GO PUBLIC! Kunst, Kommunikation und Öffentlichkeit

Kunst braucht Kommunikation braucht Öffentlichkeit: Ohne Öffentlichkeit wird Kunst nicht als Kunst wahrgenommen. Kunst ohne Kommunikation läuft ins Leere. Kunst ohne Öffentlichkeit verfehlt ihr Potential. Und Öffentlichkeit braucht Kommunikation als Voraussetzung, um – im Sinne Habermas – einen Diskurs bzw. – im Sinne der Cultural Citizenship – einen gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozess zu initiieren.

In einem „Call“ haben wir in der nun bereits dritten Ausgabe von P-ART-ICIPATE eingeladen, das Dreieck KUNST-KOMMUNIKATION-ÖFFENTLICHKEIT unter die Lupe zu nehmen: Wie werden öffentlichen Kommunikationsprozesse in, mittels und durch Kunst angestoßen? Wie kann Öffentlichkeit zu künstlerischen Produktionen hergestellt werden? Wie kann Kunst zu einer demokratischen Kommunikationskultur beitragen? Und welchen Beitrag leisten unterschiedliche AkteurInnen der Kunst- und Kulturszene, um Ideen einer partizipativen Öffentlichkeit zu verwirklichen?

Die vorliegenden ARTICLEs weisen ein Perspektivenspektrum aus Theorie und Praxis, aus Kunst und Vermittlung, aber auch der PR-Praxis auf: In ihrem Artikel Audience Development erläutert Birgit Mandel, Vorsitzende des Fachverbands Kulturmanagement, die Notwendigkeit, eine enge Beziehung, ja eine „Love Affair“ zwischen Kunst und Publikum zu schaffen. Kommunikation ist in dieser – wie in jeder – Beziehung als dynamischer Austauschprozess zu verstehen, der die Interessen aller Beteiligter berücksichtigt. Auf einen dynamischen Austauschprozess bezieht sich auch Dorothee King, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität der Künste, wenn sie Kunstschaffende als Erfahrungsgestalter_innen bezeichnet, die dabei aber die Bedingungen und auch Intentionen in Bezug auf die Rezeption und den Wahrnehmungsprozess (teilweise) massiv mitbestimmen. Die Kulturwissenschaftlerin und Kuratorin Luise Reitstätter, greift diese ausgelösten Wahrnehmungsprozessen auf, wenn sie in „Verstehen Sie Kunst?“ fünf Modelle der Kunstvermittlung erläutert, die bezogen auf unterschiedliche Rezeptionsbedürfnisse zwischen konventioneller Dienstleistung und kritischer Praxis verortet sind. Mit dem in der Kunstvermittlung sehr beliebten Format des Workshops setzt sich Lena Brüggemann, künstlerische Leiterin des D21 Kunstraum Leipzig, in ihrem Beitrag „Pinpointing Workshops“ intensiv auseinander und stellt (sich) die Frage, inwiefern und unter welchen Bedingungen Workshops (tatsächlich) zweckfreie Diskurse eröffnen können. Anhand der künstlerischen und medialen Strategien von „Occupy George“ lotet Tobias Kösters, Absolvent der Zeppelin-Universität, in „Money Knowledge is power“ die Potenziale und Fallstricke von im öffentlichen Raum agierenden, politisch motivierten Kunstprojekten aus. Künstlerische Strategien sind auch Thema meines Beitrags „Marktstrategie:Kunst“, der Prinzipien des Herstellens von Öffentlichkeit im Spannungsverhältnis von Kunst und Marketing erörtert.

Die Sicht der PRACTICE steht in eindeutigem Bezug zu jenen in den ARTICLEs untersuchten Fragestellungen: In drei Performanceprojekten suchten die Aktionstage zum 100-jährigen Geburtstag von Robert Jungk dessen Anspruch, „Betroffene zu Beteiligten zu machen“, zu realisieren, wobei Autorin (und Mitinitiatorin) Claudia Höckner gezielt die Chancen und Grenzen partizipativer Kunstprojekte in Frage stellt. Diese Fragestellung bildet auch die Basis des AntikultiAtelier in Zürich, das als autonome Gruppe aus einem Kunstvermittlungsprojekt entstanden ist, und Partizipation vor allem als eine politische Kunstpraxis auffasst. Wird in aktuellen Kunstdiskursen der Partizipations- und auch Öffentlichkeitsbegriff verhandelt, wird regelmäßig Bezug auf Projekte bzw. das Kunstverständnis der österreichischen, international renommierten Gruppe Wochenklausur (WK) genommen. Nadja Klement, Mitglied von 2007-2012, schildert in ihrem sehr persönlichen Beitrag „Go Public mit WK“, mit welchen Fragestellungen zu Kunst und Öffentlichkeit sich das seit über 20 Jahren bestehende Kollektiv immer wieder auseinandersetzt bzw. auseinandersetzen muss. Die Notwendigkeit einer ständigen (Selbst/)Reflexion bezeichnet auch Eva Fischer im Interview als eine Grundvoraussetzung, um (freie) künstlerisch-kulturelle Initiativen etablieren zu können. Wie sie, als Gründerin und künstlerische Leiterin, dies mit ihrem Team nachhaltig umgesetzt und laufend „zwischen den Stühlen vermittelt“, spezifiziert sie in ihrem umfassenden Beitrag zum Festival sound:frame.

Dass Öffentlichkeitsarbeit für Kunst und Kultur als „Querschnittsmaterie“ aufzufassen ist, die öffentliche Schnittstellen zu Inhalten des künstlerischen Schaffens herstellt und Assoziationsknoten zu verschiedenen Communities oder Teilöffentlichkeiten erzeugt, präzisiert PR-Experte Martin Lengauer in einem ausführlichen Gespräch über Kommunikationskonzepte und ihre Umsetzung. Wie mehrdimensionale, vernetzte Kommunikationsstrategien in der Praxis ihre Realisierung finden, ist wiederum Inhalt des Interviews mit Maximilian Engelmann, der mehrere Jahre lang die Marketingaktivitäten der SCHIRN Kunsthalle mitgestaltet hat. Er bezeichnet den Erfolg einer sich auf künstlerische Inhalte und Formate beziehenden Kommunikationsarbeit als „durchdachtes, unkonventionelles und kooperatives Zusammenspiel zahlreicher Einzelinitiativen“. Auf das Zusammenspiel mehrerer Faktoren verweist auch Steven Walter, Gründer und künstlerischer Leiter des PODIUM Musikfestivals, wenn er in seinem Beitrag „It´s the music, stupid“, drei zentrale, jedoch miteinander verwobene Perspektiven auf zeitgenössische Veranstaltungsformate für klassische Musik skizziert.

Auch bei uns am Programmbereich haben wir im letzten Semester zahlreiche Einblicke in das Verhältnis von Kunst, Kommunikation und Öffentlichkeit erhalten und diese umfassend diskutiert – speziell in der als neues Format eingeführten Lehrveranstaltung „Hot Spot: Berlin“. Im Rahmen einer dreitägigen Exkursion haben wir uns (bei 30 Grad) auf Spurensuche nach dem Zusammenspiel von kreativwirtschaftlichen, politischen und künstlerischen Prozessen gemacht und in Führungen, Gastgesprächen und Workshops Berlin als quirligen, multikulturellen, trendsetzenden, dabei dennoch sehr entspannt wirkenden Hot Spot kennengelernt. Unser Open Space ist diesmal persönlichen und v.a. sonnenreichen Eindrücken aus der Spreemetropole gewidmet. An dieser Stelle ein  „Danke!“ an Ursula Proksch (Fotostrecke), die die Exkursion mit der Kamera begleitet hat, Nora Moritz und Julia Goldmann für ihren Videobeitrag sowie Julia Demel und Claudia Schmidt für ihre Textbeiträge!

Einen Rückblick über eine spannende Lehrveranstaltung von Gastprofessorin Barbara O’Connor, Senior Lecturer am Department of Communication der Dublin City, gibt Eva Kraxberger in “Circuit of (Pop-)Culture. Wo Mode und Skulpturen beim Poetry Slam im off-space aufeinander treffen“. Und sicher nicht gescheitert sind die Kurator_innen der eindrucksvollen Ausstellung „Über das Scheitern“, die im Rahmen der gleichnamigen Lehrveranstaltung im Sommer 2013 realisiert worden ist. Katrin Galler lässt Helmi Vents „Lebenskünstler“ Revue passieren und Sandra Bernhofer sowie Katrin Petter geben uns Einblicke in die Veranstaltungsreihen „Artist Talk“ sowie subnetTALK.

Im Sommer ging es diesmal wieder „heiß her“ in Salzburg: Unsere NOTEs blicken auch dieses Jahr*1 *(1) auf die Sommerakademie Salzburg („This is how it happened“ von Ksenija Pantelic) sowie die Sommerszene im republic, erstmals unter Intendanz von Angela Glechner („You are here“ von Julia Jung) zurück. Mit der „Jedermannbühne“ hat heuer erstmals ein neues Format des künstlerischen Talente-Scoutings Einzug in die Festspielstadt genommen. Julia Jung war vor Ort mit dabei.

Doch der Sommer ist nun endgültig zu Ende, sodass wir noch einen Ausblick auf das kommende Wintersemester, auf das wir uns sehr freuen, geben möchten: Ausgesprochen spannende, aufmischende und berührende Vorträge verspricht die von Elke Zobl in Kooperation mit Rosa Reitsamer konzipierte Vorlesungsreihe „Artistic Interventions I“. Mit Perspektive auf anti-rassistische und feministische Perspektive geben das in dieser Ausgabe bereits vorgestellte AntikultiAtelier, migrantas, Klub 2, Ljubomir Bratic, Marina Gržinić, Emma Hedditch, microsillons, Ka Schmitz, Hansel Sato und trafo K Einblick in ihre Visionen und Intentionen, die (nur) als kollaborative und selbstorganisierte Praxen umgesetzt werden (können). Und diese Praxen können nicht nur in den die Vortragsreihe begleitenden Workshops erprobt, sondern auch in der aufbauenden, gleichnamigen Übung im Rahmen einer Projektentwicklung realisiert werden. Zu Gast am Studienschwerpunkt ist diesmal auch Martin Lücke, Professor für Kulturmanagement an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation Berlin, der in „Kunst und Kultur ermöglichen“ rechtliches, politisches und finanzielles Wissen anwendungsorientiert vermitteln wird. Nachdem die Tageszeitung, die Presse in 12/2012 „Berliner Chic für Wien“ verspricht, sehen Julia Jung und ich es als unsere Aufgabe an, dieser Behauptung im kommenden Semester in „Hot Spot: Wien“ gemeinsam mit den Studierenden nachzugehen und die östereichische (Kunst-)Metropole zu inspizieren. Wer an der einen oder anderen Lehrveranstaltungen nicht teilnehmen kann, dem sei an dieser Stelle auch unsere Facebook-Seite empfohlen, die laufend über Aktivitäten und Gastvorträge informiert und zur Diskussion einlädt.

Mein Dank gilt abschließend einerseits allen Autor_innen, die GO PUBLIC! mitgestaltet haben, anderseits unserem stets engagiertem Redaktionsteam: Denn ohne Roswitha Gabriels grandioses Lektoratsauge und ihren unermüdlicher Einsatz, alle Texte in ein Onlineformat zu gießen und Bildunterschriften zu recherchieren sowie ohne Julia Jungs stete Unterstützung in der Transkription von Interviews und unterstützende Organisation wäre diese Ausgabe nicht (rechtzeitig) fertig geworden.

Viel Vergnügen beim Rein-, Quer- und nochmals Lesen!

Herzlichst Siglinde Lang

Koordinatorin der Ausgabe #3 GO PUBLIC!

 

Siglinde Lang ( 2013): GO PUBLIC! Kunst, Kommunikation und Öffentlichkeit. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/go-public-kunst-kommunikation-und-offentlichkeit/