Ausgangs- und Bezugspunkte
Das Projekt basiert konkret auf den zwei Forschungsprojekten „Feministische Medienproduktion in Europa“ (Zobl/Drüeke 2012, (*15) Zobl/Reitsamer mit Grünangerl 2012
(*11)) und „Junge Frauen als Produzentinnen von neuen kulturellen Räumen“ (Zobl 2011a),
(*13) sowie dem online Archiv und der Plattform Grassroots Feminism (http://grassrootsfeminism.net).
(*16) Die beiden Forschungsprojekte haben sich mit unterschiedlicher Fokussierung einer der interessantesten Transformationen in der Jugendkultur seit den 1990er-Jahren gewidmet: Nämlich der steigenden Zahl an jungen Menschen, vor allem an Mädchen und jungen Frauen, die selbstinitiativ und in kollektiven Strukturen zu aktiven kulturellen und medialen Produzent_innen wurden und dies mit feministischen, queeren, anti-rassistischen und machtkritischen Perspektive verknüpften. Die Forschungsprojekte haben gezeigt, dass sie mit ihren eigenen Produktionen und Netzwerken neue Räume ‑ und damit Handlungsmöglichkeiten ‑ öffnen, die durch eine partizipative Kultur, selbst-organisiertes, kollaboratives Lernen in informellen Kontexten, lokale, transnationale und virtuelle Kommunikation und Vernetzung, Aktivismus und zivilgesellschaftliches Engagement geprägt sind.
In dem vorliegenden Projekt werden in den prozessorientierten Workshops durch „learning by doing“ und „skill sharing“ technische, künstlerische und handwerkliche Fähigkeiten, sogenannte „DIY skills“ erarbeitet (Reitsamer/Zobl 2010, (*9) Zobl 2012
(*12)). In den Forschungsprojekten konnten wir feststellen, dass alternative feministische Medien und Festivals – zumindest temporäre – partizipative kulturelle Räume und informelle Lernorte für künstlerische, mediale und technische Kompetenzen, feministische und politische Bildung, kritische Reflexion und zivilgesellschaftliches Engagement eröffnen. Es gibt keine „freien Räume“ ohne Exklusionsmechanismen, aber für die Lernenden können sich Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Wichtig ist daher die Frage nach strukturellen Benachteiligungen: Wer kann Mittel der Kulturproduktion nutzen ‑ und wer nicht? Und wie wird Zugang geschaffen? Um der Problematik des „participation gap“ (Jenkins et al. 2006)
(*5) entgegen zu wirken, sind daher Selbstreflexion (etwa der eigenen Privilegien und von Ausschlüssen) und eine Beschäftigung mit den Intersektionen von Gender, „Race“, Klasse, Alter und Macht Voraussetzung.
Ein Analyseergebnis aus den Forschungsprojekten bezog sich auf die Verwobenheit von feministischen und antirassistischen Inhalten: Insbesondere intersektionale, feministische Perspektiven beleuchten auch Rassismus, „Whiteness” und Migration. Deshalb gehen wir in dem vorliegenden Projekt von kulturellen Produktionen mit feministischen und antirassistischen Perspektiven aus. Diese benennen bestehende Machtverhältnisse und soziale Ungleichheiten, indem sie den gesellschaftlichen Status Quo kritisch reflektieren. Sie greifen aber auch auf Bilder der individuellen und kollektiven Erinnerung zurück und setzen diese neu zusammen. Feministische und antirassistische Strategien entwickeln somit eine Imagination für eine andere, weniger stereotype und unterdrückende Zukunft, indem sie einen Raum für alternative Identitäten sowie historische und aktuelle Gegenentwürfe entwickeln.
So können die Workshops in diesem Projekt als temporäre Handlungsräume (oder als „border spaces“ nach Anita Harris, 2004) (*4) erfasst werden, in denen Jugendliche als kulturelle Produzent_innen aktiv werden, sich Wissen und Fertigkeiten aneignen, Netzwerke bilden, Kritik an Macht- und Herrschaftsverhältnissen üben, sowie ihre eigene Position im Raum und in der Gesellschaft reflektieren und neue Ausdrucksarten von politischem und feministischem Engagement erproben können. In den Beispielen und mit den Kultur- und Medienproduzent_innen wurden unterschiedliche Strategien reflektiert, um Aufmerksamkeit auf intersektionale Formen der Diskriminierung und des Ausschlusses innerhalb der Kunst-, Medien- und Kulturbereiche sowie auf die Dekonstruktion stereotyper Bilder zu lenken. Themen wie Körper- und Rollenbildern, Berufswahl, Geschlechterverhältnissen und -identitäten, Migration und (Anti)Rassismus, Sexismus und Diskriminierungserfahrungen, Gewalt und Selbstverteidigung, Sexualität und reproduktiven Fragen, feministisches Engagement und Aktivismus wurden anhand von Beispielen kritisch reflektiert.
Elke Zobl ( 2015): „Warum ist das so?“. Reflexionen zum Projekt „Making Art, Making Media, Making Change!“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 06 , https://www.p-art-icipate.net/warum-ist-das-so/