Das ‚Ganze‘ im Blick behalten

Wie das Quartier Zukunft – Labor Stadt globale Fragen mit dem lokalen Leben zusammenbringt.
Oliver Parodi im Gespräch mit Elke Zobl und Katharina Anzengruber

Kann man sich das Transformationszentrum als physischen Raum vorstellen? Ist es ein Experimentierraum, der für verschiedene Menschen zugänglich ist, oder ist es ein Konzept auf einer Metaebene?

Das Karlsruher Transformationszentrum ist ein organisationales Gebilde. Wir haben aber seit 2015 einen physischen Zukunftsraum für Nachhaltigkeit und Wissenschaft in der Karlsruher Oststadt.*3 *(3) Das ist das physische Herz unseres Reallabors. Dort steht inzwischen auch das Klingelschild für das Karlsruher Transformationszentrum. Das heißt, es gibt schon eine Verortung, aber es ist bislang kein riesiger Ort. Einen solchen würden wir uns wünschen. Ich würde sagen, die Zielrichtung geht klar dahin. Und weiter gefasst auch dahin, Experimentierräume nicht nur temporär in der Stadt zu eröffnen, sondern auch eigene zu haben. Ich könnte mir gut vorstellen, mittelfristig Werkstätten zu haben, die für Ideen vermietet oder zur Verfügung gestellt werden können, seien sie technischer oder künstlerischer Art. Letztlich ist das ja egal. Hauptsache, sie leisten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. So weit sind wir aber noch nicht. Momentan ist das Transformationszentrum ein Konzept mit dem bestehenden Zukunftsraum als Herzstück.

Spielt der Aspekt der Kunst bei Ihnen eine größere Rolle? Ihre Publikation etwa ist wirklich gut aufbereitet, vor allem auch in einer sehr ansprechenden künstlerischen Form. Deshalb auch meine Frage.

Wir haben schon eine Affinität zur Kunst. Ästhetik und Schönes sind uns wichtig. Wir haben keine Künstler:innen im Team, aber kunstaffine Mitarbeiter:innen. Auf die grafische Gestaltung legen wir besonderen Wert. Neben dem Inhalt ist uns auch die Form wichtig. Ich glaube, man merkt das am besten an unseren Veranstaltungen, insbesondere was die Atmosphäre betrifft. Und wir machen auch immer wieder kleinere Projekte mit Künstler:innen zusammen. Wir möchten den Kunst- und Kulturbereich aber gerne noch mehr integrieren. Hier gibt es noch Potenzial. Gerade läuft z.B. ein Antragsverfahren, im Rahmen dessen das Badische Staatstheater, das in Karlsruhe ansässig ist, sich eingeklinkt hat. Auch die Leiterin des Kulturamts der Stadt Karlsruhe ist unseren Ideen gegenüber sehr offen.

Sie haben jetzt mehrfach angesprochen, dass ein Kernanliegen von Reallaboren neben der Wissenschaft darin bestehe, Gesellschaft zu gestalten. Dazu ist der Dialog mit verschiedensten Menschen aus Zivilgesellschaft, aus Hochschulen, aus Unternehmen etc. wesentlich. Wie gelingt es Ihnen, mit den Menschen – auch jenen, die man schwerer erreicht – in den Dialog zu treten, sie ins Boot zu holen und sie auch zu halten? Sie haben gesagt, dass Sie direkt in die Bevölkerung hineingehen. Wie machen Sie das? Wie kann man sich den gemeinsamen Prozess des Arbeitens, Entwickelns und Experimentierens vorstellen?

Eine der Haupterfahrungen unsererseits ist, dass genau dieser Aspekt viel Vertrauen und viel Kommunikation braucht. Und dafür benötigt man Zeit, die man sich auch nehmen muss. An ein Reallabor, das einigermaßen stabil sein soll, geht man am besten mit keinem großen Zeitdruck heran. Da geht eher etwas kaputt, als dass etwas langfristig aufgebaut wird. Aus der wissenschaftlichen Arbeit kommend würde ich sagen, dass man ungefähr doppelt so viel Zeit für ein Reallaborprojekt braucht wie für ein entsprechendes Forschungsprojekt.

Wenn man diese Zeit hat, wie gelingt Reallaborarbeit dann? Man muss die Leute treffen. Man muss das, was die Leute bewegt, treffen. Das wiederum ist ganz unterschiedlich. Die Künstler:innen und die Dame vom Kulturamt haben ganz andere Vorstellungen oder Berührungspunkte als Technikfreaks, die selbstständig Solarzellen entwickeln oder sich irgendwo im Haus oder im Häuserblock ein Blockheizkraftwerk einbauen. Wiederum ganz andere Vorstellungen und Interessen hat die Stadtverwaltung, die darauf achtet, ‚ordentlich‘ mit der Stadt Karlsruhe zu haushalten und vielleicht Klimaschutz auf dem Plan hat, aber nicht weiß, wie diese beiden Aspekte zusammengehen können. Die Ansprüche und Aufgabenstellungen, die im Reallabor auf einen zukommen können, sind also sehr unterschiedlich. Wichtig ist, sich darauf einzulassen, Verständnis zu entwickeln, Verständigung und adressat:innenspezifische Kommunikation zu betreiben, Zeit mitzubringen und offen zu sein. Offen und authentisch zu sein ist auch wichtig. Wir machen das zumindest so. Es kann aber auch sein, dass man anders durch die Welt kommt. Wir versuchen jedenfalls, authentisch zu sein und auf diese Weise Verbündete zu finden, die das goutieren und sagen: „Ja, die sind echt und wir wollen etwas mit ihnen machen.“ Das gehört zum Vertrauensaufbau dazu.

Klimaschutz gemeinsam wagen ist ein Projekt, in dem Menschen dazu ermutigt werden, in ihrem Alltag klimafreundlicher zu werden. Entlang der Handlungsfelder Ernährung, Mobilität und Konsum schlägt das Projekt beispielsweise konkrete Selbstexperimente vor, die als Anstoß dienen, das eigene Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern. Mehr Informationen auf der Website: https://www.klimaschutzgemeinsamwagen.de/

Mehr Informationen auf der Website: https://www.dialog-energie.de/

Oliver Parodi, Katharina Anzengruber, Elke Zobl ( 2021): Das ‚Ganze‘ im Blick behalten. Wie das Quartier Zukunft – Labor Stadt globale Fragen mit dem lokalen Leben zusammenbringt.
Oliver Parodi im Gespräch mit Elke Zobl und Katharina Anzengruber . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/das-ganze-im-blick-behalten/