„Kultur für alle“ als emanzipatorische Praxis

Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museum, im Interview mit Persson Perry Baumgartinger und Dilara Akarçeşme

Mobilität ist ein wiederkehrendes Thema in Salzburg. Glauben Sie, würde sich etwas ändern, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel besser ausgebaut wären?

Der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel ist immer mit Vorteilen verbunden. Und Kultureinrichtungen profitieren natürlich auch davon. Es ist auch nachgewiesen, dass der Konzert- oder Theaterbesuch durch verlängerte Fahrpläne ermöglicht wird. Wir sehen da riesen Interesse und unser Museumsverein leistet hier Großartiges bei der Bezahlung von öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. Bussen.

Wir haben als Salzburg Museum jetzt seit über zehn Jahren das Konzept, dass Kinder und Jugendliche im Klassenverband freien Eintritt ins Museum haben. In diesem Sinne versuchen wir auch, Angebote sehr explizit auf den Lehrplan nicht nur auszurichten, sondern zu sagen, „dieses Konzept passt perfekt zu diesem und jenem Lehrplan, dieser und jener Schulstufe“. Die wichtigen Fragen betreffen dann oft die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Schulen was Schulausflüge, Betreuungssituationen, Betreuungsverpflichtungen oder Haftungsfragen angeht, wenn es darum geht, Kultur für alle im Museum zu ermöglichen. Und ob diese Rahmenbedingungen förderlich sind.

Was sind Ihrer Meinung nach konkrete Exklusionsmechanismen in Salzburg in Bezug auf kulturelle Teilhabe?

In dem Museum, das ich hier zu verantworten habe, setzen wir keine Exklusion. Im Gegenteil. Jede Bemühung und jede Aktivität ist im Sinne einer Inklusion angelegt. Die einzige Hürde bzw. der einzige Moment des Ausschlusses ist, dass wir montags einen Ruhetag haben, damit die gesamte Logistik im Museum verbessert wird. Ansonsten sind wir, so hoffe ich, was räumliche, organisatorische, finanzielle und inhaltliche Faktoren betrifft, extrem offen. Wer in das Salzburg Museum kommen möchte, kann das und ist auch entsprechend eingeladen. Die Person kann das zum Teil gratis machen, hat die entsprechenden Vorbereitungen auf einer barrierefreien Homepage, ist dann im Haus barrierefrei unterwegs und wird auch als jeweilige Zielgruppe erkannt, entsprechend adressiert und mit Programmen unterstützt. Für andere Kultureinrichtungen kann ich nicht sprechen, da ich nicht den Einblick habe.

Wie sieht es aus, wenn man Exklusion auch über Barrierereduzierung hinaus sieht?

Das war nur ein Beispiel. Man ist als Zielgruppe adressiert und entsprechend erreicht. Das betrifft die Vielfalt an Kulturen genauso wie eine tatsächliche Beeinträchtigung.

Welche Rolle spielt die Bevölkerung und Zivilgesellschaft bzw. spielen Lai*innen in Bezug auf Partizipations-, Teilhabe- oder Emanzipationsansätze?

Sie spielen insofern eine Rolle, als wir für jede Gruppe ein entsprechendes Angebot formulieren. Wir adressieren Gruppen und versuchen hier auf konkrete Fragestellungen und Bedürfnisse explizit zu reagieren.

Wie erheben Sie den Bedarf?

Das ist grundsätzlich immer ein Thema des Gespräches. Wir führen z.B. Gespräche mit den Cityguides in Salzburg und fragen konkret, ob wir als Museum zu einer aufgeworfenen Fragestellung eine mögliche Antwort liefern können und ob es vonseiten dieser Gruppe einen Bedarf in Bezug auf das Museum gibt. Das reicht von Workshops zum Sattlerpanorama bis zu z.B. Deutschkursen, die wir versuchen, mit dem Bildungswerk zu erarbeiten, um im Rahmen einer konkreten Frage der Migration, der Kompetenzaneignung, auch eine Antwort geben zu können. Das ist auch immer ein Austausch und dazu gibt es Foren in Salzburg, in denen diese Diskurse stattfinden.

Beispielsweise haben wir uns ganz bewusst mit der Gruppe der BerufsschülerInnen auseinandergesetzt, indem wir mit ihnen und mit LehrerInnen Programme entwickelt haben, wie wir im Salzburg Museum zum Unterrichtsfach politische Bildung Angebote formulieren können. Diese sind dann auch so betitelt worden und finden gerade eine Fortsetzung.

Mir scheint, dass ein Museum auch einen bestimmten Modellcharakter bzw. Statementcharakter hat. Man kann bestimmte Themen modellhaft ansprechen und sichtbar machen, indem man im Museum z.B. einen Deutschkurs für MigrantInnen exemplarisch anbietet, ohne den Kostendruck von anderen Bildungseinrichtungen erfüllen zu müssen. Man kann etwas erproben. Für eine Volkshochschule ist das z.B. die tägliche Praxis, für uns hingegen ein spannendes Projekt.

Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme, Martin Hochleitner ( 2018): „Kultur für alle“ als emanzipatorische Praxis. Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museum, im Interview mit Persson Perry Baumgartinger und Dilara Akarçeşme. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/kultur-fuer-alle-als-emanzipatorische-praxis/