„Im Grunde ist Coding da Vinci ein einziger großer Experimentierraum.“
Philippe Genêt im Interview mit Anita Thanhofer
Der Kultur-Hackathon Coding da Vinci findet seit 2014 statt und ermöglicht es Kulturinstitutionen in Zusammenarbeit mit Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft, basierend auf digitalen Datensets, Ideen für Kulturräume der Zukunft zu entwickeln und umzusetzen. Im Herbst 2020 findet in Niedersachsen bereits die zehnte Ausgabe von Coding da Vinci statt. Im Interview gewährt Philippe Genêt, seit April 2019 Koordinator der Geschäftsstelle von Coding da Vinci, Einblicke in diesen digitalen Experimentierraum.
Bevor wir in das Thema Coding da Vinci einsteigen, würde ich Sie bitten, kurz etwas über sich und über Ihren beruflichen Background zu erzählen und auch zu Ihrer Verbindung zu dem Projekt.
Mein Name ist Philippe Genêt und ich leite die Geschäftsstelle von Coding da Vinci in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt. Ich persönlich komme aus dem Projektmanagement sowie aus der Buchbranche. Ich habe früher beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels gearbeitet und dort Projekte wie den Deutschen Buchpreis und den Vorlesewettbewerb des Deutschen Buchhandels geleitet. Ich bin dann über einen kleinen Umweg an die Nationalbibliothek gekommen und freue mich, wieder in der Kultur zu arbeiten, aber auch an der Schnittstelle zwischen Kultur und digitaler Welt. Das ist ein aufregendes und spannendes Feld, das mich sehr interessiert.
Welche Idee liegt dem Projekt Coding da Vinci zugrunde und was war die Ausgangslage?
Coding da Vinci wurde 2014 von den Gründerinstitutionen aus der Taufe gehoben. Das sind die Deutsche Digitale Bibliothek, Wikimedia Deutschland, digiS – das Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung in Berlin – und die Open Knowledge Foundation. Diese Einrichtungen schlossen sich mit dem Ziel zusammen, einen Raum zu schaffen, in dem Kulturinstitutionen und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten können, um gemeinsam den Kulturraum der Zukunft zu gestalten. Dabei spielten und spielen Aspekte wie offene Daten, Teilhabe, Vermittlung und die Erschließung neuer Ziel- und Interessensgruppen eine große Rolle.
Die Ausgangsidee war es, einen Hackathon zu veranstalten. Dieser fand dann gleich 2014 erstmals in Berlin statt. Kulturinstitutionen brachten offene Datensätze mit, für die im Zuge dieses Hackathons Nutzungsszenarien entstehen sollten. Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft, also freiwillige bzw. ehrenamtliche Hacker*innen, Coder*innen, Designer*innen, Künstler*innen etc. oder Kulturinteressierte im Allgemeinen konnten als Teilnehmende zu dieser Veranstaltung kommen und ihre Ideen in lauffähige Prototypen umsetzen.
Bei diesem Format ist es seither geblieben. Es hat zwei Vorteile: Für die Kulturinstitutionen ist es ein überschaubarer Rahmen, in dem sie alle Aspekte des offenen Zur-Verfügung-Stellens von Daten durchspielen können. Sie können an dem Prozess der Verwendung der Daten teilhaben, sich aktiv einbringen, Menschen aus der Technikwelt kennenlernen, Kontakte knüpfen, Netzwerke schaffen und so weiter. Das ist ein Lernprozess für Kulturinstitutionen, der mittelfristig auch viele weitere Prozesse in Gang setzen soll, sodass es am Ende selbstverständlich ist, dass Zivilgesellschaft und Kulturinstitutionen auf Basis offener Daten zusammenarbeiten. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich die Zivilgesellschaft einbringen kann. Die Menschen werden von Kulturkonsument*innen zu Kulturschaffenden, indem sie gemeinsam mit Kulturinstitutionen aktiv werden und kreativ mit deren Daten arbeiten.
Bereits 2014 war Coding da Vinci ziemlich erfolgreich. Bis heute sind große Kulturinstitutionen dabei, die zum Teil schon viel Erfahrung im Bereich Digitalisierung und im Umgang mit offenen Daten haben. Es finden sich aber auch sehr kleine Institutionen unter den Teilnehmenden, für die das Neuland ist und die in diesem Bereich erste Schritte gehen. Das stellt eine schöne Mischung dar und hier können alle voneinander lernen.
Seit 2016 findet Coding da Vinci regional statt. Das heißt, 2016 ging es erstmals außerhalb von Berlin weiter. Die Veranstaltung in Berlin richtete sich an Teilnehmende und Kulturinstitutionen aus dem ganzen Bundesgebiet. Die Nordausgabe 2016 in Hamburg war hingegen eine regionale Ausgabe, bei der der Fokus auf regionalen Institutionen und Teilnehmenden lag. Diese Änderung geschah vor dem Hintergrund der Überlegung, dass Netzwerke regional viel einfacher herzustellen sind, weil sich Menschen vor Ort potenziell einfacher über den Weg laufen können. Das hat sich als sehr erfolgreich herausgestellt. Es folgten Ausgaben in Leipzig (Ost), im Rhein-Main-Gebiet, jetzt zuletzt in Süddeutschland und in Westfalen-Ruhrgebiet. Die nächste Ausgabe wird länderübergreifend in der Region Saar-Lor-Lux stattfinden. Seit 2019 wird Coding da Vinci auch von der Kulturstiftung des Bundes unterstützt.