„Kultur für alle“ als emanzipatorische Praxis

Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museum, im Interview mit Persson Perry Baumgartinger und Dilara Akarçeşme

Was sind die Spezifika in Bezug auf Salzburg?

In Salzburg machen Sie an einem extrem touristischen Ort Kulturarbeit. 65 Prozent der Menschen in unserem Haus kommen im Sinne eines touristischen Kulturinteresses. Der andere Prozentsatz besteht aus Menschen aus der Stadt Salzburg und ein sehr geringer Prozentsatz kommt aus dem Bundesland Salzburg. Aus dieser Konstellation ergeben sich notwendige Maßnahmen. In Linz z.B., wo Sie ca. 5 Prozent touristische und 95 Prozent regionale BesucherInnen haben, haben Sie auch eine viel stärkere Ausrichtung auf Menschen, die im Rahmen von schulischen Veranstaltungen das Museum besuchen. Das heißt, dass hier ein Bildungsauftrag an der Schnittstelle zur Schule in ihrer Pragmatik von Ausstellungskonzeptionen oder Vermittlungsaktivitäten ganz wesentlich ist.

Mit welchen konkreten Maßnahmen reagieren Sie auf den Umstand „Salzburg als Tourismusstandort“?

Ich glaube, es wird jeder Person klar sein, dass, wenn Sie ein touristisches Publikum haben, das Thema der Fremdsprachen wichtig ist. Sie können sagen: „Gut, dann versuchen wir sehr stark auf nonverbale Vermittlung zu setzen.“ Sie können sich fragen, wie Sie z.B. über filmische Aspekte für „alle“ einen Zugang zu einem konkreten Thema verbessern können.

Zum Beispiel ist das Festungsmuseum eines unserer attraktivsten Häuser mit fast 600.000 Gästen pro Jahr. Da versuchen wir derzeit, das Museum sehr klar programmatisch neu aufzustellen, da die Menschen sich konkret über Salzburg informieren wollen. Einerseits behandeln wir in diesem Zusammenhang das Thema Mittelalter und Salzburg. Andererseits haben wir versucht, die gesamte Ausstellungsgestaltung, das Display, bzw. die Vermittlung so zu setzen, dass wir kaum verbale Vermittlung brauchen. Dafür verwenden wir vor allem das Medium Film. Und alles, was wir an Texten bringen, machen wir in Leichter Sprache. Wir verzichten also ganz bewusst auf jegliche Trennung von Leichter Sprache und der komplexeren Grammatik und verwenden nur Leichte Sprache.

Das heißt, Sie können an verschiedenen Standorten verschiedene Schwerpunkte setzen?

Ja, wobei man auch sagen muss, dass in Salzburg vor zehn Jahren Dieter Bogner beauftragt wurde, ein Museumsleitbild zu erstellen. Mit unserem Schwerpunkt „Mittelalter“ reagieren wir konstruktiv auf dieses Museumsleitbild der Nullerjahre.

Sind Sie als Museum von Unterschieden zwischen Stadt und Land Salzburg betroffen? Und welche Unterschiede gibt es Ihrer Meinung nach?

Für Schulen in der Stadt ist das Museum ein viel stärker praktizierter außerschulischer Lernort. Für Schulen aus anderen Regionen ist es schwieriger, dies auch so zu nutzen. Wir haben ein eigenes Programm mit unserem Museumsverein, der versucht, über die Bezahlung oder Bezuschussung von Buskosten Mobilität zu fördern. Gleichzeitig arbeiten wir an verschiedenen Modellen, wie wir als Salzburg Museum mit PartnerInnen vor Ort in den Regionen auch entsprechende Projekte ausarbeiten können.

Aber das ist wirklich ein wichtiges Thema, und die Bundesländer haben auch unterschiedliche Erfahrungen. Manche haben sehr explizite Programme, wo es für SchülerInnen in unterschiedlichen Bundesländern Standard ist, die Bundeshauptstadt und ihre Kultureinrichtungen zu besuchen, wie es früher in Österreich mit der Wienwoche der Fall war.

Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme, Martin Hochleitner ( 2018): „Kultur für alle“ als emanzipatorische Praxis. Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museum, im Interview mit Persson Perry Baumgartinger und Dilara Akarçeşme. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/kultur-fuer-alle-als-emanzipatorische-praxis/