„We don’t have to invent diversity, because diversity just is”

Stimmen und Perspektiven für mehr Diversität und Diskriminierungskritik im Kulturbetrieb

Ungleichheit im Zugang zu Kunst und künstlerischer Produktion kennzeichnet seit jeher Kunst- und Kultureinrichtungen in europäischen Gesellschaften. Die von Künstler:innen innerhalb und außerhalb der Institutionen immer wieder aufs Neue artikulierte Kritik am exkludierenden Wesen und der homogenen Beschaffenheit der Räume künstlerischen Ausdrucks hat sich über die Jahrzehnte gegen die Tradition dieser Häuser aufgelehnt, ohne bisher an ihren Verfasstheiten und den Strukturen des Kultursektors grundlegend etwas zu verändern.

Hier setzt seit 2020 die Initiative D/Arts – Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog an. D/Arts vereint zahlreiche Künstler:innen, Kulturarbeiter:innen und Kulturinstitutionen, die sich in breiter Allianz für mehr Diversität und Diskriminierungskritik in Kunst und Kultur stark machen. Ziel ist es, gemeinsam eine Transformation der Kulturlandschaft hin zur Anerkennung der pluralen Gesellschaft zu bewirken. Denn Vorstellungen von künstlerischer ‚Exzellenz‘ werden weiterhin institutionell zelebriert und nach außen getragen. Dabei bleibt weitgehend unbesprochen, wer die Definitionshoheit über Qualitätskriterien hat oder wer überhaupt bei der Etablierung von Qualitätsstandards mitsprechen kann. Institutionell betrachtet, interessiert bisher das Thema Diversität und Diskriminierungskritik vor allem auf der Ebene des Publikums, also wenn es darum geht, neue Besucher:innengruppen zu erreichen. Die Bemühungen werden oftmals mit Outreach-Projekten umgesetzt, während Schwellen und Ausschlüsse aufgrund der spezifischen Codes und Verhaltensregeln in den Häusern unhinterfragt bleiben. Damit bestehen viele kulturelle Hochburgen weiterhin als Begegnungszonen ausgewählter Eliten fort.

Debatten um Diversität in der Kulturlandschaft Österreichs haben in den letzten Jahren die Diskussionen rund um kulturelle Teilhabe und die Öffnung von Institutionen neu entfacht. Ob diese Diskurse institutionelle Transformationsprozesse in Gang setzen und vorantreiben können, hängt stark vom Verständnis des Diversitätsbegriffs ab, der als Ausgangspunkt genommen wird. Das betonen auch Sandrine Micossé-Aikins und Bahareh Sharifi vom Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung Diversity Arts Culture in einer Publikation aus dem Jahr 2019: „Wenn […] mit dem Begriff ‚Diversität‘ operiert wird, dann sollte vorher genau geklärt werden, was unterschiedlich involvierte Interessengruppen darunter verstehen, was das Ziel der Initiative ist und um wen es gehen soll.“ (Micossé-Aikins/Sharifi 2019: o.S.)star (*1) Geht es im Zusammenhang mit dem Begriff Diversität beispielweise um die vielfach geforderte ‚Öffnung der Kulturinstitutionen‘, stellt sich zuallererst nämlich die Frage, ob es eine Übereinkunft dahingehend gibt, wofür diese Kulturbetriebe sich denn öffnen möchten.

Ausgehend von diesen Überlegungen hat sich das Redaktionsteam der aktuellen Ausgabe #13 des eJournals p/art/icipate in einer Vielzahl an Gesprächen mit unterschiedlichen Künstler:innen und Kulturakteur:innen über ihre Haltungen und Blickwinkel in Bezug auf Diversität und Diskriminierungskritik ausgetauscht. Diese Interviews bilden somit den Kern des vorliegenden eJournals, welches sich als Dokumentation und Reflexion von D/Arts – Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog versteht.

Ausgangspunkt unserer Auseinandersetzung ist dabei die unbestreitbare Tatsache, dass wir in einer diversen Gesellschaft leben. Dies betont auch Hassan Mahamdallie, ehemaliger Senior Strategy Officer am Arts Council England, im Interview “The way we organize the arts in the West needs to be rebuilt from the ground up” mit Anita Moser und Ielizaveta Oliinyk und meint: „[W]e don’t have to invent diversity because diversity just is.” Entscheidend dabei ist jedoch, ob und wie Diversität in unserer Gesellschaft verhandelt und (nicht) anerkannt wird und welche sozialen und politischen Folgen daraus resultieren. „Blocking out diversity, confining diversity or trying to limit diversity is a human thing that we’ve done. Therefore, it’s not so much about creating diversity as it is about dismantling barriers and fighting inequalities which are structural and man-made and therefore can be altered.”

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Micossé-Aikins, Sandrine/Sharifi, Bahareh (2019): Kulturinstitutionen ohne Grenzen? Annäherung an einen diskriminierungskritischen Kulturbereich. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE:
https://www.kubi-online.de/artikel/kulturinstitutionen-ohne-grenzen-annaeherung-einen-diskriminierungskritischen-kulturbereich (11.09.2022)

Ar/ctivist ist eine Begriffsmelange aus Artivist und Activist und betont Gin Müllers Aktivismus in Bezug auf Kunst, aber auch in anderen gesellschaftlichen Feldern.

Elisabeth Bernroitner, Anita Moser, Ivana Pilić ( 2022): „We don’t have to invent diversity, because diversity just is”. Stimmen und Perspektiven für mehr Diversität und Diskriminierungskritik im Kulturbetrieb. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 13 , https://www.p-art-icipate.net/we-dont-have-to-invent-diversity/