So kompliziert wie Situationen sind
Temporäre Eingriffe im Spannungsfeld zwischen Verunsicherung und Ermächtigung
Wie über Feminismen sprechen …?
Im Workshopprogramm für Lehrlinge werden Überschneidungen zwischen dem Alltag von BerufsschülerInnen, aktuellen feministischen Debatten und zeitgenössischen künstlerischen Strategien hergestellt. Entsprechend neueren Ansätzen in der feministischen Forschung beschränkt sich die Auseinandersetzung nicht nur auf Geschlechterrollen, sondern thematisiert neben Sexismus, Homo- und Transphobie auch Machtverhältnisse, die mit sozialen Fragen und Rassismus verbunden sind.
Was uns immer wieder beschäftigt, ist die Frage „Wie über Feminismen sprechen?“ – also die Frage nach den Perspektiven einer kritischen Kunstvermittlung. In den Flic Flac*-Workshops mit Jugendlichen sind die zentralen Vermittlungsinstrumentarien eine Bildersammlung und ein eigens entwickeltes Glossar mit zwanzig Begriffen, die mit dem Thema Feminismus in Beziehung stehen: Zu Beginn wählen die Teilnehmer_innen ein Bild, anhand dessen sie sich vorstellen. So wird ein gemeinsamer Sprachraum eröffnet und das „Sprechen-über“ von Anfang an als Praxis unterstrichen. Die Bildersammlung umfasst historisches Quellenmaterial (wie Flugzettel und Forderungskataloge), populärkulturelle queere Motive, sowie eine Vielzahl an künstlerischen Arbeiten, die normative Darstellungsformen und Stereotypen unterlaufen. Diese dienen als Anknüpfungspunkte für die jeweils eigenen Fragen der Jugendlichen, die in einem gemeinsamen Prozess ausverhandelt werden. In der gemeinsamen Bildbeschreibung und deren Dekonstruktion spiegelt sich die ganze Bandbreite feministischer Themen über Geschlechtergeschichte, Begehren und gesellschaftliche Ausschlüsse wider. Wir sprechen über Kämpfe um gleiche Rechte, Rollenzuschreibungen, Gewalt, Selbstermächtigungsstrategien, Identitäten u.v.m. und erhalten von Jugendlichen nicht selten die Rückmeldung: „Ich dachte, wir sprechen über Frauen, aber wir diskutieren über alles Mögliche, nur nicht über Frauen.“*3 *(3)
In weiterer Folge arbeiten wir mit einem Glossar, das wir gemeinsam mit dem Linguisten Persson Perry Baumgartinger und der Gestalterin Evi Scheller erstellt haben.*4 *(4) Es enthält Zeichnungen, Begriffe und Definitionen von zahlreichen relevanten Begriffen von „Antirassismus“ bis „Stereotyp“. Die Jugendlichen stellen Verbindungen zwischen den Bildern, den Begriffen und ihren persönlichen Fragen und Erfahrungen her.
Der Name Flic Flac* bezeichnet übrigens die Akrobatik, die es ermöglicht, die Dinge auf den Kopf zu stellen und wieder auf den Füßen zu landen. Was wäre also, wenn wir die Dinge auf den Kopf stellen würden, wenn eine andere Welt möglich wäre, in der Gleichheit denkbar ist und die mehr zulässt?
Elke Smodics ( 2014): So kompliziert wie Situationen sind. Temporäre Eingriffe im Spannungsfeld zwischen Verunsicherung und Ermächtigung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/so-kompliziert-wie-situationen-sind/