„Es braucht öffentliche Räume, in denen Neues erdacht werden kann!“
Das Konzept der Zukunftswerkstätten
Ein Interview mit Hans Holzinger und Walter Spielmann
Wie kommen wir von einer Kritik an den Verhältnissen zu einer Vision, wie es anders sein könnte? Und wie können gemeinsam entwickelte Visionen auch umgesetzt werden? Im Gespräch mit Hans Holzinger und Walter Spielmann von der „Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen“ (JBZ) tauschen sich Elke Zobl und Laila Huber über die Methode Zukunftswerkstatt ihre Anfänge und Weiterentwicklung, über Partizipationsprozesse, Zukunftsvisionen und den Verbleib des „revolutionären Feuers“ aus.
Die JBZ wurde 1986 gegründet und widmet sich „einer kritischen und kreativen Zukunftsforschung“ sowie der konkreten partizipativen Entwicklung von Zukunftsvisionen im Rahmen der Moderation von Zukunftswerkstätten. Ein aktuelles Projekt der JBZ, auf das wir hinweisen möchten, ist „Salzburg 2036“, das in Kooperation mit „Akzente Salzburg – Initiative für junge Leute“ stattfindet. Das Projekt stellt die Frage „Wie stellen sich Jugendliche das Bundesland, ihre Heimat oder ihr Land in naher Zukunft vor?“ Schüler*innen aus allen Regionen Salzburgs entwickeln im Rahmen von Zukunftswerkstätten (Oktober 2016) Vorschläge zur Lösung von Zukunftsherausforderungen und versuchen dann in dem Demokratiespiel „New Land“ (November 2016) ihre Ideen umzusetzen. |
Laila Huber: Könntet ihr vielleicht zu Beginn für unsere Leser*innen die Methode Zukunftswerkstatt kurz vorstellen?
Walter Spielmann: Die Zukunftswerkstatt wurde in den 1980er Jahren von Robert Jungk mit Studierenden in Berlin konzipiert. Die Grundidee ist, viele Menschen einzuladen und zu motivieren, sich selbst und in der Gruppe Gedanken zu machen über das, was sie beschäftigt, und gemeinsam Zukunftsideen zu entwickeln. Grundsätzlich hat Robert Jungk ‑ und das ist die Methode ‑ festgestellt, dass es Sinn macht, diesen Prozess in drei Phasen zu gliedern.
Hans Holzinger: Diese drei Phasen sind aus unserer Sicht sehr gut geeignet, um einen Gruppenprozess zu strukturieren. Im ersten Teil geht es um Befunde: „Was schätzen wir an der jetzigen Situation?“ „Was stört uns?“ Was wollen wir verändern? Aus den Kritikpunkten werden in der Folge die für die Gruppe wichtigsten herausgefiltert und ‑ das ist das Spannende daran ‑ einfach ins Positive umgedreht. Der Negativzustand wird sozusagen in eine Vision umformuliert. Zum Beispiel: Aus „In unserer Schule gibt es kaum Mitbestimmungsmöglichkeiten“ wird „Unsere Schule ist eine Schule, in der Schüler*innen ernst genommen werden.“ In der Ideenfindungsphase werden dann in einem Brainstorming Vorschläge gesammelt, die es ermöglich(t)en, die Visionen umzusetzen. Dabei soll durchaus auch Ver-Rücktes, also auf den ersten Blick nicht Realisierbares Platz haben, weil auch aus dem Ver-Rückten kreative Lösungen entstehen können.
Laila Huber: Und was kommt als Drittes?
Hans Holzinger: Die für die Gruppe spannendsten und wichtigsten Ideen werden dann in einem dritten Schritt, wir nennen es die „Umsetzungsphase“, zu Projektskizzen verdichtet. Nach der sogenannten „W-Methode“ wird in Kleingruppen erarbeitet, warum der Vorschlag wichtig ist, welche Umsetzungsschritte nötig sind und wen man dazu braucht.
Walter Spielmann: Und noch ein wichtiger Punkt ist: Welche Widerstände könnte es geben? Woher könnte Gegenwind kommen?
Hans Holzinger: Woran könnte der Vorschlag scheitern? Haben wir zu wenig Geld? Machen alle, die wir brauchen, mit? Oder vielleicht scheitern wir an uns selbst, haben zu wenig Energie, dranzubleiben? Solche Dinge werden mitreflektiert.
Laila Huber: Und das Ziel ist dann eine ganz konkrete Umsetzungsstrategie?
Walter Spielmann: Genau. Im Idealfall endet die Zukunftswerkstatt mit einem Aktionsplan, in dem festgelegt wird, wer was macht, mit wem und bis wann. Gelingen diese Vereinbarungen, dann zeigt dies, dass man an dem Thema dranbleiben möchte. Für alle Vorschläge wird ein*e Kümmerer*in benannt, der/die sich dann dieses Themas ganz besonders annimmt und nach dem Ende der Werkstatt die Leute sozusagen bei der Stange hält. Wichtig ist, das Feuer sozusagen kontrolliert am Brennen zu halten und Motivation fürs Weiterarbeiten mitzugeben.
Hans Holzinger: Bei allen Partizipationsprozessen geht es darum, dass die Ergebnisse ernst genommen werden ‑ von den Beteiligten, aber auch von den Auftraggeber*innen. Wichtig ist daher eine gute Dokumentation der Ergebnisse und deren Weiterbearbeitung mit den für die Umsetzung von Ideen benötigten Akteur*innen. Ein erster Schritt wäre, dass beispielsweise in einem Schulprojekt mit der Frage „Wie wünscht ihr euch die Schule?“ die Ergebnisse bei einem Elternabend oder bei einer Versammlung des Schulgemeinschaftsausschusses vorgestellt werden. Gerade junge Menschen brauchen hier Hilfestellung, dass zumindest zwei, drei Ideen weiterverfolgt werden können. Denn es ist nichts frustrierender, als gute Ideen zu haben und dann nichts davon umsetzen zu können. Auch demokratiepolitisch ist das bedenklich.
Elke Zobl, Laila Huber ( 2016): „Es braucht öffentliche Räume, in denen Neues erdacht werden kann!“. Das Konzept der Zukunftswerkstätten Ein Interview mit Hans Holzinger und Walter Spielmann . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/es-braucht-offentliche-raume-in-denen-neues-erdacht-werden-kann/