Friends Quartett
Ein Projekt im Rahmen von „900 Million Friends? Social Media im Kunst- & Kultursektor“ (Florian Bettel gemeinsam mit ohnetitel – Netzwerk für Theater- und Kunstprojekte)
6. Fazit
Insgesamt konnte beim ersten Mal nur eine Runde gespielt werden, bevor eine IKEA-Mitarbeiterin uns dazu aufforderte, den Schauraum zu verlassen, da wir angeblich Kunden stören würden. Das Projekt war dennoch sehr aufschlussreich. Es begann mit Überlegungen zur Authentizität von User-Daten in den Social Media und entwickelte sich zu einer spielerisch kritischen Reflexion von virtueller Freundschaft und Selbstdarstellung.
Das Spiel führte bei Teilnehmern und Interessenten zu Irritationen. Erste Verwunderung äußerte sich zum Bewertungssystem der Karten. Für viele war es unverständlich, warum weniger Freunde und Likes besser wären, da es eine Umkehrung des existierenden Wertesystems darstelle. Die größte zu überwindende Hürde für die Beteiligten war aber der Spieleinsatz.
Die Weigerung, etwas Belangloses auf die eigene Pinnwand zu schreiben, also in gewisser Weise „Informationsmüll“ zu erzeugen, scheint damit im Zusammenhang zu stehen, was andere über einen denken könnten. Nach Wiedemann ist Facebook eine Bühne der Selbstdarstellung, mit Fotos und Statusmeldungen präsentiert man sich vor der Jury des sozialen Netzwerkes (vgl. Leistert 2011: 174 (* 5)). Eine Spielteilnahme unter Einsatz eines Postings scheint demnach nur für jene Personen vorstellbar, die nicht so viel Wert darauf legen, was die virtuelle Community über sie denkt. Interessant war, dass das mehrfache Veröffentlichen ein und der selben Statusmeldung zu einer erhöhten Aufmerksamkeit seitens der Freunde führte. Näher betrachtet eine normale Reaktion, denn das häufige Wiederholen eines Satzes ist irritierend. Wenn wir uns vorstellen, jemand erzählt uns in einem Gespräch fünf mal das Gleiche im selben Wortlaut, werden sich die meisten unweigerlich fragen, warum?
Negative Reaktionen können das „digitale Ego“ einer Person verletzen, dazu gehört auch das Defrienden. Es ist nicht für jeden ein unbedeutendes Ereignis, im Gegenteil, es kann die Gefühle verletzen (vgl. Hare 2009: o.S. (* 15 )). Dies ist sicherlich ein Grund, warum sich Menschen weigern, virtuelle Freunde zu löschen, ausschlaggebend mag auch sein, dass sich einige User über die Anzahl der Freunde definieren. Entferne ich aber einen Kontakt aus meiner Freundesliste, wird dieser gar nicht darüber informiert. Der Betreffende erfährt es erst, wenn er mein Profil aufrufen möchte, dass nun für ihn gesperrt ist. Ein entfernt Bekannter wird es womöglich gar nicht erst bemerken, problematischer ist es hingegen bei einem wirklich guten Freund. Tritt dieser Fall ein, kann der Teilnehmer diesem nach Spielende den Sachverhalt erklären und ihn wieder hinzufügen, im Prinzip kann einem also gar nichts Schlimmes passieren. Inwieweit die Erhöhung der Gewinnsumme zu einer stärkeren Beteiligung geführt hätte, ist fraglich, denn ein ähnliches Experiment wurde in der Sendung taff gestartet. In diesem Fall hat eine Frau zehn Freunde für eine Tüte gebrannte Mandeln gelöscht und eine andere sogar ihre ganze Freundesliste, damit sie an einem Glücksrad drehen durfte, auf dem auch sehr geringe Preise warteten (vgl. Facebook-Freunde löschen 2012: TC 00:00–06:00
(* 27)). Die Reaktionen der Nichtspieler in beiden Fällen zeigen, dass sich die Menschen zu sehr über ihr virtuelles Selbst auf Facebook definieren.
Birgit Ortner ( 2013): Friends Quartett. Ein Projekt im Rahmen von „900 Million Friends? Social Media im Kunst- & Kultursektor“ (Florian Bettel gemeinsam mit ohnetitel – Netzwerk für Theater- und Kunstprojekte) . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/friends-quartett/