Das Projekt SISI: Ein „Spekulatives Institut für Soziale Interventionen“

Auf der Suche nach neuen Räumen der Gemeinschaft im städtischen und digitalen Raum

Jan Phillip Ley und Theresa Muhl im Gespräch mit Anita Thanhofer
Interview am 20.3.2020

Jan Phillip Ley und Theresa Muhl sind Gründungsmitglieder des SISI, des Spekulativen Instituts für Soziale Interventionen. Das Projekt wurde im Rahmen der Vienna Design Week ins Leben gerufen und dort erstmalig umgesetzt. Im 9. Wiener Stadtbezirk wollten Ley und Muhl sowohl analoge als auch digitale Räume gestalten. Im Gespräch mit Anita Thanhofer verraten die beiden, welche Räume sich konkret eröffnet haben und wie bei der Umsetzung eines solchen Projektes Theorie und Praxis auseinanderklaffen können.


Was kann man sich unter dem Projekt SISI vorstellen?

 

JPL: SISI ist ein Projekt, das in einer ersten Auflage 2019 im Rahmen der Vienna Design Week in der Rubrik Stadtarbeit stattgefunden hat. Wir und vier weitere Gruppen wurden dazu eingeladen, im 9. Wiener Gemeindebezirk ein Projekt umzusetzen, das im Stadtraum stattfindet und mit den und für die dortigen Bewohner*innen funktioniert. SISI steht für Spekulatives Institut für Soziale Interventionen. Am Anfang stand die Frage: „Wem gehört die Stadt?“ Das ist eine alte Frage, die jetzt auch im digitalen Kontext neu diskutiert wird. Wir haben wahrgenommen, dass es für viele in Städten lebende Menschen immer schwieriger wird, sich im öffentlichen Raum frei auszuleben. Wir leben in Stadtgemeinschaften, in denen viele verschiedene Menschen aufeinandertreffen. Gleichzeitig existieren Reglementierungen, Bürokratie, Regeln und Gesetze, die nicht nur vom Staat oder von der jeweiligen Stadt ausgehen, sondern auch von Menschengruppen untereinander ausgehandelt werden. Diese Beobachtungen haben wir als Ausgangspunkt genommen und uns gefragt, ob es nicht ein Tool gäbe, das einen anderen Zugang zum öffentlichen Raum erlaubt. Dafür haben wir SISI als analog-digitales Werkzeug entwickelt, mit dem Menschen im Digitalen eigene Regeln für den öffentlichen Raum entwickeln können. Dazu wurden im Stadtraum Aufkleber mit kleinen QR-Codes platziert, über die man nach dem Scannen und der Eingabe eines Passwortes, das nur auf dem jeweiligen Aufkleber zu finden war, ein digitales Forum betreten konnte, in dem man Posts in Form von Wort, Fotos, Videos oder Audio machen und kommentieren konnte. Der Mechanismus des Passworts führte zu einer direkten Verknüpfung von digitalem und analogem Raum. So konnte der jeweilige digitale Raum nur nach Eingabe des Passworts betreten werden. Das Passwort kannte man wiederum nur, wenn man physisch vor Ort war. So entstand eine durchaus befruchtende Wechselbeziehung, die uns viel über unser Verhalten im jeweiligen Medium lehren kann. Unsere Verhaltensweisen im öffentlichen und im digitalen Raum weisen zwar schon jetzt gewisse Parallelen auf: So findet in beiden Kommunikation statt, im Digitalen scheint sie oftmals aber ungebunden und folgenlos; es gilt ein gewisses Bewusstsein für analoge und digitale Prozesse zu entwickeln, um daraus authentische Kulturtechniken entwickeln zu können. Das ist ein wesentlicher Aspekt unserer Idee und hat uns dazu gebracht, analoge und digitale Felder zusammenzuführen.

Könnt ihr euch selbst und euren Hintergrund ein wenig beschreiben?

 

JPL: Was meine Profession angeht, bezeichne ich mich eigentlich immer unterschiedlich, je nachdem, mit wem ich rede (lacht). Ich würde sagen, dass ich freier Medienkünstler bin, wobei ich mich als Raumdenker und Raummacher begreife. Das Raum-Denken ist dabei die theoretische Grundlage, das Raum-Machen hingegen die praktische Umsetzung. Diese beiden Ebenen sind Grundlage meiner Arbeit zum öffentlichen Raum und zum Thema Stadt. Dazu entwickle ich meist interaktive Installationen, Objekte und Systeme, die oft einen wahrnehmungsspezifischen Ansatz haben. Ich glaube, räumliche Wahrnehmung ist etwas, das alle Menschen miteinander verbindet. Deswegen ist das ein recht niederschwelliger Zugang, um Gespräche und Diskussionen in verschiedensten Bereichen anzustoßen.

TM: Als ausgebildete Innenarchitektin habe ich mich stark mit der Wahrnehmung von Räumen und der Theorie des Raumes befasst. Zurzeit setze ich mich besonders mit dem öffentlichen Raum auseinander. Ich beschäftige mich mit performativem Urbanismus, mit Interventionen im öffentlichen Raum und in diesem Kontext mit der Vermittlung von unterschiedlichen Themen sowie zwischen verschiedenen Menschen – zum Teil durch spielerische Interventionen. Vor SISI beispielsweise habe ich das urbane Minigolf Lochtopia mitentworfen. Dabei ging es um Aneignung im öffentlichen Raum. Die Grundfragen waren, wem der Stadtraum gehört, wie man ihn sich aneignen kann, wie man ihn benutzen kann und ob man das überhaupt darf. Für mich ist sehr wichtig, theoretische Fragen mit in die Praxis hineinzunehmen. Dafür eignet sich ein spielerischer Zugang, da es darüber gelingt, komplexe Themen niederschwelliger zu gestalten.