Interview: Martin Lengauer

„PR für Kunst und Kultur ist eine Querschnittsmaterie!“

Worin siehst du die wesentlichen Herausforderungen für die PR-Arbeit im Kunst- und Kultursektor?

Hauptherausforderung ist immer noch die chronische Unterfinanzierung und das betrifft auch die Kommunikationsarbeit. Oft entsteht dadurch ein eklatanter Widerspruch in der Konzeption, bzw. Analyse und Strategieentwicklung zu der tatsächlichen Umsetzung der Maßnahmen. Dort fängt dann der Rotstift zu streichen an, weil schlicht das Geld fehlt. Man kann vieles, was durch die Zielformulierung an Maßnahmen angezeichnet wäre, einfach nicht umsetzen.

Umgekehrt muss auch ergänzt werden, dass gerade vieles was an effektiven und zielorientierten Maßnahmen in der Kommunikationsarbeit gesetzt wird, direkt aus einem künstlerischen oder kunstnahen Umfeld entsteht. Und gerade weil es funktioniert, werden diese Ideen dann oft von anderen Branchen vereinnahmt bzw. von der Werbung usurpiert – obwohl in der Kunst bzw. als Kunstprojekt kaum finanzielle Mittel hinein geronnen sind.

…wie z.B. Culture Jamming?

Ja, bzw. Guerilla Kommunikation. Flashmobs sind so ein aktuelles Beispiel. Diese lassen Unternehmen mittlerweile von professionellen Storywritern entwickeln.

In welche Richtung wird sich die Kommunikationsarbeit entwickeln? Welche Trends kannst du feststellen?

Generell ist vor allem die Erhöhung der Geschwindigkeit die Beschleunigung von Arbeitsprozessen die zentrale Entwicklung. Denn die anwachsende Rolle von Social Media verändert nicht nur medial, sondern auch ganz konkret unsere Arbeitsweise: Sie wird umfangreicher, schneller und es findet eine Umgewichtung statt. Wir lernen mehr denn je als zuvor. Wir tun unsere Arbeit und beobachten dabei gleichzeitig, was sich schon wieder Neues tut. Wir müssen immer am Ball bleiben.

Und wie geht ihr mit dieser Beschleunigung um? Habt ihr dann noch Zeit zu beobachten, abzuwarten bis Analysen diese laufenden Erneuerungen bewerten?

Wir haben uns zur Angewohnheit gemacht, selbst laufend die unmittelbar stattfindende Analyse in unseren Arbeitsalltag zu integrieren. Die Medienfachöffentlichkeit tummelt sich derzeit auf Twitter, d.h. die Analyse erfolgt sehr rasch. Der Fach-Diskurs findet in direkter Resonanz auf neue Erkenntnisse oder technische Entwicklungen statt. Es ist mühsam, aber notwendig, kontinuierlich mitzutracken. Wir verfolgen ständig Auswertungen bzw. Diskurse, während wir parallel selbst die Inhalte gerade ausprobieren bzw. bereits umsetzen. Es ist ein ständiges Ausprobieren, das von dem Versuch begleitet wird, Erfahrungen anderer – die uns vielleicht eine Nasenlänge voraus sind – dennoch so gut wie möglich in den Umsetzungsprozess einfließen zu lassen.

Also, ein ständiger Learning-by-Doing-Prozess …?

Absolut. Vieles was wir vor einem Jahr gemacht haben, machen wir heute ganz anders.

Stichwort Social Media: Verdrängen bzw. ersetzen Social Media und Web 2.0 andere – sogenannte klassische – PR-Kanäle?

Ich glaube nicht, dass die klassischen Kanäle – wie z.B. Pressearbeit, Veranstaltungen oder Drucksorten – absterben, aber sie werden sich durch und mit Social Media verändern. Abseits der ökonomischen Faktoren wie zum Beispiel der Urheberrechtsituation und natürlich auch Kostenfragen – bin ich definitiv nicht der Meinung, dass Web 2.0 alles andere verdrängen wird. Aber die klassische PR wird sich fortan immer überlegen müssen, wie sie viel näher an der direkten Kommunikation ist, wie sie auch für Bereiche funktioniert, die in unmittelbaren Austausch mit Dialoggruppen tritt. PR ist nicht mehr so absenderbestimmt, sondern agiert verstärkt diskursorientiert, gruppenbestimmt. Die gesamte PR muss berücksichtigen, dass stets die Möglichkeit der direkten Rückmeldung auf die initiierte Kommunikation für eine breitere Öffentlichkeit gegeben ist. Es wird – um bei dem Beispiel von Drucksorten bzw. Plakaten zu bleiben, diese sicherlich weiterhin geben, auch die Presse- und Medienarbeit, aber vor allem oder nur dann, wenn diese Kanäle in einem integrierten Kommunikationsansatz auch Sinn machen.

… Beispiel Plakat?

Ein Plakat ist ein Verstärkungsmedium, d.h. wenn ich die Botschaft nicht auch woanders distribuiere, wird es nicht funktionieren: Nur dann kommt der Mix „online-offline“ perfekt zur Geltung. Der/die RezipientIn bzw. die Teilöffentlichkeit muss direkt interagieren können. Ein Bespiel, wie dieses Zusammenspiel derzeit weiterentwickelt wird, wäre der QR-Code. Ich begegne einer visuellen Botschaft und kann via Smartphone idealerweise, sofort in einen Diskurs eintreten.

Eine letzte Frage – zum viel diskutierten Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit: Prägt ihr mit eurer Arbeit kulturelle Inhalte mit? Gestaltet ihr kulturelle Kontexte mit?

… das ist die schwerste Frage. (lacht) Auf einer persönlichen Ebene merke ich, dass wir das jeden Tag tun, z.B. in dem notwendigen Austausch mit KuratorInnen oder Kunstschaffenden. Es ist es ja oft gerade unsere spezifische Kompetenz bzw. sogar Aufgabe, dass wir Anregungen oder Überlegungen geben, die auch auf die künstlerische Seite oder Produktion Auswirkungen haben können. Und wir bereiten auch Inhalte für die Öffentlichkeit unter spezifischen Aspekten auf – und stellen somit gerade die öffentlichen Schnittstellen zu Inhalten des künstlerischen Schaffens her, indem wir Assoziationsknoten zu verschiedenen Communities oder Teilöffentlichkeiten erzeugen.

Nehmt ihr somit die Funktion, als Sprachrohr für das „Publikum“ bzw. die Öffentlichkeit zu agieren, ein?

Ja, genau. Mit Fragen „Wie begegnet mir das dann als Zuseher?“ oder „Hast du schon mal versucht das in einfachen Wörtern deiner Mutter oder deinem Installateur zu erklären?“ nehmen wir genau diese Perspektive ein. Wir ermöglichen damit, dass die kunst- bzw. kulturschaffenden Akteure durch unsere Fragen die Außenperspektive erfahren können und sich ihnen ein neuer Blick – nämlich für wen ihre Arbeit wahrnehmbar sein soll – eröffnet. Genau diese zweite bzw. ergänzende Sichtweise bringen wir ein. Und der Wechsel in diese Außenperspektive hat dann oft auch Auswirkungen auf die künstlerische Seite: in Form von neuen ergänzenden Angeboten oder auch einer differenzierten Zusammenstellung bzw. in der künstlerischen Aufbereitung.

Herzlichen Dank für das Interview!

 

 

Martin Lengauer, Siglinde Lang ( 2013): Interview: Martin Lengauer. „PR für Kunst und Kultur ist eine Querschnittsmaterie!“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/pr-fur-kunst-und-kultur-ist-eine-querschnittsmaterie/