„Enter now“: Digitalisierung, virtuelle Kunst und Partizipation

David Röthler im Gespräch mit Dilara Akarçeşme

Wie funktionieren diese Tools?

Ich kann etwa auf der Plattform hubs.mozilla einen Raum anlegen, der über VR-Brillen zugänglich ist. Hier steht zum Beispiel „Play with 3D objects” [zeigt auf Laptop]. Wenn ich „Enter now“ klicke, kann ich mit anderen kollektiv malen. Das ist ein 3D-Objekt, das ich kreiert habe [zeigt auf Laptop]. Das kann ich mir nun aus ganz unterschiedlichen Perspektiven anschauen. Wenn jetzt noch eine andere Person diesen Raum betreten würde, könnten wir gemeinsam malen oder Objekte gestalten. Das kann ich über die vorhandene Oberfläche schaffen. Wenn ich über die VR-Brille in das Programm einsteige, bin ich wirklich in diesem Setting drinnen und kann dort herumlaufen. Dann kann ich das, was man dort gemeinsam produziert hat, von unterschiedlichen Seiten betrachten und bearbeiten. Das wäre tatsächlich eine Form von künstlerischer Produktion.

Dann gibt es zum Beispiel Google Tilt Brush. Google will im Gegensatz zu Mozilla zwar ein bisschen Geld, dafür sieht es aber auch sehr cool aus. Dort befindet man sich ebenso im 3D-Raum. Das sieht man allerdings nur, wenn man eine VR-Brille aufhat. Mit dieser Brille kann man auch in diese dreidimensionalen Objekte hineingehen und an ihnen arbeiten oder anderen dabei zusehen, wie sie an ihnen arbeiten. Ich muss mich also nicht mehr in einem physischen Raum befinden, um zusammen Objekte zu kreieren. Das ist auch kein Bild mehr, sondern eine Skulptur, an der man kollektiv arbeiten kann.

Digitales Malbuch

Oft steht unter den Werken eine Beschreibung, etwa die Lizenz betreffend. Im Hinblick auf Offenheit und Partizipationspotenzial ist es wichtig, dass die Inhalte unter Creative-Commons-Lizenzen stehen. Das heißt, ich kann sie zum Beispiel verwenden und weiterbearbeiten oder in eine eigene Website einbetten. Es ist insgesamt spannender, wenn Inhalte auf diese Weise für alle zugänglich gemacht werden.

 

Was kannst du zu virtuellen Museumsbesuchen sagen, die so beschaffen sind, dass ein real existierendes Museum an einem anderen Ort durch technisches Equipment simuliert wird?

Grundsätzlich handelt es sich bei dem, was du beschreibst, um keine virtuellen Museumsbesuche. Ein virtuelles Museum wäre eines, das in der physischen Welt gar nicht existiert und nicht eines, das virtuell nachgebaut ist. Tatsächlich virtuell wäre es, wenn die Kunst auch nur im Internet existieren, also nur aus Bits und Bytes bestehen würde und auch nur dort besucht werden könnte. Natürlich kann ein Museum virtuell schön nachgebaut sein. Geht man dann virtuell ins Museum? Das ist eine Frage der Definition. Das kann schon spannend sein, ist allerdings nicht wesentlich interessanter, als wenn Google in Archiven Kunstwerke digitalisiert. Dort kann man sich eben Kunstwerke, die physisch existieren, digital anschauen. Beispielsweise kann man eine Arbeit von Frida Kahlo ganz genau, bis ins kleinste Detail betrachten, weil es die Möglichkeit gibt, sehr weit in sie hinein zu zoomen. So nahe könnte man am physischen Objekt nie sein, digital geht das aber. Das ist jedoch nichts Virtuelles, sondern lediglich eine zeitgemäße Form eines Kunstbildbands. Ein Bildband mit künstlerischen Arbeiten stößt im Hinblick auf die Qualität irgendwo an seine Grenzen. Digital ist die Qualität jedoch signifikant besser. Der digitale Raum eröffnet also durchaus Zugänge zur Kunst, hat aber nicht zwingend etwas mit Partizipation zu tun. Bei den genannten VR-Beispielen hingegen kann ich mir ein Werk nicht nur anschauen, sondern kann auch mitmachen.

 

Gibt es noch andere Möglichkeitsräume, die VR oder AR öffnen?

Es gibt zum Beispiel Altspace, eine von Microsoft gekaufte VR-Kommunikationsplattform, die tolle Möglichkeiten bietet, sich zu beteiligen. Man trifft sich mit Personen aus aller Welt im virtuellen Raum zu spezifischen Themenblöcken, versteckt hinter Avataren. Man spricht also miteinander, aber man sieht sich nicht wirklich. Man kann gemeinsam Spaß haben, zum Beispiel Trampolin springen gehen, während es völlig in den Hintergrund tritt, wie die Personen in der Realität aussehen. Das heißt, das erleichtert den Zugang, weil man sich nicht sieht, aber trotzdem super miteinander im Raum interagieren kann. Das kann man von jedem Dorf aus machen, und das ist das Besondere, da es nicht in jedem Dorf eine Gruppe mit gleichgesinnten Personen gibt. Beispielsweise findet regelmäßig ein LGBTIQ+ -Treffen statt. Es gibt auch eine „VR-Church Australia and Europe“, in der sich Avatare bewegen und über Gott diskutieren; oder auch Kulturelles, wie etwa Stand-Up-Comedian-Gruppen oder Impro-Theater. In der Beschreibung der Gruppe „Beat Boxing Collaboration“ steht zum Beispiel: „Join our event to add to a collective beat soundscape, where we will design together. Everyone will join the event and will add people to the mix with a microphone after they raise their hand.” Das ist ein großartiges Beispiel von gemeinsamer kultureller Produktion und Spaß. Außerdem ist es kostenlos.

 

AltspaceVR-Werbevideo

 

Braucht man dazu unbedingt eine VR-Brille und wie bewegt man sich damit im Raum?

Man kann zwar auch ohne VR-Brille mitmachen, aber die Erfahrung ist deutlich besser, wenn man eine hat. Es ist möglich, sich im Raum zu bewegen, da es Warnungen gibt, falls man Gefahr läuft, irgendwo dagegen zu stoßen. Es sind nämlich Kameras eingebaut, die die Umgebung beobachten, sodass das System genau erkennt, an welcher Stelle man sich im Raum befindet. Somit kann man sich bewegen, mit anderen Avataren interagieren und sprechen. Zum Beispiel vibriert es, wenn man sich die Hand gibt. Das sind Sachen, die man erleben muss, weil das, was ich hier zu beschreiben versuche, sonst sehr abstrakt bleibt.

 

Gibt es ähnliche Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum?

Deutschsprachiges gibt es noch wenig. Ich habe aber kürzlich eine kleine, aber wachsende deutschsprachige Community für den Bereich Bildung und VR gegründet.

 

Dilara Akarçeşme, David Röthler ( 2020): „Enter now“: Digitalisierung, virtuelle Kunst und Partizipation. David Röthler im Gespräch mit Dilara Akarçeşme. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/enter-now/