Einleitung – „TAKE PART! Partizipation von Kunst und Bildung aus denken“

Die Beiträge in dieser Ausgabe

Welche Rolle nun partizipatorische und eingreifende künstlerische Praxen im Rahmen gesellschaftlicher Transformationsprozesse spielen können, wird auf unterschiedliche Weise in den Beiträgen von Suzana Milevska, Elke Bippus, Silke Feldhoff, Marcel Bleuler und Iwan Pasuchin sowie in einem einleitenden dialogischen Beitrag des Projektteams in der Rubrik Articles verhandelt:

Ausgehend von den zentralen Handlungsansätzen, die das Projekt Making Art – Taking Part! an der Schnittstelle Kunst, Wissenschaft und Bildung/Schule charakterisierten ‑ „Intervenieren“, „Forschen“ und „Vermitteln“ ‑ haben wir Themenkomplexe aufgegriffen, die im Projektverlauf virulent wurden und reflektieren unsere Zugänge dazu. Die „Ausverhandlung von Teilhabe“ stand im Zentrum des Projekts, in dessen Verlauf wir unser Verständnis von „Partizipation als kritische Praxis“ schärfen konnten. Neben dem Hinterfragen und Dekonstruieren von normiertem Denken und Handeln spielen die Aspekte der Intervention und Herstellung von Öffentlichkeit eine wichtige Rolle. In dem Text denken wir darüber nach, wie das Projekt temporäre Zwischenräume der Teilhabe öffnete und welche Ambivalenzen und Brüche, aber auch Prozesse des Empowerments und der Politisierung, sichtbar wurden. Nicht zuletzt beschäftigte uns das widerstreitende Verhältnis von Prozessorientierung und gleichzeitiger Ergebnisorientierung, das die kollaborative Wissensproduktion an der Schnittstelle Schule-Universität prägte. Einige der vielen im Projektkontext entstandenen Fragen rund um künstlerische und kulturelle Intervention sowie Partizipation als nicht abschließbare Verhandlungsprozesse werden uns auch in Zukunft weiterbeschäftigen.

Ausgehend von einem Blick auf die historische Genese von Forschung und Wissensproduktion in Kunst, Wissenschaft und Pädagogik, plädiert Elke Bippus dafür, der Polarisierung von Kunst und Wissenschaft unter den aktuellen neoliberalen Bedingungen entgegenzuarbeiten und eine partizipative Wissensproduktion und Forschung mittels Kunst und Wissenschaft ins Blickfeld zu rücken. Forschung und Partizipation versteht sie als zusammenhängende Aspekte einer Teilhabe am Wissen. Dazu stellt sie zwei künstlerische Beispiele vor, die mit ästhetischen Verfahren arbeiten und „Prozesse des Forschens und Denkens auf der Ebene der Praxis und der Darstellung“ vermitteln.

Während Elke Bippus die gesellschaftlichen Versprechen der Forschung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst ins Blickfeld rückt, problematisiert Suzana Milevska in ihrem Text “Infelicitous” Participatory Acts on the Neoliberal Stage die vielfachen Versprechen und Hoffnungen der Demokratisierung, die im Kontext der neoliberalen Ideologie an partizipatorische Kunstpraxen geknüpft werden. Sie analysiert unterschiedliche Typen partizipativer Kunst sowie ihre jeweiligen Versprechen und geht auf die vielfältigen Einschränkungen ein, die zeitgenössische partizipatorische Kunstpraxen daran hindern, ihre Potenziale zu verwirklichen.

Silke Feldhoff geht wiederum davon aus, dass die Versprechen der Demokratisierung sehr wohl eingelöst werden können, und zwar auf mikropolitischer Ebene. Mit der Frage Wozu das Ganze? richtet sie den Blick auf Absichten, Zwecke und Wirkungen unterschiedlicher Typen partizipatorischer Kunstpraxen und erläutert anhand von Beispielen den Typos „sozietärer künstlerischer Partizipationsprojekte“. Dabei stellt sie das Potenzial sozietärer partizipativer Kunst, „Räume für sozialen Austausch, für kritischen und emanzipatorischen Diskurs sowie für kreatives Arbeiten zu eröffnen“, ins Zentrum, weist jedoch ebenso auf Fallstricke solch kollaborativer Prozesse hin.

Der Beitrag von Marcel Bleuler*2 *(2) Die Möglichkeit internationaler Partnerschaft eröffnet eine weitere Perspektive auf partizipatorische Kunstpraxen. Er diskutiert die Ambivalenzen asymmetrischer (u.a. geopolitischer) Machtverhältnisse in partizipativen Kunstprojekten im Kontext der internationalen Zusammenarbeit anhand des Konzepts der „local ownership“ und schlägt den Begriff „künstlerische Beziehungsarbeit“ vor.

In seinem Beitrag Gestaltung als Forschung verhandelt Iwan Pasuchin Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation zwischen Design-Based-Research und Artistic Research. Die Frage, was Forschung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst heißen kann, diskutiert er anhand seines aktuellen Forschungsprojektes zu Kunst- und Kulturvermittlung im Brennpunkt.

In der Rubrik Practice bespricht Katharina Morawek in ihrem Beitrag ‘The Whole World in Zurich / Die Ganze Welt in Zürich‘. Kollaborative und transformative Strategien der Verhandlung von ‚StadtbürgerInnenschaft‘ das gleichnamige Projekt der Shedhalle Zürich, das unter ihrer Leitung von 2014-2016 stattfand und sich als konkrete Intervention in die Schweizer Migrationspolitik versteht.

Martin Krenn stellt unter dem Titel Das Politische in sozialer Kunst. Intervenieren in soziale Verhältnisse die Frage nach der politischen Relevanz sozialer Kunstpraxen ins Zentrum seiner Ausführungen und argumentiert für den Dialog als Methode und Prinzip sozialer Kunstpraxen – seine theoretischen Überlegungen diskutiert er anhand dreier Beispiele eigener künstlerischer Projekte.

Am Beispiel zweier partizipativer Kunstprojekte erörtert Moira Zoitl in ihrem Beitrag ‘Außer Sichtweite ‑ ganz nah‘ ‑ Künstlerische Teilhabe praktizieren ihren Zugang zu kollaborativen künstlerischen Produktionen und fragt insbesondere nach der Verhandlung von AutorInnenschaft, nach den Bedingungen für Begegnungen unterschiedlichster AkteurInnen im Rahmen kollaborativer Prozesse sowie dem Öffnen von erweiterten Handlungsspielräumen zwischen Realität und Imagination.

Zudem sprachen wir mit den KünstlerInnen Marty Huber, Steffi Müller und Klaus Dietl sowie Nicole Weniger über Intervention, Partizipation und das Öffnen von Möglichkeitsräumen sowie über das Wechselspiel zwischen künstlerischen Produktionen, ihrer Lesart und gesellschaftlichen sowie politischen Entwicklungen.

Im Gespräch mit Carmen Mörsch Wie Wissen produzieren und Strukturen transformieren? loten wir die Bedingungen kritischer Wissensproduktion unter bestehenden institutionellen Rahmenbedingungen sowie Möglichkeiten des Verlernens aus.

Weiters diskutierten wir mit Walter Spielmann und Hans Holzinger von der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen ausgehend vom Konzept der Zukunftswerkstatt die partizipative Entwicklung von Zukunftsvisionen und ihre Rolle für demokratiepolitische Teilhabe.

Im Gespräch unter dem Titel Jenseits der Differenz tauschen sich Marcel Bleuler und Benjamin Egger über ihre Erfahrungen mit Kollaboration im Kunstkontext aus, fragen nach Möglichkeiten einer Neubestimmung der ästhetischen Erfahrung sowie nach einem neuen Vokabular für das Interesse an Kollaboration und für ihr Potential.

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Milevska, S. (2015): Auf der neoliberalen Bühne: Die uneingelösten Versprechen und Hoffnungen partizipatorischer Kunst für die Demokratisierung der Gesellschaft. Bildpunkt „Demokratie im Präsens“. http://www.igbildendekunst.at/bildpunkt/bildpunkt-2015/demokratie-im-praesens/auf-der-neoliberalen-buehne.htm (28.9.2016).

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Sternfeld, N. (2012): Plädoyer. Um die Spielregeln spielen! Partizipation im post-repräsentativen Museum. In: Gesser, S. / Handschin, M. / Jannelli,  A./ Lichtensteiger S.  (Hg.): Das partizipative Museum Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Bielefeld: transcript, S. 119-126.

Die inhaltliche Koordination dieser eJournal-Ausgabe erfolgte im Rahmen des Sparkling Science-Projektes „Making Art – Taking Part!“ von Elke Zobl (Projektleitung) und Laila Huber in Zusammenarbeit mit Veronika Aqra und Elke Smodics.

Ist 2015-2017 Gastforscher am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion.

Veronika Aqra, Laila Huber, Elke Smodics, Elke Zobl ( 2016): Einleitung – „TAKE PART! Partizipation von Kunst und Bildung aus denken“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/einleitung-take-part-partizipation-von-kunst-und-bildung-aus-denken/