Die politische Relevanz sozialer Kunst
Für die Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe hat sowohl Kunst eine politische Dimension als auch das Politische eine ästhetische Dimension, somit macht für sie eine Unterscheidung zwischen politischer und unpolitischer Kunst keinen Sinn:
“From the point of view of the theory of hegemony, artistic practices play a role in the constitution and maintenance of a given symbolic order, or in its challenging, and this is why they necessarily have a political dimension. The political, for its part, concerns the symbolic ordering of social relations, and this is where its aesthetic dimension resides. This is why I believe that it is not useful to make a distinction between political and non-political art.” (Mouffe 2013: 185) (*11)
Meines Erachtens sollte jedoch der Begriff „Politische Kunst“ nicht aufgeben werden. Er dient dazu, die unterschiedlichen Herangehensweisen und Umsetzungen künstlerischer Projekte/Werke, als politische oder unpolitische zu markieren. Die politische Dimension der sozialen Kunst zeigt sich etwa darin, dass sie mit ästhetischen Methoden konkret in soziale Verhältnisse interveniert und dadurch eine gegebene symbolische Ordnung durchbrechen kann. Im Gegensatz dazu findet man zahlreiche Kunstrichtungen, die dezidiert unpolitisch sind. Ihre Intention ist es nicht, in soziale Verhältnisse zu interveniere, oder partizipatorische und dialogische Prozesse zu initiieren. Auch wenn theoretisch jede Form der Kunstproduktion bis zu einem gewissen Grad politisch ist, denn auch scheinbar neutrale „unpolitische“ Kunst ist politisch, da sie den Status Quo stützt, zeigen sich in der Praxis gewaltige Unterschiede im Politikverständnis und in der politischen Relevanz. Die Antinomie lautet somit: Nicht alles ist „Politische Kunst“, auch wenn Kunst immer politisch ist.
Verfolgt man den Diskurs rund um Politische Kunst, dann wird deutlich, dass innerhalb dieser Kategorie vor allem zwei Formen von Kunst verhandelt werden, auf der einen Seite Kunst, die sich einem politischen System unterwirft ‑ das radikalste Beispiel wäre die Propaganda-Kunst des Nationalsozialismus. Auf der anderen Seite steht eine Kunst, die ungehorsam ist, da sie auf demokratischen Prinzipien, wie jenen der Gleichheit, Freiheit und/oder der Solidarität bzw. Wertschätzung von Differenz, basiert. Kunst, die sich dem politischen System unterwirft, sollte meines Erachtens der Begriff „Politische Kunst“ abgesprochen werden, da ihr ihre ästhetische Autonomie abhandenkommt und sie vielmehr zum Design der vorherrschenden Politik wird. Soziale Kunst fällt aus meiner Sicht viel eher in die Kategorie Politische Kunst, vor allem dann, wenn sie sich mittels ihrer Ästhetik autonom macht und dadurch eine spezifische künstlerische Widerständigkeit und Experimentalität entfaltet. Nur auf dieser Basis kann sie einen experimentellen „Aushandlungsraum“ für das Politische und Politik erschaffen, welcher sich von bereits bestehenden Kommunikationsräumen und dem positivistischen Ansatz des Social Designs in der Architektur unterscheidet.
Um diesen „Aushandlungsraum“ besser untersuchen zu können, ist ein Denken der „politischen Differenz“ hilfreich. Chantal Mouffee (2013: 9) (*11) definiert diese Differenz auf folgende Weise: „By ‘the political’, I refer to the ontological dimension of antagonism, and by ‘politics’ I mean the ensemble of practices and institutions whose aim is to organize human coexistence. These practices, however, always operate within a terrain of conflictuality informed by ‘the political’“. Die „politische Differenz“ unterscheidet Politik im Sinne „alltäglicher“ Politik von dem Politischen, das jenseits des tagespolitischen Handelns liegt. Durch die „politische Differenz“ werden grundsätzliche politische Spannungslagen beschreibbar, die sich dem Zugriff profanen politischen Entscheidens und pragmatischen Regierens entziehen.
Martin Krenn ( 2016): Das Politische in sozialer Kunst. Intervenieren in soziale Verhältnisse. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/das-politische-in-sozialer-kunst/