„Wir haben den Anspruch, in unserem Programm die Gesellschaft in all ihrer Vielfalt abzubilden“

Eva Schmidhuber im Gespräch mit Elke Zobl

Seit Anfang 2018 leitet Eva Schmidhuber als „Geschäftsführerin – Programm“ gemeinsam mit Alf Altendorf die Radiofabrik in Salzburg. Im folgenden Gespräch geht sie darauf ein, wie partizipative Medienarbeit in der Radiofabrik umgesetzt wird und welchen Herausforderungen und Schwierigkeiten dabei zu begegnen ist.

 

Könntest du zunächst kurz die Radiofabrik vorstellen?

Die Radiofabrik ist ein Freies Radio. Freies Radio heißt im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichem, oder privat-kommerziellem, dass es bei uns erstens einen offenen Zugang gibt. Das heißt, bei uns können, sollen und dürfen alle, die Lust dazu haben, unter Einhaltung gewisser Richtlinien, eine eigene Sendung starten. Der zweite große Unterschied ist, dass wir nicht-kommerziell, also werbefrei sind. Man hört bei uns keine Werbung on Air. Wir versuchen, die Menschen, die bei uns aktiv werden, auch entsprechend auszubilden. Das macht einen großen Teil unserer Aktivitäten aus. Dieser Bereich wächst mehr und mehr, auch weil Medienkompetenzvermittlung immer wichtiger wird. Wir bieten nicht nur Formate für unsere aktiven Radiogestalter*innen, sondern auch für Jugendliche und Schulklassen an. Wir haben sehr viele Schulworkshops. Es geht uns darum, dass möglichst viele Menschen zumindest einmal eine eigene Radioproduktion machen können, weil man dadurch sehr viel darüber lernt, wie Medien funktionieren und was alles manipuliert werden kann. Darüber hinaus setzen wir uns als Medium und als Radiosender natürlich auch mit Qualität auseinander. Das heißt, wir versuchen, die Menschen, die bei uns aktiv sind, auch wirklich weiterzubringen. Wir versuchen, mit ihnen gemeinsam an ihren Formaten zu arbeiten. In diesem Bereich haben wir vor, zukünftig noch mehr zu machen.

 

Was bedeutet Teilhabe für dich oder für euch in der Radiofabrik grundsätzlich?

Teilhabe meint für mich im weitesten Sinne, dass man bei etwas mitmachen kann. Wenn wir von kultureller Teilhabe sprechen, geht es im etwas engeren Sinne auch um die Möglichkeit, seine eigene kulturelle Ausdrucksform zu finden. Aus meiner Sicht ist es dabei wichtig, dass es vielfältige Angebote gibt, die es jeder Person ermöglichen, in der Form teilzuhaben, wie sie oder er es gerne täte. Sei es als Mitglied in einem Volksliedchor, in einer türkischen Kulturvereinigung oder eben in der Radiofabrik, wo man, in welcher Art auch immer, Radio machen kann. Aber vielfach tun das die Leute nicht von sich aus. Es ist nicht allen klar, dass kulturelle Teilhabe überhaupt möglich ist, dass es interessant und lohnend sein kann, sich einzubringen. Deshalb denke ich, ist es wichtig, dass es Organisationen wie euch gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen, oder auch solche wie die Radiofabrik und viele andere Einrichtungen und Initiativen, die vermitteln, dass Teilhabe eine Relevanz hat und auf Leute zugehen, die nicht von selbst auf die Idee kommen, um ihnen das Spannende daran näherzubringen.

 

Die partizipative Medienarbeit ist ja einer eurer Grundwerte. Könntest du anhand von konkreten Beispielen skizzieren, wie ihr den Rahmen schafft und auf Leute zugeht?

Es gibt eine Menge Menschen, die von selbst kommen und sagen: „Hallo! Ich will.“ Wir haben aber den Anspruch, in unserem Programm und in dem, was wir machen, die Gesellschaft, die es in Salzburg beziehungsweise in unserem Ausstrahlungsgebiet gibt, in all ihrer Vielfalt abzubilden. Bei uns soll jeder und jede eine Sendung machen können und das gilt nicht nur für deutschsprachige, sondern auch für nicht-deutschsprachige Leute. Wir haben momentan, glaube ich, 13 Sprachen im Programm. Das geht von Englisch, Französisch, Spanisch über Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, bis hin zu Hindu, Urdu und Arabisch. Diese Vielfalt ist im Hinblick auf viele Bereiche sichtbar, zum Beispiel das Alter betreffend. Unsere jüngsten Sendungsmacher*innen sind im Volksschulalter, die ältesten sind gerade 80 geworden und auch die Altersgruppen dazwischen sind vertreten. Wir versuchen darüber hinaus, die Vielfalt im Sinne von Stadt und Land abzubilden. Mit dem Format Stadtteilradio wollen wir außerdem unterschiedliche soziale Gruppen aus verschiedenen Stadtgegenden einbeziehen. Wie gesagt, wir versuchen, die gesellschaftliche Vielfalt abzubilden. Ganz viele von den Menschen, von denen wir finden, dass sie zu Wort kommen sollten, kommen aber eben nicht von selbst. Da sehen wir es als unsere Aufgabe, sie ‚reinzuholen‘. Das ist nicht immer einfach, aber wir bemühen uns mittlerweile seit über 20 Jahren darum und haben verschiedene Ansätze. Wir versuchen es einerseits immer wieder über EU-Projekte, die wir auch ganz spezifisch so beantragen, dass die Gruppen, die uns fehlen, damit angesprochen werden. Ein konkretes Beispiel war die Initiative Willkommen in Salzburg. Wir hatten festgestellt, dass wir zwar relativ viele Menschen mit Migrationshintergrund im Programm haben, die auch in ihren eigenen Sprachen senden, dass diese aber fast ausschließlich männlich sind. Deshalb haben wir überlegt, wie es möglich ist, auch Frauen dazu zu animieren, als Sendungsmacherinnen aktiv zu werden, und haben vor diesem Hintergrund im Rahmen eines EU-Projekts eine Inforedaktion von Neosalzburgerinnen für Neosalzburgerinnen gegründet. Das Redaktionsteam dieses Infomagazins bestand aus Frauen, die schon länger in Salzburg lebten und war für Frauen, oder Menschen gedacht, die neu nach Salzburg kommen. Die schon erfahreneren Neosalzburgerinnen konnten also den neueren Neosalzburgerinnen ihre Erfahrungswerte, ihr Wissen und ihre Expertise mitgeben ‑ in sechs verschiedenen Sprachen. Dieses Format lief in Summe fünf Jahre und war ein tolles Projekt. Dadurch konnten wir auch sehr viele Frauen, die wir sonst wahrscheinlich nicht dazu motivieren hätten können, als Sendungsmacherinnen gewinnen. Das wäre so ein Beispiel. In den letzten Jahren versuchen wir außerdem, in den ländlichen Raum hinauszugehen, um die Idee des Radiomachens auch den Menschen dort näherzubringen. Wir waren ja eigentlich immer eher als städtisches Radio wahrgenommen worden. Ich glaube, dass Kunst- und Kulturangebote gerade auch am Land wichtig sind, da sie ja wesentlich dünner gestreut sind als in der Stadt. Einerseits sind sie deswegen wichtig, andererseits aber auch, weil am Land einfach oft wenig Infrastrukturangebot vorhanden ist. Ich glaube, dass diese Aktivitäten im Sinne einer Regionalentwicklung ganz viel leisten können.

Elke Zobl, Eva Schmidhuber ( 2020): „Wir haben den Anspruch, in unserem Programm die Gesellschaft in all ihrer Vielfalt abzubilden“. Eva Schmidhuber im Gespräch mit Elke Zobl. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/wir-haben-den-anspruch-in-unserem-programm-die-gesellschaft-in-all-ihrer-vielfalt-abzubilden/