Interview: Maximilian Engelmann

„Unkonventionell, kooperativ, durchdacht – Kommunikationsarbeit an der SCHIRN ist das Zusammenspiel zahlreicher Einzelinitiativen“

Die SCHIRN Kunsthalle gilt seit mittlerweile über zehn Jahren als eines der renommiertesten Kunsthäuser moderner und zeitgenössischer Kunst in Deutschland. Mit etwa zehn bis zwölf Ausstellungen jährlich, von denen jeweils zwei bis drei als „Blockbuster“ mit einer Besuchererwartung von über 100.000 konzipiert sind, werden Besucherzahlen von etwa 280.000 bis 350.000 pro Jahr angepeilt und erreicht (siehe dazu auch Informationen zur MUNCH-Ausstellung als pdf). Maximilian Engelmann, Marketingmitarbeiter der SCHIRN Kunsthalle, gibt im Gespräch Einblicke über die Erfolgskriterien in der öffentlichen Kommunikationsarbeit.

Zahlreiche Publikationen und Artikeln sind bereits über das – erfolgreiche – Marketing bzw. die Kommunikationsarbeit der SCHIRN erschienen. Was sind die generellen Erfolgsfaktoren eurer Aktivitäten?

Das Marketing der SCHIRN ist nach wie vor eng mit der Person Max Hollein verbunden, der diese 2001 übernommen hat und für modernes Marketing stand und steht. Denn er hat Öffentlichkeit, Kultur und Wirtschaft auf eine komplett neue, aber sehr umfassende Weise zusammengebracht bzw. aus diesem Dreieck heraus unkonventionelle Ansätze entwickelt. Er brachte auch einen neuen Zugang zu den BewohnerInnen der Stadt und die direkte Ansprache an diese mit. Das hat nach wie vor seine Gültigkeit. Als wesentlichen Faktor sehe ich aber auch das Budget an: In den ersten Jahren ist viel an Aufbauarbeit erfolgt. Heute sind wir – im Gegensatz zu anderen Häusern – bereit, laufend in die Kommunikationsarbeit zu investieren. Damit können wir viel mehr in der Wirkung nach außen ermöglichen, vor allem auch bezüglich Wirtschaftskooperationen und Gegengeschäfte: Denn wer rund um große Ausstellungen nicht sehr präsent ist, kann kaum erwarten, von großen Unternehmen unterstützt zu werden. Denn diese brauchen eine große (weit reichende) Präsenz, um ihr Engagement zu legitimieren. Ich sehe das jedoch eindeutig als gegenseitige Win-to-Win-Situation an. Denn es ist oft auch erstaunlich, was sich nach ersten Gesprächen oder auch ersten Kooperationen, aus dem ursprünglich angedachten Plan noch alles ergeben kann. Hier wird einiges an Kreativität oft erst durch die Gespräche mit externen Partnern, auch aus der Wirtschaft, freigesetzt. Vielfältige Kooperationen werden generell immer wesentlicher für uns, denn sie erschließen uns Kommunikationskanäle, an die wir sonst gar nicht rankommen würden.

Darüber hinaus haben wir den Anspruch durch möglichst große Kreativität aufzufallen und auch überraschende Aktionen, die man so eben noch nicht gesehen hat, zu bieten – wie zum Beispiel unser Film zu „Surreale Dinge“. So ein Film repräsentiert dann für ein oder zwei Jahre eine gesamte Kampagne, die sonst eigentlich relativ klassisch war. Diese eine auffallende Aktion bleibt in Erinnerung und hat enorme Strahlkraft. Oft ist es aber auch so, dass richtig gutes Marketing öffentlich nicht so sichtbar ist und nicht unbedingt aus Highlights, sondern aus einem guten Zusammenspiel lauter wohl überlegter Aktionen besteht. Diese machen dann miteinander ein Ereignis groß. Andere Häuser, oder auch generell die Kunstszene, kopieren ja mittlerweile die Inszenierung eines einzelnen Marketingstrangs der SCHIRN. Oft ist derzeit daher eher das unsichtbare Marketing im Hintergrund unser zentrales Konzept. Wir bauen wie etwa bei der Munch-Ausstellung 2012 (Link pdf) auf ein sehr durchdachtes Zusammenspiel von zahlreichen Einzelinitiativen.

Gibt es weitere Erfolgsfaktoren?

Generell können in etwa folgende Kriterien, eher als interne Einstellung, als Vorgaben für unser Marketing zusammengefasst werden: Erstens die „Guerilla Attitüde“ d.h. die Kunst, mit unkonventionellen Mitteln Menschen zu faszinieren. Eine Begeisterung wird von einer kleinen Gruppe ausgelöst und dann von zahlreichen angesteckten Personen weitergetragen. Dann besteht unser Anspruch, stets Aufmerksamkeit zu erzielen. Das umfasst z.B. die Generierung von starken Bildern. Ein weiteres zentrales Kriterium ist die Integration von Partnern in das jeweilige Konzept. Wir verstehen diese Integration als weit reichenden Vermittlungsauftrag. Und dann drückt sich so etwas wie Innovation vor allem – in den wie wir es nennen – „Einzelmeistern“ aus. Das wäre z.B. der angesprochene Film zu „Surreale Dinge“, der ein verrücktes, ausgefallenes Projekt im Rahmen einer Kampagne darstellt. Jedoch ist, wie gesagt, die Summe von vielen gut zusammengefügten und aufeinander abgestimmten Aktionen für erfolgreiches Marketing verantwortlich.

Maximilian Engelmann, Siglinde Lang ( 2013): Interview: Maximilian Engelmann. „Unkonventionell, kooperativ, durchdacht – Kommunikationsarbeit an der SCHIRN ist das Zusammenspiel zahlreicher Einzelinitiativen“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/unkonventionell-kooperativ-durchdacht-kommunikationsarbeit-an-der-schirn-ist-das-zusammenspiel-zahlreicher-einzelinitiativen/