Markus/Barzel, Bärbel/Schulz, Andreas (Hg.): Experimentieren im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht. Schüler lernen wissenschaftlich denken und arbeiten. Münster u.a.: Waxmann Verlag, S. 15–38.

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Schwarzbauer, Michaela (2014): „Individuum – Collectivum“: der Forschungsprozess. In: Schwarzbauer, Michaela/Hinterberger, Julia (Hg.): Individuum – Collectivum. Dokumentation eines Projekts im Rahmen des Forschungsprogramms „Sparkling Science“. Wien: UE, S. 47–100.

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Stiller, Barbara (2008): Erlebnisraum Konzert. Prozesse der Musikvermittlung in Konzerten für Kinder. Regensburg: ConBrio.

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Thiers, Bettina (2016): Experimentelle Poetik als Engagement. Hildesheim: Georg Olms Verlag.

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Wieneke, Julia (2016): Zeitgenössische Musik vermitteln in Kompositionsprojekten an Schulen. Hildesheim u.a.: Georg Olms Verlag.

Vermittlung verstehe ich im Sinne von Barbara Stiller und Armin Langer als einen kommunikativen Prozess, an dem Lernende gleichermaßen wie Lehrende und KünstlerInnen aktiv beteiligt sind (vgl. Stiller 2008: 41; Langer 2008: 187–193).

Ich meine damit experimentelle Kunst aus den Bereichen der Musik, des Tanzes, der bildenden Kunst sowie der Literatur sowie auch intermediale Kunst.

„Es bleibt die reine Erfahrung, die, wenn sie zustößt, Zufall, wenn sie gesucht wird, Experiment heißt“ (Übersetzung zit. nach Langbehn 2001: 38).

Dieses Projekt ist nur aufgrund von Sondergenehmigungen durch den Schulgemeinschaftsausschuss sowie Kooperationspartner und finanzieller Unterstützung durch das Land Salzburg, Kulturkontakt Austria und den Programmbereich ConTempOhr. Vermittlung zeitgenössischer Musik auf die in diesem Abschnitt skizzierte Weise realisierbar. So kann es als Wahlpflichtfach – in den Regelunterricht integriert – stattfinden, es besteht die Möglichkeit, die vorgegebenen Unterrichtszeiten flexibel zu gestalten und die Unterrichtsorte dürfen variieren. Alle Kosten (Eintritte, Personal-, Material-, Fahrt- und Werbekosten) können mittels der finanziellen Zuwendungen abgedeckt werden und die benötigten Räumlichkeiten werden von der Paris Lodron Universität sowie der Universität Mozarteum Salzburg (welche als Kooperationspartnerinnen gewonnen werden konnten) zur Verfügung gestellt.

Folgende Kriterien haben mich bei der Auswahl dieser Beispiele geleitet: Die Werke werden in der Fachliteratur explizit dem Genre experimentelle Poesie beziehungsweise experimentelle Musik zugeordnet (vgl. Blumröder 1981; Thiers 2016: 70–80). Sie eignen sich für eine Betrachtung im Rahmen des schulischen Unterrichts. Zudem sind sie in ihrer Konzeption sehr unterschiedlich, beziehen sich aber alle auf unterschiedliche Weise auf das meinem Projekt zugrundliegende Thema KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG.

Katharina Anzengruber ( 2017): Schulische Experimentierräume im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft. Ein interdisziplinärer Ansatz zur Vermittlung experimenteller Musik im Unterricht der Sekundarstufe II: Pädagogische Leitideen und Einblicke in das Projekt KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/schulische-experimentierraume-im-spannungsfeld-von-kunst-und-wissenschaft/