Intervenieren in gesellschaftliche Verhältnisse

Bericht über die Workshops am 21. März und 25. April 2018

Im Rahmen der von Elke Zobl, Elke Smodics und Elisabeth Klaus konzipierten Workshopreihe In sichtbare und unsichtbare Ordnungen eingreifen  wurden Strategien des künstlerischen, kulturellen und medialen Intervenierens beleuchtet sowie gemeinsam mit Künstler*innen und Wissenschaftler*innen die aktuelle Situation von Kunst, Politik und Wirtschaft hinterfragt.

„Es gibt kein gutes Leben im Ausschluss.“ (Rubia Salgado)

Dieses Zitat von Rubia Salgado (vgl. https://www.facebook.com/aufgebrochen/videos/285938241794280/)star (*1) fordert einen solidarischen Umgang miteinander und ist als Weckruf an uns Menschen einer sich zunehmend isolierenden Welt wie auch als Gegenentwurf zu lesen. Elke Zobl und Elke Smodics verdeutlichten in ihrer Einführung in Bezug auf das Zitat, wie Interventionen in gesellschaftliche Regeln und Normen durch ein bewusstes Stören zum Nachdenken wie auch zu aktiver Beteiligung auffordern können. Denn Regeln und Normen können Menschen diskriminieren und ihre Anliegen unsichtbar machen. Die Künstlerin Banu Cennetoǧlu intervenierte im Rahmen der documenta 14 mit Beingsafeisscary in die Giebelschrift des Eigennamens des Fridericianums. Mit diesem selbstreflexiven Statement, das Kritik übte an bestehenden Machtstrukturen, gelang es ihr, Betrachter*innen zu irritieren und zu antirassistischen Praxen aufzurufen.

Kunst und Aktivismus finden in der Intervention zueinander, verschränken sich und greifen durch impulsgebende, störende Eingriffe in den gesellschaftlichen Status Quo ein. Eine der bekanntesten Störungen des klassischen Kunstfeldes erfolgte beispielsweise durch das feministische Künstler*innen-Kollektiv Guerrilla Girls mit ihrer Aktion Do women have to be naked to get into the Met. Museum? Unter diesem Titel wurden in den Jahren 1989, 2005 und 2012 die Anzahl weiblicher Künstlerinnen der Anzahl weiblicher Akte in Ausstellungen des Metropolitan Museums in New York gegenüber gestellt – leider variierten die Ergebnisse in den Jahren nur geringfügig (4% ausstellende Künstlerinnen und 76% weibliche Akte im Jahr 2012).
Selbstkritische Betrachtungen zur eigenen Kunstpraxis fanden im Symposium ebenso Raum wie Diskussionen über Tendenzen der Institutionalisierung, Vereinnahmung durch Marketingstrategien oder die Neutralisierung von Interventionen.

 

Intervenieren in der künstlerischen Praxis

In den anschließenden Workshops mit Sonja Prlić, Petra Dimitrova und Tomash Schoiswohl wurden Machtverhältnisse, soziale Ungleichheiten und diskriminierende Strukturen reflektiert und praktische eigene Ideen für Interventionen in Salzburg erarbeitet.

 

SAUBERKEITS≠ORDNUNGS-Monster

In diesem Workshop von Tomash Schoiswohl wurde versucht, den öffentlichen Raum als Raum des Aufbruchs zu begehen und Gegenbilder und -geschichten zu gegenwärtigen Veränderungen der Grenzziehung zwischen Öffentlichem und Privatem zu schaffen. Die Teilnehmer*innen diskutierten die Möglichkeiten konfrontativer Geschichtsarbeit am Beispiel „Sauberkeit“, welches im (neo-)liberalen Kontext ein Instrument zur Realisierung von Ordnung ist und gesellschaftliche Einschlüsse sowie Ausschlüsse, Ordnungsvorstellungen, Sprache, Raum- und im weitesten Sinne Körperpolitik organisiert. Danach baute die Gruppe zwei riesige Pappendeckel-Monster und konfrontierte Passant*innen im Stadtraum Salzburg damit.

Studierende beim Bau der Monster. Foto: Fabian Schober.

„Füttere den Troll und lass ihn platzen!“

Sonja Prlić, die mit der Salzburger Künstler*innengruppe gold extra an Computerspielen, Theater- und Medienkunstprojekten arbeitet, die sich mit politischen und sozialen Fragen beschäftigen, erläuterte in ihrem Workshop, wie Medienkunst auf Hate-Speech reagieren kann. Die Gruppe setzte sich kritisch reflexiv mit Hass im Netz auseinander und arbeitete an neuen kreativen Ideen zu digitalen Interventionen im Netz.

Sonja Prlić beim Workshop. Foto: Fabian Schober.

Ängste und Hoffnungen

Wie man aktivistisch gegen sich verschlechternde Zustände im Arbeits-, Bildungs-, Aufenthalts- und Familienfeld arbeiten kann, zeigte Petja Dimitrova anhand eigener künstlerischer Projekte (beispielsweise „kommen bleiben zusammen.“ Ein Comicheft rund um die Ereignisse der Fluchtbewegung in Europa). Diese zeigen diskriminierende Verhältnisse und gesellschaftliche Missstände auf und schlagen praktische Auswege und neue Handlungsoptionen vor. Gemeinsam entwickelten die Workshopteilnehmer*innen danach eigene Interventionen zu Themen und Ereignissen, die sie beschäftigen: Es entstand ein kritischer Spaziergang durch Salzburg, der zu zivilgesellschaftlichem Engagement aufruft. Dabei wurden Sein und Schein ebenso reflektiert wir Machtverhältnisse oder das Geschlecht der Stadt.

Petja Dimitrova. Foto: Ute Brandhuber-Schmelzinger

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„Es gibt kein gutes Leben im Ausschluss!“ – Rede von Rubia Salgado. Online unter: https://www.facebook.com/aufgebrochen/videos/285938241794280/

Anita Bruckschlögl ( 2018): Intervenieren in gesellschaftliche Verhältnisse. Bericht über die Workshops am 21. März und 25. April 2018 . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/intervenieren-in-gesellschaftliche-verhaeltnisse/