Skills
Elke: Du hast in Bezug auf den Erwerb von Handlungswissen im Rahmen solcher Vermittlungsprojekte in unserer Kooperation mehrmals den Begriff „Skills“ eingebracht. Wir fragen uns einerseits, was du damit genau meinst, und andererseits, ob bei dieser Begrifflichkeit nicht die Gefahr besteht, in ein neoliberales Fahrwasser der Selbstoptimierung zu kommen. Was sind für dich genau Skills? Und warum ist es aus deiner Sicht so wichtig, den Jugendlichen konkrete Skills zu vermitteln? Wie kann das aus der Perspektive einer kritischen Kunst- und Kulturvermittlung angelegt und gestaltet werden, um nicht in die nächste (neoliberale) Falle zu tappen?
Carmen: Ich bin keine Freundin von dieser Art von Neoliberalismus-Kritik, weil ich finde, dass diese Kritik ganz oft oder ausschließlich von Leuten geäußert wird, die selber überhaupt kein Problem mit Skills haben. Sie sind in der Regel hochqualifiziert und hinterfragen nicht, wie denn ihr Wissen und Können zustande gekommen ist, und das find ich neoliberal. Das Entnennen von Bedingungen und Verhältnissen, das ist für mich eine neoliberale Praxis. Ich denke, wenn man kritisch arbeiten will, dann kann man nicht den gesamten Bereich der Ökonomie ausblenden mit dem Argument, es sei neoliberal. Denn für die Leute, mit denen man arbeitet, ist es das Entscheidende. Es ist das, was sie am meisten betrifft. Wenn man mit Jugendlichen arbeitet, die wenig Zugang zu Ressourcen haben, dann ist das so etwas wie eine politische Pflicht, dass man ihnen auch auf dieser Ebene etwas weitergibt, das man selber hat. Das gehört für mich zur Umverteilung dazu. Einer Selbstoptimierungslogik zu entkommen in unseren Zeiten, das würde ja für uns erstmal bedeuten, dass wir selbst unsere Jobs hinschmeißen und kündigen. Wir sind ja selber auch komplett selbstoptimiert. Und bloß die Tatsache, dass der Bund unser Gehalt zahlt, ändert daran nichts. Deswegen kann ich mit dem Vorwurf nicht wirklich etwas anfangen. Denn die Tatsache, dass man Fähigkeiten erwirbt und übt und irgendwann vielleicht eine Sache gut kann, und dann Spaß daran hat, sie zu machen, die steht ja nicht im Gegensatz dazu, dass man sich in einem linken Sinne kritisch, also politisch mit Verhältnissen und Bedingungen auseinandersetzt. Das finde ich keinen Gegensatz.
Elke: Ich sehe die Zine Workshops (www.makingart.at) zum Beispiel auch in diesem Kontext. Da geht es ebenfalls darum, dass man sich anschaut, wie funktioniert das, warum macht man das, wer steht dahinter, was bedeutet das. Ich finde auch, dass das sehr wichtig ist.
Carmen: Wenn wir Marx ernst nehmen, dann muss es auch möglich sein, Klempner_innen auszubilden, und mit diesen dabei in eine kritische Wissensproduktion einzutreten. Deswegen ist es nur dann neoliberale Selbstoptimierung, wenn ich daraus einen reinen Selbstzweck mache: Wenn ich etwa sage, hier bei uns lernt ihr, wie ihr euch im Bewerbungsgespräch gut darstellt, und das war’s. Aber wenn ich sage, hier lernt ihr, wie ihr euch beim Bewerbungsgespräch gut darstellt, damit ihr vor dem Hintergrund der kritischen Haltung, die ihr dabei auch lernt, für euch und andere die besten Arbeitsbedingungen erkämpfen könnt und nicht alles mit euch machen lasst, das ist eine andere Sache, aber von den Skills her ist es das Gleiche.
Elke Zobl ( 2016): Wie Wissen produzieren und Strukturen transformieren?. Ein Interview mit Carmen Mörsch. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/wie-wissen-produzieren-und-strukturen-transformieren/