(Wann) Soll politischer Aktivismus als Kunst anerkannt werden?

Fassen wir das zusammen: Politischer Aktivismus als kollektive, direkte Aktion ist grundsätzlich frei von den Limitiertheiten, aber auch von den besonderen Möglichkeiten der Kunst. Insofern wird die eingangs gestellte Frage aus der Perspektive der AktivistInnen nicht selten eine solche taktischer oder strategischer Natur sein: Unter welchen Bedingungen sollte der Aktivismus sich den Regeln eines dem politischen Feld ganz fremden Systems unterwerfen, die beim Diktat einer Autorschaft, die vorhanden sein muss (wider die tatsächlich anonyme kollektive Aktion), nur beginnen? Antwort: Wenn es konkret Sinn zu machen scheint. Denn, wie Parmy Olson am Beispiel Anonymous herausarbeitet, könnte die gegenwärtige „Revolution des Aktivismus“ im Prinzip einer „Do-ocracy“ liegen, „also eine[r] Gemeinschaft, in der die Verantwortlichkeiten nicht bei gewählten Vertretern liegen, sondern bei den Personen, die sich ihre Aufgaben selbstständig aussuchen und handeln“, was selbstverständlich auch die Arbeit von KünstlerInnen einschließt (Olson 2012: 11)star (* 49 ). Ein nennenswertes Risiko ist mit einer solchen parasitären Nutzung der Institutionen des Kunstsystems jedenfalls nicht verbunden. Ganz pragmatisch geht es um Fördergelder, Sendelizenzen, Orte für Tagungen und Vorträge u.v.a.m., was sich am Rande des institutionalisierten Kunstsystems allemal besser erreichen lässt als außerhalb. Nicht zu vernachlässigen in Zeiten einer immer deutlicheren Renaissance der Klassengesellschaft ist auch die partielle Vernetzung ins Establishment, für welche das Kunstsystem noch immer eine der besten Brücken darstellt.

Voraussetzung hierfür ist allerdings ein profundes Verständnis des Raums, von dem man ausgeht, also ein adäquates Verständnis des Politischen (nicht nur eines der Kunst). Man wird also bedenken müssen, dass Politik vielleicht idealerweise Herrschaftsfreiheit, Gleichheit meinen sollte, es aber realistisch, im Positiven wie im Negativen, immer bloß um das soziale System geht, welches Machtverhältnisse institutionalisiert.*15 *( 15)star (* 1 ) Dieser diskursiv und institutionell verankerte kommunikative Komplex beschränkt sich nicht auf Amtsträger, Eliten und Machthaber, ist auch nicht „das System“ oder „Empire“, dem man von außen gegenübertreten kann wie Siegfried dem Drachen (oder Don Quijote den Windmühlen?), sondern im Hintergrund steht eine „Mikrophysik der Macht“ (Foucault), an der man immer auch selbst beteiligt ist: Denn es gibt keine Interaktion im Sozialen, an der nicht, meist unsichtbar, Macht beteiligt wäre als die Fähigkeit des einen, etwas unter Umständen zu tun oder zu unterlassen, was dem anderen nicht behagt, ohne dass der daran etwas ändern könnte, weil ihm die Macht dazu fehlt.*16 *( 16 )star (* 51 ) Pierre Bourdieu und andere haben gezeigt, dass sich die Akteure im sozialen Raum hierzu auf unterschiedliche „Kapitalformen“ stützen (deren „Währungen“ dann Dinge wie Besitz, Netzwerke, Wissen/Bildung, Beredsamkeit, glaubhafte Gewaltandrohung, körperliche Attraktivität u.v.a.m. wären). Deshalb ist Macht in konkreten Handlungssituationen fast immer ungleich verteilt: Bereits die liebevolle Beziehung der Mutter zum Kleinkind ist ein Fall (extremer) Machtasymmetrie. Das heißt, der Aggregatzustand der Politik ist Ungleichheit, und insofern muss unter demokratischen Verhältnissen das Ziel sein, diese nach Möglichkeit zu verringern; dazu aber muss laufend interveniert werden.

Um in diesem fundamentalen Sinn politisch wirksam sein zu können, müssen aktivistische Handlungen, ob in Kunstgestalt oder nicht, möglichst nahe an die machtbasierte Operationsweise des politischen Systems herankommen, das heißt, mit Niklas Luhmann gesagt, heran an die „Autopoiesis der Macht“ (Luhmann 2000: 90)star (* 34 ). Traditionell definierte man Politik als den Bereich der Gesellschaft, in dem die für alle verbindlichen Entscheidungen getroffen werden. Macht ist das Medium dieses Geschäfts. Folgt man Luhmanns Analyse, gilt für den zugehörigen „Code“ abstrakt (also für das, was eine Kommunikation zur diesbezüglich relevanten werden lässt): „Wie bei allen symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien hat auch der Machtcode die Form eines Präferenzcodes. Die positive Seite des Codes (=Machtüberlegenheit) wird präferiert, die negative (=Machtunterlegenheit) wird dispräferiert. […] Die positive Seite des Codes ist diejenige, auf der über den Machteinsatz, das heißt über die Operationen des Systems entschieden wird.“ Etwas genauer gelte: „In das Medium Macht ist […] eine Art Nullmethodik eingebaut. Nur so kann das Medium Universalität erreichen. So wie die Arithmetik eine Null benötigt, um eine Nichtzahl wie eine Zahl behandeln zu können, und so wie das Medium Geld den Kreditmechanismus der Zentralbank benötigt, der Geld gleichsam aus dem Nichts erzeugt und im Nichts wieder verschwinden lässt, so muss sich auch die Macht laufend auf etwas beziehen, was sie nicht tut, nicht […] will.“ (Luhmann 2000: 88 u. 46)star (* 34 )

Das politische Systems kennzeichnet, dass noch das widerständigste politaktivistische Agieren zu dessen Teil wird. Denn: Es ist nicht so, „dass ‚wir‘ […] einfach von der Macht unterdrückt werden, sondern diese […] ständig mit hervorbringen. Die Kritik und die von ihr motivierten widerständigen Praktiken stehen deshalb keinesfalls außerhalb der Macht“ (Draxler 2011: 202)star (* 19 ). Man kann also von folgender Grundsituation des Politischen ausgehen: „Macht setzt zunächst eine gegenläufige Struktur von gegebenen (normalen) Präferenzen voraus, nämlich: dass der Machthaber jemanden zu einer Tätigkeit bringen will, die dieser von sich aus nicht wählen würde. Deshalb wird eine zweite artifizielle Präferenzstruktur mit genauer Umkehrung daneben gesetzt. Es wird eine Alternative konstruiert, die der Machthaber nicht zu realisieren wünscht, die aber für ihn weniger unangenehm ist als für den Machtunterworfenen, etwa Ausübung physischer Gewalt, Bekanntgabe einer unangenehmen Information, Entlassung. Das Medium Macht funktioniert nur, wenn beide Seiten diese Vermeidungsalternative kennen und beide sie vermeiden wollen. Es funktioniert also nur auf der Basis einer Fiktion, einer nicht realisierten zweiten Realität. Mit einer Formulierung von Bernhard Willms […] kann man auch sagen: Es funktioniert nur dank der ‚Anwesenheit des Ausgeschlossenen‘. Auf dieser Anwesenheit des Ausgeschlossenen (oder in der Sprache Jacques Derridas: auf der Spur, die das Abwesende hinterlassen hat) beruhen alle Besonderheiten des Mediums Macht, vor allem seine Mystifizierbarkeit […] und heute vor allem: seine Legitimationsbedürftigkeit.“ (Draxler 2011: 47)star (* 19 )

Mit Foucault wird man von daher sehen, dass unter den Vorzeichen des Neoliberalismus die repressive Seite der Macht zwar nicht ihr sichtbares Gesicht ist, sondern gilt: „Wenn Macht früher über ein Spiel des Unterbindens und Zulassens codiert war, so scheint es heute – wenn auch nicht total und überall – zunehmend einen Typus von Macht zu geben, der nur zulässt und das Zugelassene – für sich – produktiv macht“ (Diederichsen 2000: 81)star (* 17 ). Aber zugleich schwingt die andere, restriktive Seite der Macht immer mit, einem Schatten gleich, und man muss nur am falschen Ort sein oder die falschen Papiere haben, um mit ihr konfrontiert zu sein. Im Hintergrund steht die Ambivalenz einer „Kontrollgesellschaft“ (Deleuze 1999: 254ff)star (* 16 ), deren biopolitische Fundierung ungebrochen ist. Dies meint mit Foucault ein spezielles „Ensemble von Macht- und Wissenstechniken“, für das zweierlei charakteristisch ist: „Zum einen zeichnet sich Biopolitik dadurch aus, dass sie sich auf das Leben bezieht, und zum anderen ist es die spezifische Weise dieses Bezugs, die die Biopolitik von anderen Machtformen unterscheidet, nämlich ihr wesentlich positiver und nicht repressiver Bezug auf das Leben.“ (Muhle/Thiele 2011: 11)star (* 45 ) Biopolitik ist also eine „Technik der Macht, die durch Förderung, Steigerung und Unterstützung des Lebens dasselbe regiert“, wobei bei Foucault kein „positiver“ Politikentwurf wie etwa bei Negris Adaption des Begriffs im Hintergrund steht; Krieg, Einsperrung oder sogar Völkermord sind durchaus auch „als biopolitische Techniken zu verstehen“ (Muhle/Thiele 2011: 11)star (* 45 ).

Diesen Tendenzen wäre bei einer Analyse Rechnung zu tragen. In jedem Fall gilt aus Sicht der AktivistInnen, dass die Macht als Medium des Politischen ein prinzipiell offener Möglichkeitsraum ist, und gerade an diesem Punkt bietet die Kunst einen wichtigen, oft genug den einzigen Weg einer Intervention. Denn, noch einmal, das Machtspiel „funktioniert […] auf der Basis einer Fiktion, einer nicht realisierten zweiten Realität“ (Luhmann 2000: 47)star (* 34 ). Damit befindet man sich auf dem ureigenen Feld der Kunst: dem der Fiktion; hier kann sie besser ansetzen als die „direkte Aktion“, die meist nur die eigene Machtunterlegenheit reproduzieren wird. Denn die Macht will beispielsweise ihre negative Alternative, die Machtdrohung, in der Regel nicht realisieren, will unsichtbar bleiben, in Luhmanns Worten: „Das Ausschließen des anwesenden Ausgeschlossenen erfordert laufende symbolische Anstrengungen. Die Polizei darf erscheinen, aber sie sollte nicht genötigt sein, zuzupacken. Gesteigerte Symbolizität […] bedeutet auch gesteigerte symbolische Empfindlichkeiten. Die Macht darf sich keine erkennbare Schlappe leisten, weil dies Konsequenzen hätte, die über den Einzelfall hinausgehen.“ (Luhmann 2000: 48)star (* 34 ) Diese Lücke nutzt der Aktivismus. Kunst aber kann noch etwas anderes, sie kann, ohne die Seite der Machtunterlegenheit verlassen zu müssen – und das ist ihre ganz besondere Kraft – das Ausgeschlossene jederzeit und in den drastischsten Farben sichtbar machen, und damit beispielsweise das verborgene Gesicht der Macht – die Gewalt. Folgt man Étienne Balibar, und erblickt in der Demokratie eine Mischung aus institutionalisierter Ordnung und Aufstand, erkennt, dass die Legitimation der Demokratie allein darauf fußt, dass sogar die sie legitimierenden Elemente jederzeit wieder entlegitimiert werden können und müssen (Balibar 2012: 9 u 171 f.)star (* 8 ), wird man also diese Seite: die des latenten Aufruhrs, auch und gerade auf symbolische Weise, etwa durch wirkmächtige Bilder des Unrechts, stärken. Das scheint mir das privilegierte Terrain der dokumentarischen Formen im Verständnis Rancières.

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Christov-Bakargiev sagt: „Ich mag auch keine allzu direkte, explizit inhaltliche politische Kunst. Manchmal laufen dann all diese reichen Leute durch und sagen sich: Was bin ich cool! Und sie predigt oft nur zu den Bekehrten.“

„… das erklären in schönster Deutlichkeit die beiden assoziierten Kuratoren […] Oleg Worotnikow und Natalia Sokol.“

Die taz fragt: „Sich nackt auszuziehen, lauter Techno und Konfetti sind mittlerweile Standard auf vielen Demos. Ist das noch Politik?“

Gleichzeitig gibt es immer auch die affirmative politische Geste, sich (kritische) Kunst einzuverleiben …

Vgl.: „Die notwendige These, dass die Kunst ein Faktor der Veränderung der Welt ist und sein muss, kann leicht in ihr Gegenteil umschlagen, wenn der Abstand zwischen Kunst und radikaler Praxis eingeebnet wird, wenn der Kunst nicht ihr eigener Raum, ihre eigene Dimension der Veränderung gelassen wird.“ (ebd. 219).

Die Formulierungen dort bereits im Klappentext.

Diese (bürgerliche) Argumentation findet sich in Schillers Briefen zur ästhetischen Erziehung, wenn er über das Spiel schreibt; vgl. Schiller 1975: 315ff.

Dazu auch Strauß 2010: 251ff.

Etwas präziser Hartle 2004 (o. S.): „Die besondere Leistung der ästhetischen Theorie Badious ist ihre dynamische Verhältnisbestimmung von Einzelwerk und allgemeinem Werkprozess. Für Badiou steht fest, dass auch der ästhetische Prozess generisch und also die Wahrheit der Kunst eine kommende Wahrheit ist. Deswegen aber kann die Wahrheit der Kunst nicht in bereits realisierten Einzelwerken aufgespeichert sein. […] Das Werk ist keine Wahrheit, es ist ein Augenblick im Wahrheitsprozess, der einen Unterschied zugleich eröffnet und darstellt. […]  Dieser differentielle Augenblick tritt als das Movens der ästhetischen Wahrheit auf.“

Ausführlich: „Auch wenn die Künstler daran arbeiten, die Grenzen zwischen Kunst und Leben, zwischen dem Ästhetischen und dem Sozialen, Politischen, Ethischen […] zu annullieren, vermögen […] [sie] wohl, auf die Autonomie von Kunst zu reflektieren, nicht aber sie aufzuheben. Denn diese wird durch die Institution Kunst garantiert. Jede […] auf Zerschlagung der Institution Kunst zielende Aktion findet gleichwohl im Rahmen der Institution Kunst statt und stößt damit an ihre Grenzen.“

Für Nancy, dessen Kunsttheorie ganz auf den Körper fokussiert, tritt die etwaige Intention des Künstlers grundsätzlich hinter den offenen Prozess des Schaffens zurück. Zwar bliebe eine „Letztursache“ des Werks bestehen, „ein ‚Modell’, wenn man so möchte, oder eine ‚Idee’ im Sinne einer regulativen Idee“, aber im Mittelpunkt steht allein „die Formation als die Wirksamkeit, die Wahrheit und der Sinn der Form, die sich formt, gedacht wird, als die Kraft und die Spannung ihres Sich-Formens“. Programmatisch fordert er, „das Moment der Spannung [tension] – und nicht das der Intention! – in der Kunst, ja sogar als Kunst zu privilegieren, sozusagen das Moment der formenden Kraft mehr als das des geformten Werks, und das Moment der begehrenden Lust mehr als das der gestillten Lust“. Was politische Kunst anbelangt, korrigiert er dementsprechend Ai Weiweis Satz, auch politischer Widerstand sei Kunst, entschieden: „Die Revolution ist nicht künstlerisch, aber die Kunst kann revolutionär sein.“ Zitiert nach Arend 2012b.

Das wäre nichts Neues: Selbst Picassos Guernica ist ein Epoche machendes politisches Gemälde, aber Chaplins Der große Diktator ist kommunikativ zweifelsohne wirksamer gewesen.

Natürlich ist das auch nicht Draxlers Position …

Vgl. zu Nancys Ansprüchen z.B. Nancy 2007: 19 und 100ff; 2010: 56ff. Freilich muss gegen dieses Argument eingewendet werden: Kunst als Kunst, nicht als Aktivismus, ging es nie darum, alle zu erreichen, sie weiß zudem darum, „dass das ästhetische Wir, auf das jedes ästhetische Urteil zielt, konstitutiv umstritten ist“. In kritischer Intention muss es sogar im Gegenteil darum zu tun sein, Kunst aus „dem Missverständnis einer bürgerlichen Selbstverständigungsfloskel“, Kunst sei für alle, zu befreien. Denn wohl nur diese Exklusivität „sorgt dafür, dass […] die Kunst noch immer ein eigenes Gebiet markieren kann […], der einzige gesellschaftlich garantierte Bereich, in dem ich noch bereit bin, mir die Stimme anzuhören, die normalerweise zu schwach ist“.

Wenig hilfreich ist dabei, dass in der zeitgenössischen Kunsttheorie im Gegensatz zu den Politikwissenschaften eine emphatisch-normative Aufladung des Begriffs des Politischen dominiert (ein abgehobener ontologischer Begriff, der mit der Wirklichkeit, wie politische AktivistInnen sie erleben, wenig zu tun hat, etwa bei Agamben 2000: 100 „… das menschliche Leben politisiert sich nur durch das Überlassensein an eine unbedingte Macht über den Tod“). Für Badiou beispielsweise ist Politik wie erwähnt ein „Wahrheitsverfahren“, für Rancière ist Politik nur die „Einrichtung eines Anteils der Anteilslosen“ (Rancière, Jacques (2002): Das Unvernehmen. Politik und Philosophie. Aus dem Französischen von Richard Steurer. Frankfurt am Main, S.26f). Kurz: „Politik“ ist das Streben nach Gleichheit. Nancy wiederum nennt, was bei Rancière „Polizei“ heißt, wieder klassisch Politik, hebt davon aber „das Politische“ ab …

Es ist schlicht falsch, wenn Rancière 2008: 77 schreibt: „Denn bevor Politik die Ausübung von Macht […] ist, ist sie Aufteilung eines spezifischen Raums ‚gemeinsamer Angelegenheiten‘ …“ Wie sollte man sich eine „Aufteilung des Sinnlichen“ anders denken denn als Effekt von Machtbeziehungen?

Jürgen Riethmüller ( 2013): (Wann) Soll politischer Aktivismus als Kunst anerkannt werden?. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/wann-soll-politischer-aktivismus-als-kunst-anerkannt-werden/