Wozu das Ganze?
Absichten, Zwecke und Wirkungen sozietärer künstlerischer Partizipationsprojekte
Partizipation als künstlerische Strategie und Praxis ist seit den 1960er Jahren ein wichtiger Teil zeitgenössischer Kunstproduktion. Seit den späten 1990er Jahren laden auch zunehmend Insitutionen zu partizipativen Projekten ein und es etablierte sich parallel ein eigener Diskurs zu Partizipation in und als Kunst und Vermittlung.*1 *(1) Vor diesem Hintergrund und ausgehend von drei Beispielen sozietärer künstlerischer Praxis aus den Jahre 2009 bis 2013 geht dieser Beitrag der Frage nach, warum sich AuftraggeberInnen, GeldgeberInnen, KünstlerInnen und Projekt-TeilnehmerInnen in das in vielfacher Hinsicht prekäre Gefüge sozietärer partizipatorischer Experimente begeben. Welche Absichten motivieren jeweils die Teilnahme oder Teilhabe, welche Zwecke verfolgen die einzelnen AkteurInnen – welche Wirkungen lassen sich schließlich festhalten oder gar quantifizieren?
Den Auftakt bilden zwei Projekte mit dem Auftrag, mit den und für die BewohnerInnen einer ländlichen Siedlung zu arbeiten. Daran anschließend werde ich ein partizipatives künstlerisches Projekt mit Kindern und Jugendlichen vorstellen. Maßgabe für diese Auswahl war, dass die aufgeführten Projekte zeigen, (1) wie sich KünstlerInnen mit ihrem künstlerischen und ihrem partizipativen Methodenrepertoire gesellschaftlichen Aufgabenstellungen nähern. Dass die Projekte (2) Strukturen nachhaltig veränderten. Und um (3) die Bandbreite des AdressatInnenkreises sozietärer künstlerischer Partizipationsprojekte darzustellen, sollten sowohl Projekte mit Erwachsenen als auch mit Kindern/Jugendlichen diskutiert werden. Im Resümee werden schließlich punktuell einzelne Denkfiguren von Chantal Mouffe, Jacques Rancière sowie von Mark Terkessidis in Anschlag gebracht, um Strukturen sozietärer künstlerischer Partizipationsprojekte zu beleuchten.
Kunst und Partizipation – eine Typologie
Partizipative Verfahren in der Kunst und als Kunst sind ein prägendes Merkmal der Kunst der letzten rund 25 Jahre. Wesentlich entwickelt in den 1960er und 1970er Jahren und breit popularisiert in den 1990er und 2000er Jahren, ziel(t)en sie auf eine Demokratisierung der Kunst. Dazu zählte gleichzeitig eine Fokussierung auf Events, individuelles Erlebnis und Festivalisierung wie auch Formen von Beteiligung vormaliger RezipientInnen, die nun als Co-ProduzentInnen zu kritischem Engagement für sie betreffende Belange und damit zu politischer Mitgestaltung aktiviert werden sollten.
Was aber ist gemeint, wenn von ‚partizipativer Kunst’ oder von ‚Beteiligungskunst’ gesprochen wird? Welche Typen von Partizipation lassen sich identifizieren?*2 *(2) Zur ihrer Bestimmung müssen zunächst verschiedene Einzelaspekte identifiziert werden. Die von mir aufgestellten zentralen Parameter sind das Thema (Kunst über Kunst, als Selbstreflexion der/des KünstlerIn/s oder als gesellschaftliche/politische Artikulation), das Format (die konkrete Ausprägung), die Wirkungsabsicht (Politisierung, Emanzipation und Demokratisierung, Bildung und Erziehung, Unterhaltung) sowie die Rezeptionsmodi (reflexive, physisch-räumliche, somatische, soziale Rezeption). Weitere Kriterien zur Bestimmung eines Projektes sind der Grad der Beteiligung (konsumistische oder konstitutive Partizipation), die Struktur der Arbeit (egalitäre/dialogische oder hierarchische/monologische Partizipation) sowie schließlich die AdressatInnen (individualistisch-solitäre oder kommunitaristisch-sozietäre Partizipation).
Silke Feldhoff ( 2016): Wozu das Ganze?. Absichten, Zwecke und Wirkungen sozietärer künstlerischer Partizipationsprojekte. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/wozu-das-ganze/