Was tun? Das Verhandeln von Partizipation und das spielerische Öffnen von liminalen Räumen an den Schnittstellen von intervenierender Kunst, kritischer Kunstvermittlung und Forschung
Einleitung
Eine Schülerin hält einen Korb, in dem sich Kärtchen mit aufgedruckten Slogans befinden. Sie spricht eine Passantin an, ob diese ein Kärtchen aus dem Korb ziehen möchte. Die Passantin ist neugierig – sie nimmt eine Karte, auf der steht „Live like there’s no tomorrow“ und lacht erfreut. Daraufhin fordert die Schülerin sie auf, eine oder mehrere dazu passende Fragen von den weiteren auf einer Wäscheleine aufgehängten Kärtchen zu pflücken, doch die Passantin möchte lieber eine Frage aussuchen, die ihr gefällt. Sie wählt „WER sagt was schön oder hässlich ist?“ Die Schülerin und die Passantin beginnen ein Gespräch.
Mit dem Spiel Slogans & Fragen zum Pflücken wurde im Rahmen der Präsentation des Projektes Making Art – Taking Part! öffentlich experimentiert. Der gemeinsame Entwicklungsprozess von Spielregeln zwischen Lernenden und Lehrenden sowie seine öffentliche Präsentation stellen ein Beispiel für das gemeinsame Verhandeln und Ausloten von Partizipation und das spielerische Öffnen liminaler Räume dar. In dem Prozess entstanden viele Fragen: Wie können wir spielerisch partizipative Räume öffnen? Und wie sieht eine kritische Verhandlung von gesellschaftlicher Teilhabe bzw. die aktive Teilhabe an Entscheidungsprozessen aus? In pädagogischen Zusammenhängen ist dabei zumeist die Mitgestaltung von Lernenden gemeint, das zumeist ein risikoreiches Unterfangen ist. Denn wenn Schüler_innen die Auswahl der Themen und Inhalte mitbestimmen, selbst forschen, in Öffentlichkeiten intervenieren und die Ergebnisse von eigenständigen Prozessen selbst präsentieren, dann befinden wir uns auf dem Terrain des Unplanbaren.
Das Projekt Making Art – Taking Part! Künstlerische und kulturelle Interventionen von und mit Jugendlichen zur Herstellung von partizipativen Öffentlichkeiten (www.takingpart.at) wurde mit Schüler_innen (14-16 Jahre alt) in Salzburg, Österreich, durchgeführt. In diesem Projekt erprobten, verhandelten und erforschten wir gemeinsam mit den Schüler_innen Handlungsstrategien und -optionen zur Selbstermächtigung und gesellschaftlichen Mitgestaltung. Im Fokus unserer Reflexion stand einerseits das gemeinsame kritische Verhandeln und Ausloten von Partizipation und andererseits das spielerische Öffnen von liminalen Räumen. In einem gemeinsamen Wissenstransfer von Lernenden und Lehrenden wurden gewohnte und normierte Handlungs- und Denkmuster dekonstruiert und selbstermächtigende Handlungsoptionen entwickelt. Dabei begleitete uns ständig die Frage, was die Grenzen der Partizipation in der Gesellschaft sind.
Das Projekt war an den Schnittstellen von intervenierenden künstlerischen und kulturellen Praxen, kritischer Kunstvermittlung und partizipativer Forschung situiert. Was diese drei Ansätze vereint, ist der Anspruch, offene Handlungsräume und gemeinsame Erfahrungsräume zu öffnen, um kollaborativ gesellschaftliche Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen und selbstermächtigendes Handeln zu erproben. Diese Intention wurzelt in einem emanzipatorischen Bildungsverständnis. Bildung verstehen wir in der Tradition kritischer und radikaler Pädagogik als Prozess der Selbstermächtigung und der Politisierung (Freire [1970] 1978; (*9) hooks 1994; (*14) Huber/Zobl 2014). (*15) In diesem Verständnis sind es der Auftrag und das Ziel von Bildung, einen Beitrag zur Entwicklung emanzipatorischer Handlungsstrategien zu leisten. Der Artikel ist wie folgt aufgebaut: Zu Beginn stellen wir die transdiziplinären Ansätze vor und erläutern den theoretischen Kontext des liminalen Raums. Ausgehend davon diskutieren wir in der Fallstudie anhand von Projektsituationen das Verhandeln und Ausloten von Partizipation und das spielerische Öffnen liminaler Räume mit Strategien der kritischen Kunstvermittlung wie der Dekonstruktion und der Intervention. In der Conclusio kommen wir auf unsere transdisziplinären Ausgangspunkte zurück. Der vorliegende Artikel ist ein Ergebnis der Reflexionen im Teamprozess. Insofern stellt die Verschriftlichung eine Fokussierung des gemeinsamen Gedankenaustausches mit den Projektmitarbeiterinnen Elke Smodics und Veronika Aqra sowie der zum Teil eingebundenen Künstlerin Moira Zoitl dar.
Elke Zobl, Laila Huber ( 2018): Was tun? Das Verhandeln von Partizipation und das spielerische Öffnen von liminalen Räumen an den Schnittstellen von intervenierender Kunst, kritischer Kunstvermittlung und Forschung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/was-tun-das-verhandeln-von-partizipation-und-das-spielerische-oeffnen-von-liminalen-raeumen-an-den-schnittstellen-von-intervenierender-kunst-kritischer-kunstvermittlung-und-forschung/