Die anscheinend zeitlose Debatte über „politische Kunst“ ist 2012 wieder verstärkt aufgeflammt. Im Zuge der documenta 13 ließ sich Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev mit dem Statement zitieren: „Bitte ‚keine explizit politische Kunst!“.*1 *( 1 ) (* 3 ) Zuvor erregte die laut Presse „gescheiterte“ Berlin-Biennale 2012 Aufsehen – kuratiert von Artur Żmijewski –, für deren „aktivistisches“ Konzept von offizieller Seite erklärt wurde: „Alles, was keine Politik ist, ist keine Kunst, sondern nur eine tote Vogelscheuche, gefüllt mit Scheiße und Reflexion.“*2 *( 2 )
(* 54 )
Wie dem auch sei, im Kunstfeld wird in den letzten Jahren allgemein eine Rückkehr zum Politischen beobachtet. Selbst die des Politaktivismus unverdächtige art bemerkt eine „Wiederentdeckung politischer Kunst“ (Schwerfel 2012: 74) (* 58 ). Und wirklich: Kaum eine größere Ausstellung kommt heute ohne eine „kritische“, „dokumentarische“ oder „realistische“ Dimension aus, andererseits sind Demonstrationen, ob einst in Heiligendamm oder bei einem „Slutwalk“, oft kreative Kleinkunst-Inszenierungen, die an den Karneval der Kulturen oder die Loveparade erinnern.*3 *( 3 )
(* 46 ) Angenommen, wir hätten es also mit einer neuen Wechselbeziehung von Kunst und politischem Aktivismus zu tun, wofür manches spricht – bekanntermaßen kann heute ja alles Kunst sein, und umgekehrt sind auch alle gesellschaftlichen Praktiken irgendwie als „politisch“ lesbar, insbesondere selbstverständlich kulturelle Produktionen: Wozu aber soll es überhaupt gut sein, wenn politischer Aktivismus, on- und offline, zunehmend nach künstlerischen Weihen strebt? Dieser leicht ketzerischen Frage möchte ich hier nachgehen.