Gestaltung als Forschung

Kooperationspotenziale von Design-Based Research und Artistic Research am Beispiel des Projektes Kunst- und Kulturvermittlung im Brennpunkt

Neuausrichtung

Der Erreichung des Ziels, den Projektfortschritt insgesamt zu befördern, kam zugute, dass kurz zuvor ein Forschungsprogramm ausgeschrieben wurde, im Rahmen dessen die Chance besteht, das Vorhaben ab dem übernächsten Schuljahr (2017/16) auf eine finanziell viel breitere Basis zu stellen, wobei das nächste (2016/17) dazu dienen soll, die entsprechenden Ansätze im kleineren Rahmen in der Art eines „Pretests“ zu erproben. U.a. aus der Arbeit am Projektantrag, der beim oben angesprochenen Meeting diskutiert wurde, resultierten einige konzeptionelle Neuerungen. Die wichtigsten davon werden in Folge ausgehend von den Gründen, die zu ihnen geführt haben, kurz dargestellt:

  • Auf der Ebene der praktischen Durchführung ist die Anpassung nicht zuletzt aus dem Bedarf entstanden, den mit der ersten Forschungsfrage verbundenen Anspruch einzulösen, den SchülerInnen mehrere künstlerische Zugänge zur Auswahl zu geben. Außerdem geht es im Zuge dessen auch – entsprechend der dritten Forschungsfrage – darum, den Handlungsraum bei Schulprojekten zu erweitern. Die Neuausrichtung besteht darin, das Vorhaben an das jährlich jeweils im September in Hallein (kleinere Stadt in der Nähe von Salzburg) stattfindende Festival Schmiede zu binden, das eng mit subnet kooperiert. Bei dem Event treffen sich jährlich  Mitte September für zehn Tage rund 250 KünstlerInnen aus über 20 Nationen, um (z.T. gemeinsam) Werke im Spannungsfeld von Kunst und neuen Medien zu erarbeiten sowie vor ca. 2000 BesucherInnen zu präsentieren. Der Plan ist, ab dem nächsten Schuljahr zu Beginn die SchülerInnen vor der Abschlussvorführung zum Festival einzuladen. Dabei sollen sie sich von mehreren KünstlerInnen ihre Werke in der Entstehungsphase zeigen und erklären lassen sowie mit ihnen darüber diskutieren. Erst ausgehend davon werden sich die beteiligten Jugendlichen überlegen, welche eigenen Projekte sie entwickeln wollen und wie sie das tun können. An diesen sollen sie das ganze Schuljahr (und nicht wie bisher nur ein Semester lang) arbeiten und die Ergebnisse sowie die dahinter stehenden Prozesse am Schluss bei einem anderen Kunstfestival präsentieren. Dabei sollen sie Unterstützung von – nach Möglichkeit von den SchülerInnen beim Festival selbst ausgewählten – MedienkünstlerInnen erhalten.
  • Auf der Forschungsebene stand hinter der Neuorientierung die im Verlauf des Vorhabens wachsende Einsicht des Projektleiters, dass die dabei stattfindenden Prozesse mit Verfahren des Design-Based-Research alleine nicht eingehend zu erfassen sind. V.a. die wissenschaftliche Begleitung der kreativen Vorgänge bedarf (zusätzlich) einer explizit künstlerischen Forschungsperspektive.*6 *(6) Deswegen soll in Zukunft neben dem DBR-Ansatz auch der Zugang des Artistic Research als zweite forschungsmethodologische „Säule“ einbezogen werden. Daraus resultieren u.a. folgende drei zentrale Anpassungen: Erstens eine bewusste(re) Fokussierung auf die medienkulturellen Erfahrungen und Handlungen der beteiligten Jugendlichen. Ihre Korrespondenzen mit aktuellen Zugängen der Medienkunst sollen untersucht und darauf basierend als Ausgangspunkte für den Austausch der SchülerInnen mit den KünstlerInnen in Hinblick auf ihre eigenen Projektentwicklungen genutzt werden. Zweitens die Abhaltung öffentlicher Präsentationen der Ergebnisse der Workshops durch die SchülerInnen, wobei darin die Vorstellungen der (Forschungs-)Prozesse, die zu ihnen geführt haben, integriert werden sollen.*7 *(7) Drittens eine intensive(re) Einbindung der teilnehmenden Jugendlichen in der Rolle von künstlerisch Forschenden. Letzteres soll durch die verstärkte Berücksichtigung ihrer individuellen und selbstständigen Zugänge zur Medienkunst in allen Phasen des Vorhabens gewährleitet werden – u.a. durch die Schwerpunktlegung der Arbeit der beteiligten KünstlerInnen auf die Unterstützung der SchülerInnen bei der Entfaltung ihrer persönlichen Ausdrucksweisen. Davon sind auch Fortschritte bezüglich der Beantwortung der zweiten Forschungsfrage nach motivierenden und das Engagement fördernden Lehr- und Lernformen zu erhoffen.

Der letzte bisherige Entwicklungsschritt im Gesamtvorhaben bestand in der Verfassung des vorliegenden Artikels. Denn das eröffnete dem Autor die Möglichkeit, alle Prozesse in Bezug auf die Konzeptentwicklung rekapitulierend zusammenzufassen und sie in die Rahmen von Design-Based Research und Artistic Research einzuordnen. Dabei ist in Hinblick auf den zweitgenannten Ansatz eine teilweise Co-Autorenschaft der auf Artistic Research spezialisierten Kunstwissenschaftlerin und Künstlerin Sonja Prlić sowie des Künstlers und Kurators Karl Zechenter hervorzuheben. Erstens wegen der intensiven Kooperation mit ihnen bei der Formulierung des neuen Forschungsantrags und zweitens, weil der gesamte Abschnitt zu Artistic Research auf ihren Anregungen basiert.

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Reinmann, Gabi/Sesink, Werner (2011): Entwicklungsorientierte Bildungsforschung (Diskussionspapier). Online unter http://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2011/11/Sesink-Reinmann_Entwicklungsforschung_v05_20_11_2011.pdf(15.8.2016).

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Seufert, Sabine (2014): Potenziale von Design Research aus der Perspektive der Innovationsforschung. In: Euler, Dieter/Sloane, Peter F.E. (Hg.): Design-Based Research. Stuttgart: Franz Steiner, S. 79-96.

Für einen Ein- und Überblick zu dieser Thematik siehe Reinwand-Weiss (2013) und die damit zusammenhängenden Texte.

Nicht zuletzt damit wird argumentiert, dass bei Design-Based Research „trotz allen praktischen Problemlösewillens die Frage der Wissenschaftlichkeit nicht zu kurz“ kommt (Reinmann 2005: 67). Das dient auch als Begründung, warum dieser Zugang „mehr Chancen hat als bisherige Versuche integrativer Ansätze, sich in der wissenschaftlichen Landschaft einen Platz zu erobern“ (ebd.: 66).

Das bedeutet nicht, dass im DBR keine Formulierung von Hypothesen stattfindet. Jedoch werden diese im Falle, dass sie sich als nicht zutreffend erweisen, nicht verworfen, sondern als Ausgangspunkt für die Entwicklung modifizierter forschungsleitender Annahmen betrachtet (Euler 2014: 19).

Lehen ist einer jener Stadtteile der Stadt Salzburg, die prozentuell den höchsten Anteil sozio-ökonomisch exkludierter BürgerInnen bzw. solcher mit Migrationshintergrund aufweisen. Entsprechend ist auch die Zusammensetzung der SchülerInnenschaft an der Neuen Mittelschule Lehen.

Eine detaillierte Analyse aller Ursachen der Probleme kann im vorliegenden Artikel aus Platzgründen nicht vorgenommen werden. Da eine oberflächliche Darstellung der Projektverläufe sowohl den teilnehmenden SchülerInnen als auch den beteiligten KünstlerInnen nicht gerecht werden würde, wird hier darauf fast gänzlich verzichtet. Deswegen erfolgt ebenso lediglich die namentliche Erwähnung jener am Projekt beteiligten KünstlerInnen, die intensiv in die (Weiter-)Entwicklung des Gesamtkonzepts eingebunden waren.

Der Projektleiter ist zwar selbst (auch von der Grundausbildung her) Künstler und hat zahlreiche (medien-) künstlerische Projekte an Schulen durchgeführt. Mit Ansätzen der künstlerischen Forschung kam er aber erst im Verlauf der vorerst letzten Phase des hier beschriebenen Vorhabens in Berührung.

Bisher wurden solche Präsentationen im Bestreben nach der Herstellung eines „geschützten Rahmens“ nicht veranstaltet. Denn bei allen Vorteilen des Arbeitens auf eine Vorführung hin (v.a. in Hinblick auf den Aspekt der Motivation und des Engagements) besteht in Vermittlungskontexten mit „benachteiligten“ Kindern immer auch die Gefahr ihrer öffentlichen Zurschau- bzw. Bloßstellung. Um diesem Problem entgegenzuwirken, fühlen sich die beteiligten KünstlerInnen oft dazu verpflichtet, massiv in die Gestaltung der Endproduktionen einzugreifen, was im Widerspruch zu selbsttätigkeitsorientierten didaktischen Ansätzen steht (vgl. Mörsch 2005: 18). Der Lösungsansatz im vorliegenden Projekt besteht darin, nicht nur die Produkte, sondern auch die dahinter stehenden Prozesse (v.a. jene im Bereich der künstlerischen Forschung) zu präsentieren und mit dem Publikum zu diskutieren.

Iwan Pasuchin ( 2016): Gestaltung als Forschung. Kooperationspotenziale von Design-Based Research und Artistic Research am Beispiel des Projektes Kunst- und Kulturvermittlung im Brennpunkt . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/gestaltung-als-forschung/