„Occupy George“: (Visuelle) „Besetzung“ des Dollarscheins
Andy Cash und Ivan Dao, die als Werbefachleute mit den Mechanismen und der Zeichensprache der Medien vertraut sind, haben sich bei „Occupy George“ eng an die gestalterisch-räumlichen Gesetzmäßigkeiten des Dollarscheins angepasst. Dadurch haben sie eine Möglichkeit geschaffen, diesen auf subversive Art und Weise zu besetzen. Die Größe der Infografiken von „Occupy George“ passt sich exakt in das Design der Dollar-Scheine ein, während die Farbgebung der Inhalte sich sehr deutlich von den grau-grünen Scheinen abhebt. Dabei wird jedoch große Aufmerksamkeit darauf gelegt, das Originaldesign der Geldscheine mitsamt Erwähnung von Wert, Seriennummer und ausgebender Bank sichtbar zu lassen. Die Aneignung bzw. Besetzung des mit materiellem und symbolischem Wert aufgeladenen Geldscheines ist somit nur partiell. Der Dollarschein bleibt auch nach dem Hinzufügen der Infografiken eindeutig ein Dollarschein, der legal im Handel gegen Waren eintauschbar ist.
Wenn Mark Dery (1990, o.S.) (* 4 ) Culture Jamming „artistic ‘terrorism’ directed against the information society in which we live” nennt, bezieht er sich auf den von ihm geprägten Begriff der „guerilla semiotics“ (Dery 1993: o.S.), (* 5 ) der subversive Attacken aus einer Situation der scheinbaren Unterlegenheit heraus beschreibt. Ivan Cash und Andy Dao haben weder den Anspruch noch die Möglichkeit, den Dollar als Symbol einer ungleichen Verteilung des Reichtums zum Einsturz zu bringen, sondern wollen durch ihren Eingriff in dessen Symbolik die Menschen irritieren und zur Reflexion über dessen inhärentem Wertsystem anregen. Dafür müssen aber durchaus die Spielregeln in diesem Fall die Gesetze und Zeichensysteme ernst genommen werden. In ihrer Aktion geben Cash und Dao George Washington als öffentliche Figur deshalb nicht der Lächerlichkeit preis, sondern nehmen im Gegenteil seine symbolische Bedeutung sehr ernst. Denn nur indem das Zeichensystem des Dollars zumindest partiell erhalten bleibt, und eine geschickte Anpassungsstrategie entwickelt wird, kann ein „detournement“ seiner Zeichen stattfinden. Sowohl von Seiten der RezipientInnen als auch der KünstlerInnen wird dementsprechend ein sehr genaues Bewusstsein dieser öffentlich verhandelten Symbole vorausgesetzt, denn jeder Culture Jam und jede Persiflage funktioniert nur, wenn die Methoden und deren Symbolhaftigkeit bekannt sind. Erst dadurch wird ein Verhandlungsraum über bestehende und alternative Bedeutungszuschreibungen eröffnet.
Tobias Kösters ( 2013): Money knowledge is power. Künstlerische und mediale Strategien von „Occupy George“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/money-knowledge-is-power/