„Occupy George“ als integrative Kommunikationsstrategie
Auf der Webseite des Projektes findet man etliche weitere Möglichkeiten, das Projekt zu unterstützen und seine Botschaften zu teilen: Über Twitter, Facebook, Flickr oder Blogposts kann man auch auf digitalem Wege dem Projekt eine Plattform bieten. Zusätzlich kann man über eine Karte die dem Wohnort nächsten Occupy-Versammlungsorte finden. „Occupy George“ und die Occupy-Bewegung an sich sind Paradebeispiele der vernetzten Protestformen des 21. Jahrhunderts, bei dem sich der Protest auf der Straße mit dem virtuellen Raum ergänzt und verschränkt. Im Rahmen von „Occupy George“ wird die Überlappung der verschiedenen Begriffe von Öffentlichkeit demonstriert: „Alte“ Medien, neue Medien, physischer Stadtraum und informelle Informationsträger bilden einen Teil einer gemeinsamen Kommunikationsstrategie. Das Internet und seine sozialen Netzwerke bieten den verschiedenen Occupy-Gruppen die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen, aber auch für ihre Agenda neue Öffentlichkeiten zu erreichen, die durch den beschränkten Zugang auf die „alten“ Medien und deren geographisch limitierten Verbreitungskanäle früher unerreichbar gewesen wären. Die Occupy-Bewegung, anfangs rein auf New York beschränkt, schwappte so im Schneeballprinzip über die USA und nach Europa. Auch „Occupy George“ fing ähnlich an: Nachdem die aus San Francisco stammenden Cash und Dao anfangs im Occupy Oakland Camp frische Scheine bedruckten und eintauschten, verbreiteten sich die Idee und die Stempelvorlage in Windeseile viral über das Internet und erreichten Zeitungen und Magazine, sodass innerhalb kürzester Zeit an den unterschiedlichsten Orten Kaliforniens und im Rest der USA bedruckte Scheine zu finden waren (vgl. Tactical Technology Collective 2011). (* 9 )
Anonymität als Gegenmodell?
Cash und Dao beschränken sich in der (medialen) Verbreitung des Projektes allerdings nicht auf die Occupy-Bewegung und das Internet, sondern nahmen beispielsweise auch am Prix Ars Electronica teil, einem renommierten medienkünstlerischen Preis in Linz, bei dem das Projekt unter den 15 PreisträgerInnen der Kategorie „Interactive Art“ war. An diesen Prämierungen zeigt sich jedoch auch das – verborgene – Dilemma medienkritischer Kunstaktionen. Die schwierige Position der Systemkritik zwischen einer benötigten Medienöffentlichkeit, die öffentlich wirksame Stars einfordert, und dem Bestreben, die eigene Integrität im Kontext der eigenen politischen Basis nicht aufzugeben, lässt sich auch im Falle von Andy Dao und Ivan Cash nachvollziehen. Der kollektive Netzwerkgedanke der Open Source-Bewegung, die ohne einzelnen „Star“ auskommt, der die Autorschaft eines Projektes beansprucht und nach außen repräsentiert, schwingt auch bei der medialen Außendarstellung von „Occupy George“ mit. Denn die Gründer sind auf der Webseite des Projektes nicht erwähnt und treten in Presseartikeln nur mit ihren Pseudonymen auf. Nicht persönliche Berühmtheit, sondern das politische Anliegen soll vermittelt und kommuniziert werden.
Doch auch diese selbst auferlegte Anonymität sowie das (dennoch) große Medieninteresse sollten im Verhältnis zur beruflichen Position und den damit verbundenen Kompetenzen als ausgebildete und praktizierende Werbefachleute hinterfragt werden. Denn im Falle von Cash und Dao zeigt sich ein (persönliches) Spannungsfeld, in dem sich zahlreiche künstlerisch agierende KapitalismuskritikerInnen bewegen. Cash und Daos nichtkommerzielles Culture Jamming-Engagement ist nur so lange ein utopisches Gegenmodell, wie man ausklammert, dass sie im „echten“ Leben als Werbefachleute aktiver Teil der Industrie sind, deren hegemoniale und konsumorientierte Praktiken sie mit ihrem „Freizeitprojekt“ entblößen bzw. kritisieren. „Occupy George“ steht somit m.E. exemplarisch für die Chancen, Risiken und Widersprüche, denen sich system- bzw. kapitalismuskritische Kunst stellt, die im öffentlichen Raum agiert und dessen Mechaniken thematisiert. So kann das Design der Dollarscheine mit ihrer symbolischen Überlagerung auch als widersprüchliche Metapher dafür gesehen werden, zwischen Anpassung und Kritik jenseits des Museumsbetriebes und traditioneller PR einen eigenen Weg in die Öffentlichkeit zu beschreiten.
Tobias Kösters ( 2013): Money knowledge is power. Künstlerische und mediale Strategien von „Occupy George“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/money-knowledge-is-power/