„Die Anwesenheit von anderen kulturellen Prägungen ist in Salzburg kein Thema.“
Ein Interview mit Karl Zechenter von Persson Perry Baumgartinger und Dilara Akarçeşme
Was bedeutet kulturelle Teilhabe in Salzburg und darüber hinaus? Wie kann sie in Stadt und Land Salzburg umgesetzt werden? Welche Projekte kultureller Teilhabe gibt es bereits und welche Hürden sind noch zu meistern? Das Interviewgespräch mit Karl Zechenter konzentriert sich auf die aktuellen Herausforderungen von Teilhabeprozessen und Förderpolitiken im Kunst- und Kulturbereich in Stadt und Land Salzburg.
Was bedeutet für dich „Kultur für alle“ bzw. kulturelle Teilhabe in Salzburg und darüber hinaus?
Prinzipiell ist es eine gesetzliche Vorgabe und ein gesetzliches Vorhaben. Es ist im besten Sinne von Land und Stadt, dass Kulturförderung gemeinnützig ist, damit dient sie dem Gemeinwohl aller. In der Praxis ist es jedoch noch ein weiter Weg.
Lasst mich mit einer anekdotischen Erzählung beginnen: In der Zeit zwischen 1999 und 2005, als ich in der ARGEkultur Salzburg arbeitete, war die Einrichtung stolz darauf, möglichst viele unterschiedliche Menschen hineinzubringen. Damals bereiteten wir die neue ARGE vor. Eines unserer Anliegen war es, dieses Haus in Hinsicht auf mehr Offenheit gegenüber allen Gesellschaftsgruppen neu aufzustellen. Ein großes Problem waren damals zum Beispiel vergleichsweise banale Dinge wie die Barrierefreiheit. Barrierefreiheit in Kulturzentren ist nach wie vor ein Riesenproblem. Ein anderes Problem war die traurige Erkenntnis, dass bei allem Wunsch, so offen wie möglich zu sein, in Wirklichkeit der Kreis der Menschen, die wir erreichten, ein relativ geringer war. Wir stellten beispielsweise fest, dass wir nur eine ganz bestimmte Zielgruppe von Jugendlichen erreichten, und zwar GymnasiastInnen. HauptschülerInnen haben wir praktisch kaum erreicht. In diesem Fall handelt es sich also um ökonomische Exklusion. Das hat uns dazu gebracht, einiges zu ändern, und ich glaube, dass uns drei Projekte wirklich gelungen sind.
Eines davon war eine Hip-Hop-Veranstaltung bzw. Hip-Hop-Battles, wobei Breakdance ein Teil davon war. Das hatte den Vorteil, dass es quer durch viele Gesellschaftsschichten ging, ganz unterschiedliche Gruppierungen wollten einfach gern kommen. Es ging dabei besonders um die Skill-Ebene. Wir suchten diese Jugendliche auf, wir luden also Menschen persönlich ein, die wiederum andere Menschen mitbrachten. Wir konnten die Jugendlichen jedoch nicht für andere Veranstaltungen gewinnen. Ihnen ging es um Hip-Hop und Breakdance: Solange diese Veranstaltung in dieser Form fortgeführt wurde, kamen sie auch. Dann waren sie wieder weg. Eventuell kann man daraus ableiten, dass man diese Veranstaltungen dauerhafter machen muss.
Das zweite Projekt war die Zusammenarbeit mit Talk Together, die nicht von uns initiiert wurde. Abdullahi A. Osman und Beate Wernegger kamen mit der Idee zu uns. Während dieser Zusammenarbeit haben wir viel gelernt: Beispielsweise wann Veranstaltungen zeitlich gesetzt sein sollten, damit geflüchtete Personen ebenso teilnehmen können, da sie zu bestimmten Zeiten wieder in ihre Unterkünfte zurückkehren müssen. Dafür müssen Veranstaltungen in den Nachmittag verlegt werden. Ein interessanter Punkt, denn es zeigte auf, dass Veranstaltungen in Kulturzentren für die Teilhabe von Geflüchteten nicht immer ideal geplant werden. Es gibt eine Fülle solcher und ähnlicher Kleinigkeiten, die in diesem Rahmen wichtig sind. Außerdem muss gewährleistet werden, dass sich verschiedene Gruppen wohlfühlen, da es nicht die homogene Gruppe der Geflüchteten gibt.
Das dritte Projekt war das Festival Osthörweiterung, initiiert von Gottfried Schmuck, rund um den Beitritt weiterer Staaten zur EU im Jahr 2003. Man wollte andere Kulturen vorstellen, allerdings mit dem deutlichen Hinweis darauf, dass diese in Salzburg bereits existent sind, jedoch nicht wahrgenommen werden. Das war ein essenzieller Teil dieses Projekts. Insgesamt waren es drei oder vier Veranstaltungen, in denen wir Staaten wie Bulgarien oder die Türkei thematisierten. Dabei arbeiteten wir zum Beispiel mit dem bulgarischen Kulturverein zusammen, einem Verein, in welchem es darum geht, Traditionen beizubehalten. Außerdem muss hinzugefügt werden, dass Kulturvereine in ihrer Offenheit unterschiedlich sind. Während manche Vereine ein gutes Verhältnis zu ihrer Gesamtcommunity haben, werden andere Vereine aufgrund bestimmter Konfliktlinien abgelehnt. Ein Beispiel dafür ist die kroatische Community: Es gibt unterschiedliche Gruppen von KroatInnen, die aus unterschiedlichen Gründen nach Österreich kamen, einige sind aufgrund des Krieges geflüchtet, andere aufgrund ihrer stark nationalistischen Haltungen weggegangen.
Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme, Karl Zechenter ( 2018): „Die Anwesenheit von anderen kulturellen Prägungen ist in Salzburg kein Thema.“. Ein Interview mit Karl Zechenter von Persson Perry Baumgartinger und Dilara Akarçeşme . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/die-anwesenheit-von-anderen-kulturellen-praegungen-ist-in-salzburg-kein-thema/