Intervenieren – Forschen – Vermitteln

Künstlerisch-edukative Projekte in der Kooperation Universität – Schule.
Reflexionen zum Projekt „Making Art ‑ Taking Part!“

Veronika Aqra: Wenn wir davon ausgehen, dass die Mitwirkung an den Aushandlungsprozessen einer Gesellschaft die „Fähigkeit“ bzw. „Befähigung“ voraussetzt, Fragen aufzuwerfen und den Status Quo zu hinterfragen, dann braucht es auch die Bedingungen dazu, Fragen aufwerfen zu können. Das heißt, nur wenn man sich befähigt, also in der Lage fühlt, Fragen offen und kritisch zu formulieren, Kritik zu üben und auch dementsprechend zu handeln, kann man an den Aushandlungsprozessen der Gesellschaft mitwirken. Dazu braucht es einen geschützten Raum, in dem man sich erst einmal sicher fühlt, seine eigene Meinung zu äußern und Kritik zu formulieren. Denn ein Mehr an Wissen kann auch zu einem Mehr an Verletzlichkeit führen statt zu Politisierung und (Self-)Empowerment. Je mehr man sich der Machtverhältnisse bewusst wird, die einen umgeben und in die man zugleich verstrickt ist, umso größer wird auch die eigene Verletzlichkeit, wenn man zumindest einem Teil dieser intersektional wirkenden Machtverhältnisse ausgesetzt ist. Wenn wir auf das oben erwähnte Zitat von bell hooks zurückkommen, geht es sowohl darum, diese Fähigkeit des-Fragen Stellens, der kritischen Reflexion und der Dekonstruktion zu vermitteln, als auch darum einen geschützten Raum zu öffnen, in dem ein respektvolles und wertschätzendes Interagieren auf Augenhöhe ermöglicht wird.

Im Rahmen unseres Projektes stellte ich mir die Frage, wie Prozesse des (Self-)Empowerments und der Politisierung initiiert werden können, ohne zu größerer Verletzlichkeit zu führen? Wie können wir trotz zeitlicher Begrenzung des Projektes auf nachhaltige Art und Weise wirken?

In diesem Sinne braucht es für eine nachhaltige kritische Wissensproduktion und Praxis soziale Netze, die die Akteur_innen in diesem Bestreben auffangen und unterstützen. Für ein temporäres Projekt wie unseres heißt das, dass es wichtig ist zu vermitteln, dass man nicht allein ist mit rassismuskritischen/feministischen/antiklassistischen et_cet_era Einstellungen und Forderungen, sondern dass die Möglichkeit besteht, sich Kollektiven anzuschließen bzw. neue Kollektive oder Graswurzelinitiativen mit Gleichgesinnten aufzubauen. Wenn ein Bewusstsein für diese bestehenden sozialen Netzwerke fehlt, kann es sehr schwierig sein, diese kritische Haltung langfristig auch in die Praxis umzusetzen, vor allem dann, wenn man von (Mehrfach-) Diskriminierungen bzw. von sozialer Exklusion betroffen ist.

Daher war es uns wichtig, die Aktivistin und Künstlerin Marty Huber sowie die Künstler_innen Steffi Müller und Klaus Dietl einzubinden. Sie vermittelten den Schüler_innen des BORG Mittersill, wie mit künstlerischen Strategien, z.B. mittels Street Art oder Statuentheater à la Augusto Boal, politische und gesellschaftliche Themen im öffentlichen Raum sichtbar gemacht bzw. ausverhandelt werden können. Auch die Künstlerin Moira Zoitl, die mit den Schüler_innen der NMS Liefering zusammenarbeitete, greift in ihrer Arbeit gesellschaftskritische Themen auf. Sie alle arbeiten in Kollektiven, gehen Allianzen ein, bilden Netzwerke und „Komplizenschaften“, um ihren Forderungen in der Öffentlichkeit Ausdruck zu verleihen. Durch ihr gesellschaftliches Engagement und ihre künstlerische Tätigkeit vermitteln sie den Jugendlichen, wie eine kritische Praxis gelebt werden kann trotz der Ausschlussmechanismen, von denen man betroffen ist.

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Sternfeld, Nora (2013): Kontaktzonen der Geschichtsvermittlung – Transnationales Lernen über Holocaust in der postnazistischen Migrationsgesellschaft, Seite 49 – 55, Wien.

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Eckert, Constanze/ Sternfeld, Nora (2015): Constanze Eckert im Gespräch mit Nora Sternfeld, in Mission Kulturagenten – Onlinepublikation des Modellprogramms „Kulturagenten für kreative Schulen 2011-2015“, Berlin.

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hooks, bell (1996): Yearning – Sehnsucht und Widerstand. Kultur, Ethnie, Geschlecht. Berlin.

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Klaus, Elisabeth (2013): Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozess und das 3-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit. Manuskript zur Tagung: Das 3-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit, Universität Salzburg.

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Lefebvre, Henri (1991 [1974]): The Production of Space, 3. Aufl. Oxford, UK/Cambridge, USA: Blackwell.

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Mouffe, Chantal (2014): Agonistik. Die Welt politisch denken. 1. Auf. Berlin: Suhrkamp.

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Zobl, Elke/Laila Huber (2016): Making Art – Taking Part! Negotiating participation and the playful opening of liminal spaces in a collaborative process, in: Conjunctions. Transdisciplinary Journal of Cultural Participation, Volume 1 2016 „Playful Participation“. (peer reviewed) http://www.conjunctions-tjcp.com/article/view/23644

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Zobl, Elke (im Erscheinen): Künstlerische Interventionen und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse: Das Drei-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit in künstlerisch-edukativen Kontexten. In: Klaus, Elisabeth und Ricarda Drüeke: 3-Ebenen Modell von Öffentlichkeit, Bielefeld: transcript.

Allerdings bleibt in der Analyse des konkreten Projektes offen, welche Rolle die dritte Ebene von Öffentlichkeit spielt. Dazu hätte das Projekt anders und langfristig angelegt sein müssen.

Veronika Aqra, Laila Huber, Elke Smodics, Elke Zobl ( 2016): Intervenieren – Forschen – Vermitteln. Künstlerisch-edukative Projekte in der Kooperation Universität – Schule. Reflexionen zum Projekt „Making Art ‑ Taking Part!“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/intervenieren-forschen-vermitteln/