„Das Dorf wird noch globaler werden“ – Digitale Teilhabe, Potenziale und Herausforderungen im Rahmen regionaler Kulturarbeit in Salzburg

Andrea Folie im Interview mit Dilara Akarçeşme

Wir haben bisher viel über die Potenziale in den Regionen gesprochen. Was sind wiederum die Herausforderungen für regionale Kulturarbeit in Salzburg?

Das Thema der Mobilität ist zentral. Wenn man sich die Landkarte Salzburgs ansieht, gibt es Richtung Flachgau und Tennengau bessere Verbindungen, was den kulturellen Austausch fördert. Durch diese Mobilitätsmöglichkeit findet Teilhabe auf einer ganz anderen Ebene statt. Wenn ich mir allerdings den Pinzgau, den Pongau und den Lungau ansehe, sind diese in Täler unterteilt. Der Pinzgau ist zusätzlich rechts und links verzweigt. Hier beginnt das Problem der Mobilität, da viele keinen Führerschein besitzen. Der letzte Bus, der am Abend von Saalfelden nach Unken und Lofer fährt, startet um 19:15 Uhr. Vielleicht will ich aber dort noch einmal in ein Seitental hinein! Wie soll ich unter diesen Umständen an irgendetwas teilnehmen? Das funktioniert überhaupt nicht. Wenn ich mir beispielsweise das Saalachtal ansehe, sind das zehn Gemeinden. Die Leute aus dem unteren Saalachtal, sprich Unken, Lofer und Weißbach, haben nicht immer die Möglichkeit, nach Saalfelden zu fahren, wenn es dort eine Veranstaltung oder einen Workshop gibt.

In Saalfelden führen wir zwei Projekte durch, eine Kooperation mit dem Theater ecce im Nexus und ein Projekt mit dem Bildungszentrum Saalfelden, das gemeinsam mit Ton und Farbe gestaltet wird. Wir hätten das Projekt auch im unteren Saalachtal abieten können bzw. haben das gemacht. Besser ist es allerdings, wenn es schon ein Angebot in der Region gibt, sich zusammenzuschließen und dadurch wieder größere kulturelle Teilhabe zu schaffen. Damit stellt sich allerdings die Frage der Mobilität. Bei Querbeet haben wir zumindest heuer noch eine Möglichkeit mit einem Mitarbeiter, der Menschen zu diesen Veranstaltungen fährt und sie betreut.

Eine weitere Herausforderung sind die mangelnden Personalstellen, die allerdings unbedingt notwendig sind, um eine Professionalisierung gewährleisten zu können. Wir müssen zum Beispiel reflektieren: „Wie können wir unseren Verein professionalisieren? Wir haben in den letzten 20 Jahren ehrenamtlich gearbeitet. Wie kann man nun eine Personalstelle schaffen?“ Uns geht es darum, die Personen in der Nachhaltigkeit zu unterstützen, weil es meistens Ehrenamtsvereine sind. Wir wissen alle, wie das funktioniert, auch bei Querbeet: Man hat Ideen, man setzt sie um und wenn es fertig ist oder man nicht mehr weitermacht, ist das Projekt vorbei. Sobald öffentliche Gelder fließen oder Ideen in der Gemeinde vorhanden sind, sollte nachhaltig angesetzt werden, sodass kommende Generationen weitergestalten können. Dafür ist es wichtig, nicht mehr von Ehrenamt zu sprechen, sondern eine bezahlte Stelle zu schaffen. Denn nur, wenn ich bezahlt werde, kann ich auch professionelle Arbeit gestalten.

So geht es vielen Kulturvereinen und wir stehen im Moment vor einigen Fragen, wie bestimmte Kulturvereine weiterhin getragen werden können. Viele Personen gehen gegenwärtig in Pension. Das sind Vereine, die zum Großteil ehrenamtlich erstellt wurden und wir möchten in diesem Bereich nun eine gewisse Professionalität hineinbringen, sodass eine Nachhaltigkeit gewährleistet ist. Wenn es Menschen in der Gemeinde gibt, die professionell in einen kleinen Kultur- oder Kunstverein tätig sind, kann dort eine ganz andere zeitgenössische Arbeit implementiert werden. Damit kann auf politischer Ebene ganz anders argumentiert werden als auf ehrenamtlicher Basis, denn im Gegensatz zu einer Voll- oder Teilzeitstelle kann man sich auf ehrenamtlicher Basis gar nicht das notwendige Wissen aneignen.

In den letzten Jahren ist das Thema der Vernetzung immer wichtiger geworden. Ich finde es sehr schwierig, wenn sich Vereine oder Institutionen etablieren und alle für sich arbeiten. Das ergibt für mich keinen Sinn. Wenn wir uns zusammenschließen und vernetzen, haben wir eine größere Bandbreite ‑ angefangen von der Zielgruppe über die politische Lobbyarbeit bis hin zum Projekt, das sich daraus entwickeln kann. Ich finde, man muss weg von dieser Art des Denkens: „Das ist mein Projekt! Das gehört mir! Das darf kein anderer haben! Ich darf keinen anderen hineinschauen lassen!“ Visionen für ein Land und eine Region können nur entstehen, wenn man sich öffnet und mit möglichst vielen Personen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenschließt. Das Konkurrenzdenken muss aus dem Kunst- und Kulturbereich heraus.

„Ankommenstour Querbeet“ ist eines von vielen Projekten des Salzburger Verein IKULT, mehr Informationen zu IKULT s. http://ikult.at/ bzw. https://ikultblog.wordpress.com/

Der Verein „IKULT. Interkulturelle Projekte und Konzepte“ fördert regionale Arbeit und digitale Vernetzung im Raum Salzburg, s. https://ikultblog.wordpress.com.

Dilara Akarçeşme, Andrea Folie ( 2018): „Das Dorf wird noch globaler werden“ – Digitale Teilhabe, Potenziale und Herausforderungen im Rahmen regionaler Kulturarbeit in Salzburg. Andrea Folie im Interview mit Dilara Akarçeşme. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/das-dorf-wird-noch-globaler-werden-digitale-teilhabe-potenziale-und-herausforderungen-im-rahmen-regionaler-kulturarbeit-in-salzburg/