„Enter now“: Digitalisierung, virtuelle Kunst und Partizipation

David Röthler im Gespräch mit Dilara Akarçeşme

David Röthler ist Experte für Online-Kommunikation und Online-Bildung. Im Interview erzählt er von aktuellen und ehemaligen Projekten und Erfahrungen an der Schnittstelle von Digitalisierung, Kunst, Kultur und Partizipation.

 

Was bedeutet für dich „Kultur für alle“ und wie setzt du in deinen Projekten kulturelle Teilhabe um?

Kultur für alle erinnert mich an die neuen sozialen Bewegungen der 70er Jahre. Man kann sicher noch andere Bezüge dafür finden, aber Ausgangspunkt dieser Bewegungen war die Studentenbewegung der 68er mit ihren radikaldemokratischen bis hin zu anarchistischen und emanzipatorischen Ansätzen.

Meine aktuellen Projekte sind weniger kultur-, sondern eher bildungsbezogen. Der erste Schritt für Teilhabe ist, Möglichkeiten für Öffnung und Zugänglichkeit zu schaffen. Das passiert hauptsächlich mit digitalen Mitteln. Im Bereich kultureller Bildung wären zum Beispiel Kulturprojekte in Videokonferenzformaten vorstellbar. Der Unterschied ist, dass etwa die Schwelle zum Betreten eines Hörsaals einer Universität möglicherweise eine höhere ist, als auf einen Link zu klicken, zuzuschauen und mitzumachen. Öffnung und Transparenz, hergestellt mit digitalen Möglichkeiten, sind Voraussetzung für Teilhabe oder Partizipation. Es können auch bewährte partizipative Veranstaltungsformate wie Barcamps in den Onlineraum verlagert werden. Selbstverständlich existieren immer Zugangshürden. Nichts kann für alle völlig barrierefrei sein. Man braucht zum Beispiel technische Geräte. Man muss sich trauen. Man braucht gewisse Kompetenzen, um an digitalen Formaten teilzunehmen. Die Hürde der Bindung an einen geographischen Ort fällt allerdings weg. So will ich Teilhabe in digitalen Räumen ermöglichen. Ob dort jetzt Bildung oder Kultur stattfindet, ist dabei eher Nebensache.

 

Gibt es Personengruppen, die an Projekten – auch wenn sie digital umgesetzt werden – nicht teilnehmen können?

Theoretisch können viele an vielem teilnehmen. Zugangshürden sind oft auch ganz andere als der Ort, das, was Bourdieu als Habitus bezeichnet und beschreibt, zum Beispiel. Wenn ich nicht den entsprechenden Habitus habe, ist das Betreten gewisser Räume wahrscheinlich sehr schwierig, da viel erwartet wird, angefangen von einem gewissen Auftreten bis hin zu einer bestimmten Diskursfähigkeit. Das ist eine große Hürde für Teilhabe.

 

Kannst du uns über deine Arbeit im Rahmen des Projekts Ankommenstour Querbeet erzählen?

In diesem Projekt haben wir versucht, die Treffen der Ehrenamtlichen in den Salzburger Regionen über Liveübertragungen zugänglich zu machen. Es war tendenziell ein One-to-many-Modell, was bedeutet, dass eine Person zu mehreren gesprochen hat und diese in der Regel in der Rolle der Rezipient_innen geblieben sind. Wenn etwas live ist, dann sollte es natürlich auch die Möglichkeit der Interaktion, beziehungsweise der Beteiligung geben. Das heißt, das gesamte Setting müsste darauf ausgerichtet werden. Bei der Ankommenstour Querbeet war das nicht der Fall. Wenn ein Vortrag live übertragen werden soll, wirkt das langweilig. Es ist zwar schon eine gewisse Art der Partizipation – aber nicht im eigentlichen Sinne. Im Rahmen eines partizipativen Workshops mit Onlineteilnehmenden, in dem etwas entwickelt werden soll, muss gewährleistet sein, dass diesen die gleiche Rolle zukommt wie jenen, die physisch präsent sind. Format und Moderation müssen so gewählt sein, dass alle miteinbezogen werden, auch die, die nicht vor Ort sind. Nur dann sind sie wirklich gleichberechtigt. Das ist allerdings nicht so einfach und man muss hier nach und nach dazulernen.

 

Dilara Akarçeşme, David Röthler ( 2020): „Enter now“: Digitalisierung, virtuelle Kunst und Partizipation. David Röthler im Gespräch mit Dilara Akarçeşme. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/enter-now/