Gestaltung als Forschung
Kooperationspotenziale von Design-Based Research und Artistic Research am Beispiel des Projektes Kunst- und Kulturvermittlung im Brennpunkt
Artistic Research
An den letzten Ausführungen wird deutlich, wie sehr VertreterInnen des Design-Based Research in Hinblick auf die Weiterentwicklung eigener Herangehensweisen an einer intensiveren Berücksichtigung von Gestaltungs- und Kreativitätsprozessen interessiert sind. In dieser Aufgeschlossenheit besteht nach Meinung des Autors eine bedeutende Grundlage für eine Kooperation des DBR mit Artistic Research. In der Folge wird der Zugang kurz dargestellt, um anschließend einige Parallelen zum DBR-Ansatz, aber auch manche (mögliche) Spannungsverhältnisse herauszuarbeiten.
Begriffliche Eingrenzung
Forschung durch die Kunst (Frayling 1993: 5) (*10) bzw. Forschung in der Kunst (Borgdorff 2009: 29f.)
(*3) rückte in den 1990er Jahren – in Europa v.a. in Folge der bildungspolitischen Forderung an die Kunsthochschulen und -universitäten, sich stärker wissenschaftlich zu orientieren – in den Mittelpunkt des breiteren bzw. mit Fördergeldern dotierten Interesses (Borgdorff 2012: 34ff.;
(*3) kritisch siehe Mörsch 2015: 77f.
(*15)). Zentral war dabei das Postulat, dass die künstlerische Praxis einen wesentlichen Bestandteil sowohl des Forschungsprozesses als auch der Forschungsergebnisse darstellt (Borgdorff 2009: 30).
(*3) Zwecks einer solchen Hervorhebung bezeichnete man diese Forschungsrichtung zunächst als Practice-Led Research (praxisorientierte Forschung). Zur klareren disziplinären Abgrenzung hat sich inzwischen der Ausdruck Artistic Research (künstlerische Forschung, hier mit AR abgekürzt) durchgesetzt (ebd.: 30f.;
(*3) zu den verschiedenen in dem Zusammenhang verwendeten Termini siehe Borgdorff 2012: 108f.
(*4)).
Aufgrund der inzwischen großen Verbreitung und vielfältigen Ausdifferenzierung der Methodologie (siehe ebd.; ebd.: 110ff.) (*4) gibt es heftige Kontroversen hinsichtlich der definitorischen Deutung bzw. der semantischen „Besetzung“ der sie etikettierenden Begriffe. Besonders konfliktgeladen verläuft der Diskurs zur Frage, ob sich eine solche Richtung von der wissenschaftlichen Forschung strikt abzugrenzen hat, indem sie das „genuin“ Künstlerische ihrer Prozesse herausstreicht (siehe z.B. KUG o.J.;
(*12) FWF 2013: 3
(*11)), oder ob sie als eine – zwar eigenständige, aber doch – Variante der wissenschaftlichen Forschung betrachtet werden kann. Letztere Position vertritt der international angesehene AR-Experte Henk Borgdorff, der die „needless oppositions between artistic and academic research“ (Borgdorff 2012: 5)
(*4) anprangert. Er zieht Behauptungen in Zweifel, dass sich Kunst von der Wissenschaft durch ihre Besonderheit abhebt, „strikte Klassifizierungen und Begrenzungen zu umgehen und die Kriterien tatsächlich selbst zu schaffen (…)“ (Borgdorff 2009: 31).
(*3) Derartige Auffassungen basieren Borgdorffs Ansicht nach auf falschen Vorstellungen von akademischer Forschung, die in Wirklichkeit viel „weniger starr vordefiniert und damit beschränkt“ ist, als im AR-Diskurs oft unterstellt wird (ebd.: 32).
(*3)
Bei seiner eigenen Begriffsbestimmung von Artistic Research lässt Borgdorff den Dualismus von Kunst vs. Wissenschaft außen vor und orientiert sich stattdessen an der künstlerischen Praxis. Letztere ist ihm zufolge dann als Forschung zu betrachten, wenn sie dem Zweck dient, den Wissensstand und das Verstehen der Menschen zu erweitern, von Fragestellungen ausgeht, die für den bearbeiteten Kontext und die Kunstwelt relevant sind sowie für die Untersuchung geeignete Methoden anwendet, wobei Forschungsprozesse und Ergebnissee zu dokumentieren und in der Öffentlichkeit zu verbreiten sind (vgl. ebd.: 34). (*3)
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Nicht zuletzt damit wird argumentiert, dass bei Design-Based Research „trotz allen praktischen Problemlösewillens die Frage der Wissenschaftlichkeit nicht zu kurz“ kommt (Reinmann 2005: 67). Das dient auch als Begründung, warum dieser Zugang „mehr Chancen hat als bisherige Versuche integrativer Ansätze, sich in der wissenschaftlichen Landschaft einen Platz zu erobern“ (ebd.: 66).
Eine detaillierte Analyse aller Ursachen der Probleme kann im vorliegenden Artikel aus Platzgründen nicht vorgenommen werden. Da eine oberflächliche Darstellung der Projektverläufe sowohl den teilnehmenden SchülerInnen als auch den beteiligten KünstlerInnen nicht gerecht werden würde, wird hier darauf fast gänzlich verzichtet. Deswegen erfolgt ebenso lediglich die namentliche Erwähnung jener am Projekt beteiligten KünstlerInnen, die intensiv in die (Weiter-)Entwicklung des Gesamtkonzepts eingebunden waren.
Der Projektleiter ist zwar selbst (auch von der Grundausbildung her) Künstler und hat zahlreiche (medien-) künstlerische Projekte an Schulen durchgeführt. Mit Ansätzen der künstlerischen Forschung kam er aber erst im Verlauf der vorerst letzten Phase des hier beschriebenen Vorhabens in Berührung.
Bisher wurden solche Präsentationen im Bestreben nach der Herstellung eines „geschützten Rahmens“ nicht veranstaltet. Denn bei allen Vorteilen des Arbeitens auf eine Vorführung hin (v.a. in Hinblick auf den Aspekt der Motivation und des Engagements) besteht in Vermittlungskontexten mit „benachteiligten“ Kindern immer auch die Gefahr ihrer öffentlichen Zurschau- bzw. Bloßstellung. Um diesem Problem entgegenzuwirken, fühlen sich die beteiligten KünstlerInnen oft dazu verpflichtet, massiv in die Gestaltung der Endproduktionen einzugreifen, was im Widerspruch zu selbsttätigkeitsorientierten didaktischen Ansätzen steht (vgl. Mörsch 2005: 18). Der Lösungsansatz im vorliegenden Projekt besteht darin, nicht nur die Produkte, sondern auch die dahinter stehenden Prozesse (v.a. jene im Bereich der künstlerischen Forschung) zu präsentieren und mit dem Publikum zu diskutieren.
Iwan Pasuchin ( 2016): Gestaltung als Forschung. Kooperationspotenziale von Design-Based Research und Artistic Research am Beispiel des Projektes Kunst- und Kulturvermittlung im Brennpunkt . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/gestaltung-als-forschung/