Intervenieren in gesellschaftliche Verhältnisse

Bericht über die Workshops am 21. März und 25. April 2018

Kunst, Kultur und Medien: Geschlechtervorstellungen aufbrechen und neu entwerfen

Am zweiten Workshoptag (25. April 2018) zeigte Sigrid Schade, Professorin am Institute for Cultural Studies in the Arts an der Zürcher Hochschule der Künste, scheinbare Selbstverständlichkeiten von Bedeutungszuweisungen auf und eröffnete neue Blickwinkel auf Zuschreibungen. Anhand zahlreicher Beispiele künstlerischer Arbeiten, welche die Effekte von Repräsentation sichtbar machen, versuchte sie, in uns das Bewusstsein für kulturelle Konstruktionen von Geschlechterbildern zu wecken, das nötig sei, um diese zu durchbrechen.

In ihrem Vortrag verdeutlichte Schade die Bedeutung von historischen Bezügen und der Reflexion von Kunstgeschichte. Dieser Bezug zu historischen Gemälden wird etwa besonders gut fassbar in Birgit Jürgenssens Bilderreihe Totentanz mit Mädchen (1979/80). Jürgenssen war ihrer Zeit durch ihre Geschlechterdarstellung weit voraus – sie entwarf bereits in den 1970er Jahren ein neutrales drittes Geschlecht. Darüber hinaus setzte sie sich mit dem Surrealismus auseinander und entwickelte paradoxe Inszenierungen. Jürgenssens Strategie – wie die vieler anderer Künstlerinnen – war der Eingriff in Geschlechterkonstruktionen mit Bezügen zur klassischen Malerei.
Durch die Verdeutlichung solcher Geschlechterkonstruktionen – ein Schwerpunkt in Schades Forschung – machte sie uns sensibel dafür, was Repräsentation uns antut. Schade bezieht sich dabei auf die Mitteilungsarchitektur, die unsere bewusste und unbewusste Wahrnehmung bestimmt. Denn Subjektivierungen und Subjektbewertungen geben bestimmte, z.B. weibliche Zuschreibungen vor. Interventionen greifen hier ein, um die Selbstverständlichkeit von Bedeutungszuschreibungen wie auch die Mehrdeutigkeit von Bezeichnungen oder Figurationen in der Kunstpraxis – je nach Kultur oder Tradition – aufzuzeigen.

Im Anschluss an Schades anregenden Vortrag wurde in drei Workshops daran gearbeitet, Geschlechtervorstellungen praktisch aufzubrechen:

 

Fotografische Inszenierungen in Form einer Intervention im Salzburger Stadtraum

Die Künstlerinnen Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf gehen davon aus, dass Stadtraum als sozialer Raum auch im Handeln und in der Wahrnehmung und Darstellung hergestellt wird. Gemeinsam wurden Orte im historischen Stadtkern Salzburgs auf eine Weise genutzt, die eigentlich nicht vorgesehen ist. Die Studentinnen versuchten sich darin, diese fotografisch zu erfassen. Durch eine Auswahl von Ausschnitten der fotografischen Inszenierungen wurde versucht, geschlechterspezifische Darstellungskonventionen, also die Art und Weise, wie Menschen und Räume üblicherweise dargestellt werden und die damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten umzuschreiben.

Studierende beim Fotografieren im Mirabellgarten. Foto: Fabian Schober.

GESCHLECHTER STIMMEN!

Mit Christina Laabs wurden stimmliche Merkmale, die zur Konstruktion von weiblichen und männlichen Geschlechterbildern eingesetzt werden, in ausgewählten zeitgenössische Inszenierungen untersucht und auch am eigenen Leib stimmkräftig erprobt und hinterfragt. So erfuhren die Teilnehmer*innen, wie allein durch die Stimme Geschlechterbilder auf der Bühne konstruiert oder auch dekonstruiert werden können.

Workshop mit Christina Laabs. Foto: Fabian Schober.

 

Perspektiven – Performance – Passagen

In Ulrike Hatzers Workshop wurden die Teilnehmer*innen gleich selbst zum Stein des Anstoßes – zur Störung der Ordnung: In ihrer performativen Stadtbegehung machten sie die Erfahrung, dass damit erst ein Anfang gemacht wird. Denn Intervention braucht Diagnose, Haltung und einen Eindringling, um eine Störung der Ordnung zu erreichen. Gemeinsam wurden die aus der Performance entstandenen Fragen zu einer Passage – welche ein wichtiger Bestandteil in der Veränderung von Gesellschaft und ihren Praktiken ist.

Der Workshop mit Ulrike Hatzer fand teilweise auf dem Makartsteg statt.

Fazit

Die Teilnehmer*innen hätten noch gerne länger mit den Künstlerinnen diskutiert, Positionen erörtert, hinterfragt und neu gedacht – in der Lehrveranstaltung von Elke Zobl „In un-/sichtbare Orte eingreifen. Künstlerische Interventionen mit Fokus auf feministische und antirassistische Praxen“ am Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft & Kunst war dies zum Glück auch daraufhin noch möglich.

Denn wie Sigrid Schade deutlich machte, liegt es an uns, Effekte von Repräsentationen sichtbar zu machen! Im Symposium haben wir begonnen, die scheinbare Abbildung der Wirklichkeit durch Repräsentation zu hinterfragen, und erlebten, wie durch Intervention – also dem sich aktiv Einmischen, Dazwischentreten, Stören oder Irritieren – die Effekte von Repräsentation auch sichtbar gemacht werden können.

 

Links:

Workshopreihe „In sichtbare und unsichtbare Ordnungen eingreifen“

Fotos vom 1. Workshoptag

Fotos vom 2. Workshoptag

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„Es gibt kein gutes Leben im Ausschluss!“ – Rede von Rubia Salgado. Online unter: https://www.facebook.com/aufgebrochen/videos/285938241794280/

Anita Bruckschlögl ( 2018): Intervenieren in gesellschaftliche Verhältnisse. Bericht über die Workshops am 21. März und 25. April 2018 . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/intervenieren-in-gesellschaftliche-verhaeltnisse/