(Wann) Soll politischer Aktivismus als Kunst anerkannt werden?

Ein Herausstellen der „Option Kunst“ in der Perspektive des Aktivismus ist freilich zumindest insofern naiv, als die Implikation natürlich falsch ist, es sei die freie Entscheidung einer Gruppe von AktivistInnen, auf diese Karte zu setzen oder nicht. Natürlich ist das nicht so. Denn: Wer anerkennt etwas als Kunst? Die Antwort muss wohl mit Fischer-Lichte u.v.a. lauten: die Institution Kunst, und nichts anderes  (Fischer-Lichte 2004: 352)star (* 22 ) – es sind die „Hohepriester“ des Kunstsystems, d.h. ein hochkomplexes soziales Netzwerk aus Institutionen und Einzelpersonen wie anderen KünstlerInnen, KritikerInnen, KunstwissenschaftlerInnen, Kunstzeitschriften, GaleristInneen, JurorInnen, die über Vergabe von Stipendien entscheiden, HochschulprofessorInnen, KuratorInnen, Museen, GaleristInnen, KunstsammlerInnen, Mäzene in ihrer kommunikativen Interaktion u.v.a.m. unter teilweise verzerrender Verstärkungswirkung der Medien.*10 *( 10 ) Zweifellos wird also, was „von unten“ auf der Straße oder im Netz über Praktiken des „cultural activism“ an kultureller Produktion vonstatten geht, nicht über die ästhetische Strahlkraft des auratisch gedachten „Werks“ automatisch Kunst werden. Damit etwas als solche gelten kann, braucht es im Minimum eine „Kunstidentifikation“, wie Arthur C. Danto gezeigt hat (Danto 1991: 193ff)star (* 15 ): RezipientInnen (nicht alle, aber doch wenigstens einige, im Kunstsystem einflussreiche …) müssen erkennen, dass es sich bei dem, womit sie hier konfrontiert sind, um Kunst handelt. Die Erfahrungen hunderttausender AbsolventInnen von Kunsthochschulen mit dem Berufsziel freier Künstler verdeutlichen schlagend, dass diese Reaktion des Publikums nicht zu steuern ist. Ohne das hier vertiefen zu können: Selbstverständlich ist die Auszeichnung, dass das, was man da tut, Kunst ist, letzten Endes immer eine willkürliche kommunikative Auszeichnung eines ganz besonderen sozialen Systems: des Kunstsystems, das seiner Binnenlogik nach überhaupt nicht demokratisch-egalitär, sondern höchst elitär strukturiert ist. Deshalb lässt sich der Kunstcharakter des eigenen Tuns durch die AktivistInnen selbst weder erzwingen noch (wie zuletzt beispielsweise im Fall der net.art oder von Teilen der Street-Art-Bewegung) verweigern. Derartiges zu versuchen, ist müßig – nur in Einzelfällen wird Kunst zum „Ort politischer Ermächtigung und Selbstermächtigung“ (Diederichsoen 2000: 80)star (* 17 ) werden können.

Neben diesem zentralen Punkt – dass es gar nicht immer und in jedem Fall eine Option ist, aus dem Aktivismus heraus für eigene zeichenhafte Hervorbringungen und Handlungen Kunststatus zu reklamieren –, sprechen noch weitere Argumente gegen politische Kunst, aber es sind nun ganz andere, als die oben mit Marcuse oder Rancière und zuletzt auch Jean-Luc Nancy hervorgehobenen ästhetischen.*11 *( 11 )star (* 4 )star (* 47 )

Zunächst ist Kunst eine ernsthafte Sache, die das ganze Leben des Kunstschaffenden bestimmt; sie lässt tendenziell keinen Platz für etwas anderes (für die politische Arbeit). Auch wenn wir inzwischen glücklicherweise gelernt haben, Künstlerklischees etwas tiefer zu hängen, so ist doch ein Körnchen Wahrheit an Ideen wie der vom lebenslangen Ringen mit der Form, vom oft bitteren Kampf mit dem Material oder der vom Narzissmus eines Besonders-Seins als der dahinter stehenden Motivation, sich selbst und oft genug auch das Leben Nahestehender für diese Dinge auszubeuten, oder der von der notwendigen Einsamkeit, oft sogar Verzweiflung an der Welt, die das immerzu innerliche Reich kreativen Schaffens erzwingt, usw. All dies sind einem erfolgreichen politischen Aktivismus nicht gerade günstige Eigenheiten, und die historischen, oft bitteren Erfahrungen mit der spezifischen Gruppendynamik von Künstlergruppen oder -kollektiven, gleich ob zeitgenössischen oder einst im Konstruktivismus, Surrealismus, Situationismus oder Fluxus, wollen nicht recht zum Modell für erfolgreichen Aktivismus taugen, wie auch die herrschende Vorstellung künstlerischer Autorschaft bis heute einer Demokratisierung harrt.

Weiter ist es kein Geheimnis, dass das Meiste, was in den letzten 30 Jahren an politischer Kunst gemacht wurde, Nischenkunst blieb; man denke an die „radikale Krüppelbewegung“ (mit dem Bild der Aneignung der Krücke als Knüppel), an das „Sozialistische Patientenkollektiv“ (SPK) welche Krankheit als Protest (bzw. Waffe) gegen den Kapitalismus formulierte oder die Organisierung von anarchistischen „Outcast Nights“, an Off-Gruppen wie „Mietersolidarität“, „Büro Olympia“ oder die „Rote Zelle Kunst“ in Düsseldorf (Lorenz 1993: 8ff)star (* 33 ). Man wird sogar zugestehen müssen: An reiner kommunikativer Wirksamkeit ist das, was in populärer Street-Art, auf vielbesuchten kritischen Websites, in den Netzwerken politischer AktivistInnen, auf Demonstrationen usw. an Zeichen produziert wird, politischer Kunst selbst noch auf Biennale-Ebene zumindest nicht unterlegen; von vorneherein kunstferne, kollektive Formen des politischen Aktivismus, sei es in Form klassischer Montags-Demonstrationen oder zuletzt auch Wikileaks, der Occupy-Bewegung oder zeitweise des (politisch diffusen) Anonymous sind in dieser Hinsicht sicher nicht weniger wirksam; andere Künste, etwa der Film oder die Literatur, bieten politischer Kunst diesbezüglich etwas bessere Voraussetzungen.*12 *( 12 ) Entsprechend könnte man (zu kurz) schließen: „Die letzten Jahre haben ein Wiedererstarken radikaler Formen von Kritik hervorgebracht, vor denen die […] Manöver von [Kunst-]Kritik und Kunst leicht marginal bis vernachlässigbar erscheinen mögen.“ (Draxler 2007: 167)star (* 20 )*13 *( 13 )

Vor allem aber lässt sich politischer Kunst ein überkommener Begriff der Öffentlichkeit vorhalten, den sie der Ideenwelt des mittleren 18. Jahrhunderts entnimmt und selbige bequemerweise im Stile von Stadtverwaltungen bereits als gegeben setzt, wenn Dinge eben „veröffentlicht“, also irgendwo aufgeführt oder ausgestellt werden. Deleuze notiert treffend: „Der Künstler kann nicht anders, als an ein Volk appellieren, er braucht es im tiefsten Inneren seines Unternehmens, er muss und kann es nicht schaffen. Die Kunst ist das Widerständige: sie widersteht dem Tod, der Knechtschaft, der Schändlichkeit […]. Aber das Volk kann sich nicht mit Kunst beschäftigen. […] Wenn ein Volk entsteht, so erschafft es sich mit seinen eigenen Mitteln, aber dabei trifft es sich mit irgend etwas von der Kunst …“ (Deleuze 199: 149)star (* 16 ). Programmatisch hieß es in den 1990ern beispielsweise im künstlerischen Aktivismus: „Betrachtet man die Ausübung von Kunst als eine Art Freistellung von anderer produktiver Tätigkeit, so kann auch die Beschäftigung mit nicht-geldwerter Information zu ihren selbst gewählten Aufgaben gehören. Information in den Medien hat stets eine bestimme Qualität […]. Andere Qualitäten (deren Merkmale, Dauer, Quelle, Inhalt usf.) werden ausgeschlossen. Die Einbindung nicht-geldwerter Information schafft ein Nebeneinander von verschiedenartigem (nicht vom Markt sanktioniertem) Wissen und macht […] verdeckte Interessen erst sichtbar“ (BüroBert 1993: 68)star (* 12 ).

Doch bleibt eine solche, bei politischen KünstlerInnen noch immer sehr beliebte Strategie der „Gegeninformation“ von der erwartbaren kommunikativen Reichweite her gesehen arg limitiert und oft genug preaching to the converted. Überhaupt sind die Events zeitgenössischer Kunst keine Massenveranstaltungen. Insofern müssen die derartig kritische Kunst Hervorbringenden sich schon fragen, ob der direkte Weg nicht manchmal der bessere wäre, etwa in Gestalt der „Reflexion, warum überhaupt ein Kunstanspruch erhoben wird, und nicht gleich Pop, Politik oder sonst etwas gemacht wird. Fällt dieser […] oft vorschnell als reaktionär abgekanzelte Schritt weg, wird es meist […] ganz trist da draußen, im weiten Feld der politischen Kunst“ (Draxler 2007: 54)star (* 20 ). Dies nimmt der kunstferne Aktivismus ernst, indem er „die Straße“ nutzt und Poster, Sticker, Flugblätter, T-Shirts oder das Internet als Medien wählt. Medientheoretisch betrachtet, ist dies sicher die richtige Strategie: „Es scheint, als bewiesen […] die radikalen Ansätze der ‚cultural activists‘, indem sie den Kanal als integrativen Aspekt des Werkes begreifen, das weiter reichende Bewusstsein.“ (Müller-Pohle 1995: 93)star (* 43 ) – Wobei es hier die Mannigfaltigkeit der Aktivismen aus der Multitude ist, die über Zeit Wirkung zeigt, wenn sich auch, verglichen mit der Macht der Medienkonzerne, derartige Versuche auf den ersten Blick immer ein wenig verzweifelt  ausnehmen. Der Preis aber ist fast immer die Opferung des Kunstanspruchs, denn es sind nur ganz seltene Fälle, wo beides der Fall sein kann: Off-Kunst, die den ästhetischen Ansprüchen etwa eines Nancy genügt, und politische Wirksamkeit.*14 *( 14 )star (* 17 )star (* 55 )

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Christov-Bakargiev sagt: „Ich mag auch keine allzu direkte, explizit inhaltliche politische Kunst. Manchmal laufen dann all diese reichen Leute durch und sagen sich: Was bin ich cool! Und sie predigt oft nur zu den Bekehrten.“

„… das erklären in schönster Deutlichkeit die beiden assoziierten Kuratoren […] Oleg Worotnikow und Natalia Sokol.“

Die taz fragt: „Sich nackt auszuziehen, lauter Techno und Konfetti sind mittlerweile Standard auf vielen Demos. Ist das noch Politik?“

Gleichzeitig gibt es immer auch die affirmative politische Geste, sich (kritische) Kunst einzuverleiben …

Vgl.: „Die notwendige These, dass die Kunst ein Faktor der Veränderung der Welt ist und sein muss, kann leicht in ihr Gegenteil umschlagen, wenn der Abstand zwischen Kunst und radikaler Praxis eingeebnet wird, wenn der Kunst nicht ihr eigener Raum, ihre eigene Dimension der Veränderung gelassen wird.“ (ebd. 219).

Die Formulierungen dort bereits im Klappentext.

Diese (bürgerliche) Argumentation findet sich in Schillers Briefen zur ästhetischen Erziehung, wenn er über das Spiel schreibt; vgl. Schiller 1975: 315ff.

Dazu auch Strauß 2010: 251ff.

Etwas präziser Hartle 2004 (o. S.): „Die besondere Leistung der ästhetischen Theorie Badious ist ihre dynamische Verhältnisbestimmung von Einzelwerk und allgemeinem Werkprozess. Für Badiou steht fest, dass auch der ästhetische Prozess generisch und also die Wahrheit der Kunst eine kommende Wahrheit ist. Deswegen aber kann die Wahrheit der Kunst nicht in bereits realisierten Einzelwerken aufgespeichert sein. […] Das Werk ist keine Wahrheit, es ist ein Augenblick im Wahrheitsprozess, der einen Unterschied zugleich eröffnet und darstellt. […]  Dieser differentielle Augenblick tritt als das Movens der ästhetischen Wahrheit auf.“

Ausführlich: „Auch wenn die Künstler daran arbeiten, die Grenzen zwischen Kunst und Leben, zwischen dem Ästhetischen und dem Sozialen, Politischen, Ethischen […] zu annullieren, vermögen […] [sie] wohl, auf die Autonomie von Kunst zu reflektieren, nicht aber sie aufzuheben. Denn diese wird durch die Institution Kunst garantiert. Jede […] auf Zerschlagung der Institution Kunst zielende Aktion findet gleichwohl im Rahmen der Institution Kunst statt und stößt damit an ihre Grenzen.“

Für Nancy, dessen Kunsttheorie ganz auf den Körper fokussiert, tritt die etwaige Intention des Künstlers grundsätzlich hinter den offenen Prozess des Schaffens zurück. Zwar bliebe eine „Letztursache“ des Werks bestehen, „ein ‚Modell’, wenn man so möchte, oder eine ‚Idee’ im Sinne einer regulativen Idee“, aber im Mittelpunkt steht allein „die Formation als die Wirksamkeit, die Wahrheit und der Sinn der Form, die sich formt, gedacht wird, als die Kraft und die Spannung ihres Sich-Formens“. Programmatisch fordert er, „das Moment der Spannung [tension] – und nicht das der Intention! – in der Kunst, ja sogar als Kunst zu privilegieren, sozusagen das Moment der formenden Kraft mehr als das des geformten Werks, und das Moment der begehrenden Lust mehr als das der gestillten Lust“. Was politische Kunst anbelangt, korrigiert er dementsprechend Ai Weiweis Satz, auch politischer Widerstand sei Kunst, entschieden: „Die Revolution ist nicht künstlerisch, aber die Kunst kann revolutionär sein.“ Zitiert nach Arend 2012b.

Das wäre nichts Neues: Selbst Picassos Guernica ist ein Epoche machendes politisches Gemälde, aber Chaplins Der große Diktator ist kommunikativ zweifelsohne wirksamer gewesen.

Natürlich ist das auch nicht Draxlers Position …

Vgl. zu Nancys Ansprüchen z.B. Nancy 2007: 19 und 100ff; 2010: 56ff. Freilich muss gegen dieses Argument eingewendet werden: Kunst als Kunst, nicht als Aktivismus, ging es nie darum, alle zu erreichen, sie weiß zudem darum, „dass das ästhetische Wir, auf das jedes ästhetische Urteil zielt, konstitutiv umstritten ist“. In kritischer Intention muss es sogar im Gegenteil darum zu tun sein, Kunst aus „dem Missverständnis einer bürgerlichen Selbstverständigungsfloskel“, Kunst sei für alle, zu befreien. Denn wohl nur diese Exklusivität „sorgt dafür, dass […] die Kunst noch immer ein eigenes Gebiet markieren kann […], der einzige gesellschaftlich garantierte Bereich, in dem ich noch bereit bin, mir die Stimme anzuhören, die normalerweise zu schwach ist“.

Wenig hilfreich ist dabei, dass in der zeitgenössischen Kunsttheorie im Gegensatz zu den Politikwissenschaften eine emphatisch-normative Aufladung des Begriffs des Politischen dominiert (ein abgehobener ontologischer Begriff, der mit der Wirklichkeit, wie politische AktivistInnen sie erleben, wenig zu tun hat, etwa bei Agamben 2000: 100 „… das menschliche Leben politisiert sich nur durch das Überlassensein an eine unbedingte Macht über den Tod“). Für Badiou beispielsweise ist Politik wie erwähnt ein „Wahrheitsverfahren“, für Rancière ist Politik nur die „Einrichtung eines Anteils der Anteilslosen“ (Rancière, Jacques (2002): Das Unvernehmen. Politik und Philosophie. Aus dem Französischen von Richard Steurer. Frankfurt am Main, S.26f). Kurz: „Politik“ ist das Streben nach Gleichheit. Nancy wiederum nennt, was bei Rancière „Polizei“ heißt, wieder klassisch Politik, hebt davon aber „das Politische“ ab …

Es ist schlicht falsch, wenn Rancière 2008: 77 schreibt: „Denn bevor Politik die Ausübung von Macht […] ist, ist sie Aufteilung eines spezifischen Raums ‚gemeinsamer Angelegenheiten‘ …“ Wie sollte man sich eine „Aufteilung des Sinnlichen“ anders denken denn als Effekt von Machtbeziehungen?

Jürgen Riethmüller ( 2013): (Wann) Soll politischer Aktivismus als Kunst anerkannt werden?. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/wann-soll-politischer-aktivismus-als-kunst-anerkannt-werden/