Schluss
In der lokalen, transnationalen und virtuellen Ladyfest-Szene haben sich rhizomatische Netzwerke queer-feministischer kultureller Produktion entwickelt, bestehend aus einer Vielfalt an Musik, Kunst, Musiklabels, Distributionskanälen, Info-Läden, Open-Mic-Performances, Straßentheater, Online-Ressourcen, Blogs, Ton- und Videoprojekten u. v. m. In ihrem Essay „Strategies of (Self-) Empowerment and Spaces of Resistance“ sieht Therese Kaufmann einen entscheidenden Vorteil von unabhängigen Bottom-Up-Projekten und Initiativen darin, dass sie Räume für Minderheiten-Positionen schaffen, Zugang und aktive Teilnahme ermöglichen und Informationen außerhalb des hegemonialen Mainstreams teilen und austauschen (Kaufmann 2006) (* 15 ). Ladyfest-Netzwerke schaffen, wie die Riot-Grrrl-Bewegung, einen „kulturell produktiven, politisierten gegen-öffentlichen Raum“ (Nguyen 2000)
(* 22 ), indem Menschen Ideen artikulieren und ihre Erfahrungen beschreiben können, die ansonsten von der Mainstream-Gesellschaft unterdrückt werden. Die OrganisatorInnen tauschen nicht nur Wissen untereinander aus – was Mimi Nguyen im Kontext der Riot-Grrrl-Bewegung als „ein informelles pädagogisches Projekt, eine Art „punk rock ‘teaching machine’“ (Nguyen 2000)
(* 22 ) genannt hat – sondern sie schaffen auch aktivistische Netzwerke queer-feministischer kultureller Produktion von lokalen, transnationalen und virtuellen Szenen, die, so mein Argument, durch rhizomatische Strukturen gekennzeichnet sind. Einige verwenden die Fähigkeiten, die sie sich im Zuge der Organisation und Teilnahme an Ladyfesten aneignen, für ihre (semi-)professionelle Laufbahn, etwa um ihren Bekanntheitsgrad als MusikerInnen oder KünstlerInnen zu steigern und um auf Erfahrungswerte in der Organisation von Ladyfesten zurückzugreifen (wie der Abhaltung von Workshops, Pressekonferenzen, Konzerten etc.) und eventuelle Konflikte und Probleme voraussehen zu können. Für Debi Whiters, Performerin der Band Drunk Granny (England), nehmen Ladyfeste einen zentralen Aspekt in ihrer musikalischen Karriere ein:
… as a performer the space of ladyfest is massively significant to me, where would I be, musically without such initiatives, and many other female artists who, instead of nervously performing to themselves in front of a wall in their room can have the possibility to connect with a captive and loving public.
In diesem Artikel bin ich davon ausgegangen, dass Ladyfeste in Anlehnung an Marion Leonard und an Andy Bennett und Richard A. Petersons Charakterisierung dreier Szene-Typen als Ausformung einer lokalen, transnationalen und virtuellen queer-feministischen Szene, die rhizomatische Netzwerke bilden, zu fassen sind. Diese dezentralisierten, vielschichtigen und nicht-hierarchischen Netzwerke sind charakterisiert durch eine „wuchernde” Verbreitung und einen nicht-linearen Austausch der queer-feministischen Szenen vor Ort, über Landesgrenzen hinweg und anhand von Kommunikationstechnologien im Internet.
Jedes Ladyfest ist aufgrund seines geografischen Fokus, der örtlichen Gegebenheiten sowie der Organisationsgruppe und seiner Ziele und Hintergründe anders und einzigartig, steht aber in engem Austausch mit der transnationalen und virtuellen Szene. Im Kontext eines rhizomatischen Netzwerkes können Ladyfeste an verschiedenen Orten eigenständig und unabhängig voneinander entstehen, sich weiter entwickeln und neue Strukturen hervorbringen. Im Sinne Castells können wir von neuen „Knoten“ sprechen, die sich in diesen lokalen, transnationalen und virtuellen Szenen ausbilden sowie von Bündnissen, die im Netz rund um das gemeinsame – aber individuell und lokal einzigartige – Projekt Ladyfest geschlossen werden. Diese Netzwerke werden von allen Beteiligten gemacht und sind nie abgeschlossen, sondern ständig im Entstehen; es geht wie im Rhizom „um alle möglichen Arten des ‚Werdens’“ (Deleuze/Guattari 1992: 32) (* 8 ). Während die meisten Ladyfeste einmalig organisiert werden, kurzlebig sind und es schwierig ist festzustellen, wie wirkungsvoll diese gesellschaftspolitisch langfristig sein können, ermöglichen sie jungen Frauen, hegemoniale Diskurse über (junge) Weiblichkeit zu hinterfragen und sich an queer-feministischen Aktivismen und rhizomatischen Netzwerken des Experimentierens, Austauschens und Reflektierens für und mit anderen jungen Erwachsenen zu beteiligen und diese aktiv mitzugestalten.