HipHop Linguistics, Street Culture und Ghetto-Männlichkeit
Zur Bedeutung von postmigrantischem HipHop in Österreich
Fazit
Am Beispiel der HipHopper der zweiten Generation türkischer MigrantInnen in Österreich diskutierten wir in diesem Artikel, wie postmigrantische männliche Musikschaffende die global zirkulierende HipHop-Kultur in den lokalen Raum übersetzen und einen „dritten Raum“ mit ihrer translokalen kulturellen Praxis hervorbringen. Diese Praxis der HipHopper verweist auf das Spannungsverhältnis von Rassismuserfahrungen, hegemonialen Migrationsdiskursen und Repräsentationen von MigrantInnen einerseits und die Versuche einer selbstbestimmten räumlichen Verortung und identitären Selbstdefinition andererseits. Unsere Ausführungen zeigten, dass sich die Produktion eines „dritten Raums“ als einer dieser Versuche verstehen lässt, weil dieser „dritte Raum“ es den HipHoppern erlaubt, die dominante Vorstellung von PostmigrantInnen als „zerrissene Generation“ zurückzuweisen. Die HipHopper nehmen durch die Entwicklung einer lokalisierten Variante der HipHop Linguistics, die Identifikation mit einem Wiener Bezirk und die Inszenierung einer „Ghetto-Männlichkeit“ eine gesellschaftliche Position ein, die eine Thematisierung hegemonialer Diskurse sowie die Einübung männlicher Verhaltensmuster und die Akkumulation von Wissen ermöglicht.
Gleichzeitig werden in einigen Rap-Songs und -Videos sexistische, misogyne und homophobe Einstellungen glorifiziert und die postmigrantischen HipHopper stilisieren sich als potenziell gewaltbereite junge Männer. Diese visuellen und sprachlichen Inszenierungen einer „Ghetto-Männlichkeit“, wie etwa im Video zu Balkanaken von Platinum Tongue und Mevlut Khan, zogen die Aufmerksamkeit einzelner österreichischer Medien und rechtspopulistischer Politiker auf sich mit dem Ergebnis, dass Zeitungsberichte wie „Sogenannte ,Gangsta Rapper‘ aus dem Ausländermilieu sind Gefahr für unsere Jugend“ (vgl. APA OTS-Presseaussendung 2008) (* 3 ) für eine Neuauflage der „moral panic“ (Cohen 2004) (* 7 ) sorgten, in deren Mittelpunkt die migrantische Herkunft der Rapper steht.
Im Unterschied zu diesen medialen und politischen Diskursen, die den Lebensalltag der postmigrantischen Generation in Österreich ignorieren, verstehen wir die Übersetzung des Gangsta- und Street-Rap in den lokalen Raum und die Darstellung einer „Ghetto-Männlichkeit“ als eine – wenngleich ambivalente – Auseinandersetzung mit der „Dominanzkultur“ (Rommelspacher 1995) (* 23 ) der österreichischen Mehrheitsgesellschaft und ihrer hegemonialen Werte und weniger als einen pathologischen Standpunkt gewaltbereiter postmigrantischer HipHopper (vgl. hooks 1994) (* 14 ). Denn die zentrale Frage, die sich letztlich stellt, ist, wie die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Rechten zwischen MigrantInnen und MehrheitsösterreicherInnen und die daraus resultierenden ungleich verteilten Möglichkeiten zur ökonomischen, sozialen und kulturellen Teilhabe an unserer Gesellschaft aufgehoben werden kann.
Wir danken iBos, Esref Balkan und Nasihat Kartal für die Interviews.
This research has been supported as part of the „Popular Music Heritage, Cultural Memory and Cultural Identity“ (POPID) project by the HERA Joint Research Programme (www.heranet.info) which is co-funded by AHRC, AKA, DASTI, ETF, FNR, FWF, HAZU, IRCHSS, MHEST, NWO, RANNIS, RCN, VR and The European Community FP7 2007-2013, under the Socio-economic Sciences and Humanities programme.
Rosa Reitsamer, Rainer Prokop ( 2013): HipHop Linguistics, Street Culture und Ghetto-Männlichkeit. Zur Bedeutung von postmigrantischem HipHop in Österreich. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/hiphop-linguistics-street-culture-und-ghetto-mannlichkeit/