Jens Wunderling: Default to Public
Katharina Höllmüller
Meine künstlerische Referenz ist das Projekt Default to Public des Medienkünstlers Jens Wunderling. Wunderling interessiert sich dabei für die Tatsache, dass der virtuelle Raum und die reale Welt z.T. sehr unterschiedlich und widersprüchlich erlebt werden, da Öffentlichkeit in der Realität von vielen meist als „öffentlicher“ wahrgenommen wird als im Netz. Der Künstler entwickelte deshalb den sogenannten Tweetscreen, der Kurznachrichten, die im sozialen Netzwerk Twitter veröffentlicht wurden, auf Leinwände an öffentlichen Plätzen projizieren ließ (z.B. in Schaufenstern belebter Straßen oder auf einer Großleinwand im Stadtzentrum). Zusätzlich druckte der Tweetleak die „Tweets“ auf Papierstreifen, die von Menschen mitgenommen werden konnten. In beiden Fällen wurden die VerfasserInnen mit einem Foto von der Leinwand, auf der ihr Posting veröffentlicht wurde, und einer kurzen Information zum Projekt benachrichtigt. Mit dem Projekt machte Wunderling darauf aufmerksam, dass die Menschen die Kontrolle über die eigenen Daten im Netz, aber auch in der Realität verlieren, wenn nicht die entsprechenden Privatsphäre-Einstellungen im jeweiligen Social Network gewählt werden. Denn erst als die Twitter-Meldungen den virtuellen Raum verließen und sich in der realen Welt verbreiteten, machten sich viele der Betroffenen Gedanken darüber, wie sie sich im Netz verhalten und wie leichtfertig sie mit persönlichen Informationen umgingen. Als Reaktion auf das Projekt änderten viele die Privatsphäre-Einstellungen ihres Twitter-Accounts, sodass nicht mehr jeder uneingeschränkt auf persönliche Daten und Postings zugreifen konnte (vgl. Wunderling 2008) (* 4 ).
Burger King: Zehn Facebook-Freunde gegen einen Burger
Katharina Höllmüller
Ende 2008 startete der Fastfood-Konzern Burger King eine Kampagne, in der er seinen KundInnen einen Gratis-Burger (den „Angry Whopper“) versprach, wenn diese sich von zehn ihrer Facebook-Freunde trennten. Die UserInnen mussten dafür zuerst eine Applikation herunterladen und sodann die zehn FreundInnen aus ihrer Liste eliminieren. Nach vollzogener Tat schickte Burger King seinen KundInnen den Gutschein für einen Gratis-Burger nach Hause. Gleichzeitig erhielten die ehemaligen „Freunde“ über die Applikation die Benachrichtigung, dass ihnen die Freundschaft für einen Gratis-Burger aufgekündigt wurde. Die Aktion wurde dazu genutzt, das Web kosteneffizient zu nutzen und eine höhere Aufmerksamkeit zu erreichen. Denn in der Zeit, in der die NutzerInnen die zehn „ungeliebten“ Bekanntschaften auswählten, beschäftigten sie sich gleichzeitig mit der Marke Burger King. Der Burger war genauer betrachtet auch nicht einfach „gratis“: zwar bezahlten die Kunden nicht mit Geld, dafür aber mit ihren (Facebook)-Freunden. Bedenkt man, wie viel ein „Angry Whopper“ kostet (3,69 Dollar), so könnte man sagen, dass jeder Facebook-Freund umgerechnet rund 37 Cent wert sei. Obwohl die Kampagne Irritation auslöste, nahmen seit dem Start im Dezember 2008 bis Anfang Jänner 2009 rund 186.000 Facebook-Mitglieder an der Aktion teil (vgl. Zettel 2009: o.S.). (* 4 )
Jimmy Kimmel: National UnFriend Day
Katharina Höllmüller
Im November 2010 erklärte der Moderator Jimmy Kimmel in seiner gleichnamigen satirischen Late Night-Show Jimmy Kimmel Live! auf dem US-amerikanischen Fernsehsender ABC den 17. November zum „National UnFriend Day“. Kimmel zeigte in seiner Show verschiedene Beispiele von Facebook-NutzerInnen bzw. ihrer Profilseiten, die in Statusmeldungen Belanglosigkeiten (wie z.B. das Konsumieren von Getränken) mitteilten. Kimmel rief seine ZuschauerInnen am dritten „National UnFriend Day“ deshalb dazu auf, alle Kontakte, bei denen es sich um keine wahren Freunde handelt, zu entfreunden: „Most people have hundreds or thousands of ‚friends‘, but the fact is that most of these people aren’t your friends“ (Kimmel 2012: o.S.) (* 6 ). Kimmel stellte dabei auch verschiedene Typen von NutzerInnen vor, von denen sich die Zusehenden trennen sollten: u.a. der Typ „The Over-Sharer“, der sein ganzes Leben wie in einem Live-Blog dokumentiert oder der Typ „The Proud Parent“, also Eltern, die ihre FreundInnen über jedes Detail im Leben ihrer Sprösslinge auf dem Laufenden halten und private Fotos ihrer Kinder veröffentlichen (vgl. Wang 2012: o.S). (* 7 )
( 2013): Kunst & Social Media. Ausgewählte künstlerische Positionen zum Web 2.0. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/kunst-social-media/