3.6 Was könnten die Teilnehmerinnen in der Gruppe gelernt haben?
Wir haben eine einfache, handwerklich und choreographisch leicht zu realisierende Form erprobt, wie wir im öffentlichen Raum Botschaften einbringen und Beteiligung erwirken können. Wir haben eine Form der Intervention entwickelt, die nicht nur ein „Statement“ bedeutet, sondern die andere Menschen spielerisch involvieren kann. Wie stark die gefundene Form auch bei anderen Menschen eine „verstörende Zuversicht“, eine Dekonstruktion von Negativerwartungen bei öffentlichen Statements erzeugt, muss offen bleiben. Die freudige Arbeitsstimmung, welche im Workshop und auch bei der Präsentation vor der Uni spürbar war, dürfte eine Ermutigung dafür darstellen, kollektiv/kollaborativ ein Anliegen zum öffentlichen Thema zu machen. Teilnehmerinnen haben mich gebeten, ihnen die Methode des geführten Nachdenkens zur Verfügung zu stellen, da sie von dieser Begegnung mit inneren Bildern der eigenen Kraft sehr profitiert hätten. Und vermutlich haben sie auch in unserem Workshop die Erfahrung gemacht, dass ihre eigenen Ideen, Anliegen und Botschaften bedeutsam sind und auch in einem Bildungskontext Raum bekommen können.
3.6.1 Gestaltpädagogik und künstlerische Intervention zusammendenken
Ich nehme an, dass die eingebrachten gestaltpädagogischen Elemente – das geführte Nachdenken und die Gruppen-Körperskulptur – einen wichtigen Anteil zur kraftvollen Authentizität dieser „positiv konfrontierenden Intervention“ beigetragen haben. Hier sehe ich für die Entwicklung von künstlerischen Interventionen im Bildungskontext einen interessanten Beitrag gestaltpädagogischer Herangehensweise: In der Phase der Ideenfindung können Menschen in einen tieferen Kontakt zu eigenen Wahrnehmungen kommen. Zu Wahrnehmungen, die nicht nur auf gedanklich-rationaler Ebene, sondern auch im Bereich der Sprache des Körpers und der inneren Bilder wirksam werden. Dadurch können sich kreative, oft auch Widerspruch erzeugende Impulse und authentische Kritik entwickeln, auf die eine künstlerische Intervention aufbauen kann.
4. Zur Lehrveranstaltung
In dieser Lehrveranstaltung habe ich bei den Symposien ebenso wie beim Durcharbeiten des Workshop-Konzepts vielfältige Chancen bekommen:
Konkrete Beispiele von künstlerischen Interventionen kennenzulernen, welche im Bildungskontext realisierbar sind.
Die Paradoxien und spezifischen Verwerfungen zu erfassen, welche „Selbstermächtigung“ und „Selbstrepräsentanz“ als vorgegebenes Lernziel haben, und welche Formen des Umgangs damit denkbar erscheinen.
Das Potential der Gestaltpädagogik für die Entwicklung künstlerischer Interventionen in Bildungskontexten zu beschreiben und praktisch zu erproben. Die sorgfältig begleitete Praxiserfahrung erzeugte eine große Ermutigung, es selbst zu versuchen. Noch während der Lehrveranstaltung habe ich ein Seminar-Design mit dem Titel „Kopfoben Scheitern“ entwickelt, welches die Stärken der bisher auf den Seminarraum festgeschriebenen Gestaltpädagogik mit den Chancen künstlerischer Interventionen im öffentlichen Raum verbindet (Tschötschel-Gänger/Sendlhofer 2014). (*10)
Mit herzlichem Dank für dieses theoretisch wie praktisch außergewöhnlich anregende „Bildungssetting“, für die Impulse, Feedbacks und Erfahrungen in dieser Lehrveranstaltung!
Eine Fotodokumentation gibt es hier.
Christine Tschötschel-Gänger ( 2014): Verstörende Zuversicht. Eine künstlerische Intervention im Bildungskontext. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/verstorende-zuversicht/