Die Stiftung FUTURZWEI: „Wie wollen wir gelebt haben?“

Wir arbeiten selbst viel mit Ausstellungen, deswegen interessiert uns dieses Format besonders. Könnten Sie darüber noch ein wenig erzählen?

Ja, gerne. Die Entwicklungsgeschichte der Ausstellung ist etwas komplexer und deswegen muss ich ein wenig ausholen. Sie war eigentlich der zweite Teil eines umfangreichen Forschungsprojektes. Dieses Forschungsprojekt hieß Zukunftsbilder der Nachhaltigkeit. FUTURZWEI ging bundesweit auf Reisen und besuchte junge Erwachsene im Alter zwischen 16 und 27 Jahren, um mit ihnen Gruppendiskussionen durchzuführen. Es waren sehr unterschiedliche Jugendgruppen, die aber in ihrer natürlichen Zusammensetzung interviewt wurden. Zum Beispiel sprachen wir mit einer jungen Theatergruppe, mit Pfadfinder*innen oder dem Schützenverein. Wir führten mit ihnen Gruppendiskussionen durch, in denen wir an die Teilnehmer*innen einfach nur die Frage stellten: „Wenn die Zukunft besser werden soll als das Heute, wie sähe sie dann aus?“ Ursprünglich entstand dieses Forschungsprojekt aus der Idee, positive Zukunftsbilder zu suchen. Wir müssen ja wissen, wohin wir uns entwickeln wollen. Wie sieht eine bessere Gesellschaft oder die nächste Gesellschaft aus? Über diese Fragen sollten doch wohl die jungen Leute am besten Bescheid wissen, die die meiste Zukunft vor sich haben. – So unser Ausgangsgedanke. Wir ließen also alle ziemlich frei diskutieren und hofften, daraus ganz irre Utopien ziehen zu können. Wir wollten die Gespräche auswerten und die Ergebnisse nicht in einem Forschungsbericht veröffentlichen, sondern sie umsetzen. Zum Beispiel im Rahmen einer künstlerischen Ausstellung oder als große Oper. Wir wussten im Vorfeld noch nicht genau, was daraus werden würde, aber wir wollten die Ergebnisse begreifbar machen und visualisieren. Letztendlich ist rein als Ergebnis dieser Gruppendiskussionen nichts Großartiges herausgekommen. Wir haben festgestellt, dass die jungen Erwachsenen eigentlich genau jene Zukunftsbilder wiederholten, die ihnen täglich vorgegeben werden. Selbstfahrende Autos, fliegende Taxen oder begrünte Häuserfassaden. Das kam alles, aber nicht wirklich etwas Neues, Unkonventionelles, Verrücktes. Hin und wieder blinkte mal die Idee einer Weltengemeinschaft auf oder irgendwelche neue Formen des Sozialen, aber nicht genug, um daraus tatsächlich ein begreifbares Zukunftsbild zu machen.

Deshalb gingen wir schließlich anders an das Material heran. Wir stellten uns die Frage, woran es liegt, dass es für junge Leute so schwierig ist, eigene Fantasien zu entwickeln, Zukunftsbilder zu entwerfen, darüber zu sprechen und das anderen mitzuteilen. Über diese Herangehensweise entdeckten wir unterschiedliche kommunikative Muster. Wir stellten fest, dass die jungen Leute sich gegenseitig immer wieder auf den Boden der Realität gezogen hatten, dass sie sehr stark an den Krisen und an dem Nicht-Machbaren hängengeblieben waren, anstatt über das Vielleicht-Machbare zu sprechen. Es wurde uns klar, dass es für die jungen Leute überhaupt keine Möglichkeit gibt, frei über Zukunft nachzudenken. Es gibt keinen sozialen Raum, in dem man frei von Normen und Herrschaft über Zukunft reden darf. Deswegen gingen wir dazu über, eine Ausstellung zu konzipieren, in der wir zeigen wollten, wie offen Zukunft eigentlich ist. Dass Zukunft gestaltbar ist und dass man darüber reden und demokratisch streiten kann. Dass es nicht nur eine Zukunft, sondern viele Zukünfte gibt. Wir versuchten, diese Idee mittels unterschiedlicher künstlerischer Positionen und zu unterschiedlichen Themenbereichen darzustellen.

 

Gab es im Rahmen der Ausstellung dann eine künstlerische Arbeit, in der das Material der Gruppendiskussionen aufgegriffen wurde?

 

Die einzige ausgestellte Arbeit, in der ein Künstler tatsächlich mit dem Material aus dem Forschungsprojekt gearbeitet hat, war Hörweg in einem Handlungsraum. Der österreichische Künstler Christoph Mayer griff hier Gesprächsmitschnitte auf und machte daraus eine Montage und einen Hörweg. Er versuchte damit, die Zukunft und die Offenheit der Möglichkeiten am ganzen Körper erfahrbar zu machen. Darüber hinaus hatten wir fotografische Arbeiten, eine Videoinstallation und ein partizipatives Kunstwerk, das sich mit dem Thema Pflanzenretten beschäftigte. Im Zuge dessen installierten wir eine Pflanzenklappe, bei der – ähnlich einer Babyklappe – anonym ungeliebte Zimmerpflanzen abgegeben und in Obhut werden konnten. Wir hatten auch ein altes Futtersilo auf dem Hof stehen, das nun als Teehaus, also als Treffpunkt im urbanen Raum, fungierte. Es gab eine Fahrradrikscha, auch ein Upcyclingobjekt, aus einem Müllcontainer. Es gab auch einen Übungsraum, wo man sich im Debattieren und Kritisieren üben konnte. Denn wer etwas verändern will, muss erstmal den Status Quo kritisieren oder einschätzen können. Das war eine tolle Ausstellung. Und wir haben noch ein Veranstaltungsprogramm dazu gemacht.

 

Mit Workshops und Gesprächen?

 

Genau. Wir führten erneut Zukunftsgespräche, mit Schüler*innengruppen aus nahen Schulen. Einfach, um die Möglichkeit zu geben, über Zukunft zu sprechen. Denn auch wenn bei den Gruppendiskussionen nicht das herausgekommen ist, was wir uns vielleicht erhofft hatten, erzählten die jungen Leute im Nachhinein immer begeistert davon, wie frei, froh und glücklich sie sich danach gefühlt hätten. Deshalb haben wir diese Gespräche fortgeführt. Einfach, um zu ermöglichen: „Ihr könnt mal darüber nachdenken, wer ihr gewesen sein wollt.“ – Um es im Futur II zu sagen.

Wird die Ausstellung weiterentwickelt? Oder verbleibt sie jetzt einfach mal in diesem Stadium?

 

Also diese Ausstellung existiert in ihrer Konzeption. Es gibt einige Arbeiten, die uns wieder zur Verfügung stehen. Es gibt aber Objekte wie dieses Silo, das dann tatsächlich Raum und auch Transportgeld benötigt. Aber die Ausstellung ist so modular aufgebaut, dass man sie auch nur in Teilen und auf den jeweiligen Kontext und die jeweiligen Möglichkeiten abgestimmt zeigen kann.