Die ‚Night School‘ bei den Wiener Festwochen 2017
Raum für Verhandlung und Produktion dekolonialisierten Wissens und Denkens in ‚weißen‘ Kontexten
Einblicke in ausgewählte Sitzungen
In der Sitzung vom 24. April 2017 waren TeilnehmerInnen der Refugee-Protest-Bewegung in Wien eingeladen. Geflüchtete sind eine Gruppe von Personen, denen Bildung notorisch abgesprochen, verweigert oder sobald sie Papiere haben, auch aufgezwungen wird (Lôbo /Seefranz 2017a) (*8) – umso notwendiger sind Räume für selbstbestimmtes Lehren und Lernen durch Geflüchtete/Refugees. Thematisiert wurde die Dynamik der Bewegung, sowie der Einfluss weißer UnterstützerInnen während des Prozesses. Eine der TeilnehmerInnen stellte dabei fest, dass das Hauptinteresse weißer UnterstützerInnen darin lag, ihre eigenen Karrieren zu fördern. „White supporters!“ forderte sie, „Respect us! Do not come to us and tell us: ‚We want to help you‘, if you are just going to tell us what to do.“ Hintergrund dieser Forderung war die Erfahrung, dass geflüchteten Personen durch UnterstützerInnen die Fähigkeit abgesprochen wurde, ihren eigenen Protest auf ihre eigene Art und Weise zu gestalten. Diese immerwährende Belehrung und der Widerstand dagegen kostete die Protestierenden zusätzliche Ressourcen. Das heißt konkret, dass sie sich zusätzlich zu den repressiven Instrumenten des Staates auch gegen die Bevormundung durch UnterstützerInnen wehren mussten. Sie sagte des Weiteren, dass die meisten UnterstützerInnen kein Interesse daran hätten, dass sich Strukturen für geflüchtete Personen nachhaltig verbessern, da dies das Ende dessen bedeutet, was als ‚Charity-Industrie‘ bezeichnet werden kann: Durch diese ‚Charity-Industrie‘ könne mensch sich nämlich „mit einem bestimmten Beitrag aus der Verantwortung herauskaufen und sich dadurch als ‚besserer Mensch‘ konstruieren“, erklärte die Gruppe. Eines der Hauptprobleme dieser Dynamik liegt darin, dass den meisten weißen UnterstützerInnen ihre paternalistische und damit repressive Haltung nicht bewusst ist bzw. innerhalb der vorhandenen gesellschaftlichen Machtstrukturen nicht bewusst gemacht wird. Hindernisse für diese Bewusstmachung sind einerseits die fehlende (u.a. mediale) Einräumung von Sprechpositionen für marginalisierte Personengruppen und andererseits die oben bereits angeführte ‚white fragility‘.
Besonders tiefe Impressionen hinterließ die Sitzung mit Autorin und Performerin Michelle Mattiuzzi, die Schwarze Performancekunst demonstrierte und dabei ‚Projektile der Dekolonisierung‘ losschickte. Sie schlägt eine „Guerilla der Kenntnisse vor, um verschüttete Erinnerungen und uralte Kenntnisse wiederzubeleben, um Dissens in den kolonial markierten Körpern zu erzeugen.“ (Lôbo/Seefranz 2017a) (*8)
Dilara Akarçeşme ( 2017): Die ‚Night School‘ bei den Wiener Festwochen 2017. Raum für Verhandlung und Produktion dekolonialisierten Wissens und Denkens in ‚weißen‘ Kontexten. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/die-night-school-bei-den-wiener-festwochen-2017/