4. Offene Fragen und Probleme
Gesellschaftliche Diskriminierungsfelder wie z.B. Klassismus, Rassismus, Ableismus etc., die strukturell wirken, können leicht übersehen werden. Sie lassen sich nur teilweise und unter Reduktion von Komplexität durch die vorgeschlagenen Kategorien abbilden und berücksichtigen. Gerade (Hoch-)Kultur-Institutionen sind an der Produktion von hegemonialer Diskriminierung beteiligt. Um diese normativen Strukturen nicht zu übersehen und in die Diskussion einzubringen, könnten hierzu kurze Texte mit theoretischen Grundlagen und Erläuterungen auf Infokarten beigelegt werden. Diese wären dann vor, während oder nach dem Durchspielen des Modells einzusetzen, um zusätzliche Denkanstöße zu liefern.
Zu weiteren Problemen führt erstens die Grenze zwischen persönlicher Befindlichkeit und Diskriminierung. Um diese Grenze auszuloten, müssen historische Muster, die Häufigkeit des Ausgesetztseins, gewachsene Ungleichheiten und die Position der Sprechenden bzw. Betroffenen mit einbezogen werden. Zweitens sind viele Modelle aus Herrschaftsperspektiven formuliert, so dass auch dies kritisch zu bedenken wäre. Drittens haben Institutionen nur bedingt Einfluss auf die zwischenmenschlichen Dynamiken, die zwischen Besucher*innen bestehen oder entstehen. Zwar kann durch Raumgestaltung und Informationsvermittlung auf sie eingewirkt werden, sie bleiben jedoch größtenteils der Kontrolle entzogen, wenn weitestgehend auf Selektionsmechanismen verzichtet werden soll.
Keines der oben genannten Referenzmodelle für Diversity kann die lebensweltliche Komplexität in ihrer Gesamtheit abbilden oder erfassen bzw. jedem vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Fall gerecht werden – so auch dieses nicht. Versteht man den Abbau von Diskriminierungsfeldern jedoch als konstanten Annäherungsprozess, an dem sich zahlreiche Theorie- und Praxisfelder beteiligen, könnte dieses Modell einen kleinen Beitrag dazu leisten.
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Während es aus einer dekonstruktivistischen Perspektive wünschenswert erscheint, Menschsein unabhängig von jeglicher Kategorisierung zu denken, lässt sich dafür argumentieren, dass es angesichts der immer noch real existierenden Ungleichbehandlungen notwendig ist, diese Kategorisierungen aufzugreifen.
Es handelt sich dabei um Oberkategorien, die innerhalb der begleitenden kulturpädagogischen Arbeit ausdifferenziert werden können. Zur Sprache zählen u.a. Gebärdensprache, Lautsprache, Leichte Sprache, Mehrsprachigkeit etc., zu Physischen Einschränkungen u.a. Körpergröße, Gehen, Sehen, Hören etc.
Bspw. lässt sich die didaktische Methode des Vom-Gegenteil-Her-Denkens einsetzen: Wie müsste eine Institution aufgebaut sein, um möglichst hohe Barrieren und viele Ausschlüsse zu produzieren? Was müsste sie tun, um besonders diskriminierend zu wirken? Die Ergebnisse dieser Methode müssen im Anschluss natürlich kritisch reflektiert werden, können aber bisher nicht Berücksichtigtes freilegen.
Alexandra Bründl, Sebastian Jacobs, Raphaela Schatz, Claudia Simair ( 2018): Diversity Balloons – Ein Diversity-Modell für Kunst- und Kulturinstitutionen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/diversity-balloons-ein-diversity-modell-fuer-kunst-und-kulturinstitutionen/