Das inklusive Museum ‑ eine Frage von Kooperation und Vernetzung

Nadja Al-Masri-Gutternig und Monika Daoudi-Rosenhammer im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme

Monika Daoudi-Rosenhammer: Der Vernetzungsaspekt ermöglicht auch viel Teilhabe. Wir kennen uns, und Nadja hat sicher schon ohne uns den Fokus auf Barrierefreiheit gelegt – aber gemeinsam konnten wir noch mehr weiterbringen. Dadurch funktioniert das. Das ist eine perfekte Zusammenarbeit, die beide Seiten bereichert. Vielleicht ist es deswegen am Land einfacher, weil die Vernetzung automatisch schon vorhanden ist. In Radstadt gibt es zum Beispiel eine Lebenshilfeeinrichtung, wo die Personen über das Musikschulwerk ein Instrument erlernen können und bei verschiedensten kulturellen Ereignissen eingebunden werden. Das hat sich durch Kontakte so ergeben und ist ganz selbstverständlich. Menschen mit Lernschwierigkeiten können deswegen viel mehr teilhaben, weil dort eine gute Vernetzung besteht.

Nadja Al-Masri-Gutternig: Viele bemühen sich um Barrierefreiheit in Institutionen und stoßen auf Widerstände. Da hilft ein gegenseitiger Austausch, um weiterzumachen ­ es ist wichtig dranzubleiben und Strategien auszutauschen. Wir haben auch jemanden, der sich mit der rechtlichen Seite auskennt. Es gibt Argumente für Sachen, die eigentlich umgesetzt werden müssen. Das finde ich ganz wichtig.

Monika Daoudi-Rosenhammer: Einige Leute sind auch auf mich zugekommen und haben gesagt: „Wir haben Ansätze für Barrierefreiheit, aber  ie Zielgruppe kommt nicht. Wie erreichen wir das Publikum?“ Hier geht es wieder um Vernetzung.

Nadja Al-Masri-Gutternig: Das ist bei uns ähnlich. Wenn wir zum Beispiel eine barrierefreie Führung in Leichter Sprache ausschreiben, dann kommen höchstens vier Personen. Ohne die Lebenshilfe, die das organisiert, hätten wir viel weniger Besucher. Ich glaube wirklich, dass das eine unterschätzte Sache ist. Du, Monika, sagst immer so schön, dass die Barriere gebrochen ist, wenn du mit jemandem zehnmal wo hin fährst. Irgendwann sagt er: „Oh, heute ist Sonntag, ich habe frei und das Museum hätte offen. Da könnte ich hingehen, weil ich den Ablauf bereits kenne.“ Das ist der spannende Aspekt. Wir bieten jetzt zum Beispiel eine Führung für Menschen mit Demenz an. Ohne die Organisationen, die diese Menschen betreuen, hast du überhaupt keine Chance. Das ist ja immer mit einem organisatorischen Aufwand verbunden. Die Kommunikation mit den Menschen läuft daher sehr oft über Vereine, Einrichtungen oder Institutionen, die in der betreffenden Community gut vernetzt sind.

Wir haben jetzt den Vernetzungs- und Kooperationsaspekt angesprochen. Was können andererseits Einzelpersonen oder Lai*innen in Bezug auf kulturelle Teilhabe beitragen?

Nadja Al-Masri-Gutternig: Ich glaube, hier ist es einfach wichtig, dass man sich viel mit dem Thema auseinandersetzt. Sich mit anderen austauscht, verschiedene Lösungsansätze diskutiert, verschiedene Blickwinkel einnimmt, vieles ausprobiert und kontinuierlich weiterentwickelt. Hier ist es oft sehr hilfreich, wenn Laien mitgestalten, da sie ganz neue Sichtweisen einbringen und außerhalb der Institutionen viel bewirken können. Es ist auch viel gewonnen, wenn viele Einzelpersonen oder Laien dem Thema einfach offen gegenüberstehen und sich auf Angebote einlassen.

Monika Daoudi-Rosenhammer: Alles Ungewohnte ist natürlich schwierig für unsere Klientel. Wie Nadja beschrieben hat, muss man zuerst Unterstützung anbieten. Wobei ich sagen muss, dass bei den Menschen, die wir unterstützen, Kreativität ein wichtiges Thema ist. In unseren Einrichtungen ist Malen eine beliebte Beschäftigung. Auch Musik ist für viele extrem wichtig. Auch Tanz und Schauspiel. Ungewohnt ist für Menschen mit Lernschwierigkeiten, wenn das im öffentlichen Raum oder in einer Institution passiert. Da muss man sie begleiten und unterstützen, damit das irgendwann selbstverständlich wird. Es ist noch nicht so, dass sie einfach ins Theater gehen, weil sie sagen, dass es sie interessiert. Es ist eine ungewohnte Situation, man muss die Information bekommen, was wann wo passiert und auch schon ein bisschen Übung haben, um zu wissen, wo man die Karten bekommt, wie die Verhaltensregeln sind …

Nadja Al-Masri-Gutternig: Ich glaube, dass trotz alledem der persönliche Kontakt wichtig ist. Der Blindenverband sagte zum Beispiel: „Macht bitte noch Führungen, bevor ihr ein attraktives Leitsystem habt. Das haben wir lieber, da begrüßt uns jemand.“ Die Einrichtungen müssen serviceorientierter werden. Das Personal ist das Gesicht nach außen, sie sind der erste Kontakt mit dem Kunden ‑ es ist also auch wichtig, dass es ihnen gut geht und sie gut geschult sind. In Salzburg gibt es dafür bald eine einheitliche, sehr professionelle Personalschulung.

Die ARGE Rainberg war Anfang der 1980er Jahre eine Protestbewegung von ca. 50 Initiativen und Gruppen gegen die Salzburger Festspielkultur, aus der heraus das heutige unabhängige Kulturzentrum ARGEkultur entstanden ist.

Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme, Nadja Al-Masri-Gutternig, Monika Daoudi-Rosenhammer ( 2018): Das inklusive Museum ‑ eine Frage von Kooperation und Vernetzung. Nadja Al-Masri-Gutternig und Monika Daoudi-Rosenhammer im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/das-inklusive-museum-%e2%80%91-eine-frage-von-kooperation-und-vernetzung/