Comic und Erinnerung

Oral History im Werk von Emmanuel Guibert

Die Dissertation mit dem Titel „Comic und Erinnerung. Oral History im Werk von Emmanuel Guibert“ von Bettina Julia Egger ist Anfang 2020 nun auch in Buchform beim Christian Bachmann Verlag erschienen. Die Autorin absolvierte das Doktoratskolleg „Die Künste und ihre öffentliche Wirkung: Konzepte-Transfer-Resonanz“ (2015-2018) am Kooperationsschwerpunkt „Wissenschaft und Kunst“.

Historisches dient in Comics – man denke nur an Asterix – seit den Anfängen dieser Gattung als wichtige Inspirationsquelle. Als Sub-Genres entwickelten sich sogenannte Geschichtscomics, etwa Kriegs- oder Holocaustcomics, in denen jeweils mehr oder weniger faktenbasiert auf geschichtliche Ereignisse Bezug genommen wird. Verstärkt seit den 1990ern entstand mit den dokumentarischen Comics eine Form, für die in der Tat das auf Fakten beruhende Erzählen konstitutiv war. In Reportage-Comics, (auto-)biographischen Comics und Zeugenberichten in Comicform rückte die Fiktion in den Hintergrund.

Im Kontext dieser (auto-)biographischen Comics sind die Werke des französischen Comicautors Emmanuel Guibert zu verorten. Gleichzeitig unterscheiden sie sich allerdings erheblich davon: Guibert wendet in seinen Schaffensprozessen Oral-History-Methoden an. Er führt jahrelang Gespräche mit Zeitzeugen, welche er sich infolgedessen in unterschiedlichen Schritten aneignet. Basierend auf dieser Gedächtnisarbeit bringt er die Erinnerungen seiner Gesprächspartner schließlich in Form von Oral History-Comics zu Papier: mit dem Ziel, ihren jeweils „einzigartigen Stimme[n] […] und ihre[n] im Dialog geformten, autobiographischen Erinnerungen eine materielle Form zu geben“. (Egger 2020: 10)star (*1)

Welche Arten von (auto-)biographischen Erinnerungen werden in Guiberts Werken anhand welcher narrativer Verfahren inszeniert? Wie setzt der Künstler die dem Comic eigene, visuell-verbale Form zur Darstellung von Erinnerung ein? Diesen Fragen wendet sich die Comic-Künstlerin und Wissenschaftlerin Bettina Egger in „Comic und Erinnerung. Oral History im Werk von Emmanuel Guibert“ zu. In einem wissenschaftlichen Teil unterzieht sie insgesamt acht Werke von Guibert, veröffentlicht zwischen 2000 und 2016, einer produktions-, werk- und rezeptionsästhetischen Analyse. Wendet man das Buch, so findet man einen künstlerischen Beitrag vor: ein von Egger gezeichnetes Comicinterview mit Guibert, das sie auch selbst geführt hat. Ohne den theoretischen Teil zu illustrieren, wirkt der künstlerische Part erhellend auf die aus den Analysen hervorgehenden Ergebnisse – und umgekehrt. Beide Teile können aber auch völlig unabhängig voneinander gelesen werden.

Das Nebeneinander wie auch das Ineinandergreifen von Wort und Bild, von künstlerischen und wissenschaftlichen Annäherungen zeichnen diese Publikation ganz besonders aus, machen sie sehr empfehlenswert – und bleiben in Erinnerung.

 

star

Egger, Bettina Julia (2020): Comic und Erinnerung. Oral History im Werk von Emmanuel Guibert. Berlin: Ch. A. Bachmann Verlag

Katharina Anzengruber ( 2020): Comic und Erinnerung. Oral History im Werk von Emmanuel Guibert . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/comic-und-erinnerung/